Polizei in Georgien setzt Tränengas gegen Demonstranten ein

30.04.2024 23:16

Seit Wochen wird in Georgien demonstriert: Die Regierung will mehr
Kontrolle, die Zivilgesellschaft fürchtet um ihre Freiheiten. Eine
Rede des starken Mannes in Tiflis hat die Spannungen angeheizt.

Tiflis (dpa) - In Georgien im Südkaukasus ist die Polizei am
Dienstagabend mit Gewalt gegen eine Menschenmenge friedlicher
Demonstranten vorgegangen. Die seit Wochen andauernden Proteste
richten sich gegen Pläne der Regierung, den angeblichen ausländischen
Einfluss auf die Zivilgesellschaft zu unterbinden. Mit Tränengas und
Wasserwerfern drängten die Einsatzkräfte die Demonstranten vom
Parlament in der Hauptstadt Tiflis ab und räumten die Hauptstraße
Rustaweli-Prospekt. 

Georgische Medien berichteten, mehrere Menschen seien verletzt
worden. Die Polizei sprach davon, dass die Kundgebung nicht mehr
friedlich gewesen sei. Die öffentliche Ordnung müsse
wiederhergestellt werden. Präsidentin Salome Surabischwili forderte
die Polizei auf, das gewaltsame Vorgehen gegen die ihren Worten nach
friedlichen jungen Demonstranten sofort einzustellen.

Im Parlament debattierten die Abgeordneten in zweiter und damit
vorletzter Lesung über das umstrittene Gesetz, das nach Auffassung
seiner Gegner wie in Russland zur Kontrolle der Zivilgesellschaft
eingesetzt werden soll. Eine Abstimmung wird am Mittwoch erwartet.

Der Entwurf sieht vor, dass Nichtregierungsorganisationen
ausländische Geldquellen offenlegen müssen. Die Regierungspartei
Georgischer Traum will nach eigenen Angaben auf diese Weise für mehr
Transparenz sorgen und ausländische Einflussnahme kontrollieren.
Viele Projekte zur Demokratieförderung in Georgien werden vom Westen
finanziert, auch aus der EU und den USA. Kritiker befürchten, dass
dieses Gesetz nach Moskauer Vorbild missbraucht werden soll, um
Geldflüsse zu stoppen und prowestliche Kräfte zu verfolgen.

Die Proteste in der Ex-Sowjetrepublik, die EU-Beitrittskandidat ist,
dauern schon seit Wochen an. Im Herbst steht eine Parlamentswahl an.
Am Montag brachte die Regierungspartei ihrerseits etwa 100 000
Anhänger zu einer Kundgebung in Tiflis zusammen. Der starke Mann der
Partei, der Milliardär Bidsina Iwanischwili, hielt dabei eine Rede,
die einen deutlich autoritären Kurs ankündigte. 

Vor der Regierungszeit seiner Partei ab 2012 sei Georgien von
ausländischen Einflussagenten geführt worden, sagte er. Iwanischwili
bezeichnete die oppositionelle Nationale Bewegung als «eine einzige
kriminelle und verräterische Gruppe» und drohte damit, sie nach der
Wahl zur Rechenschaft zu ziehen. Dem Westen warf der
Ex-Regierungschef vor, Georgien wie die Ukraine als Kanonenfutter im
Kampf gegen Moskau zu missbrauchen.

Die EU und viele ihrer Mitgliedsstaaten haben das geplante Gesetz
über sogenannte Auslandsagenten scharf kritisiert. Vergangenes Jahr
hatte die Führung in Tiflis den Entwurf angesichts von
Massenprotesten auf Eis gelegt. Bei dem neuen Anlauf sind
Iwanischwili und Ministerpräsident Irakli Kobachidse aber
entschlossen, das Gesetz einzuführen. Präsidentin Surabischwili steht
aufseiten der meist jungen, proeuropäischen Demonstranten.