Neue Proteste nach zweiter Lesung von umstrittenem Gesetz in Georgien

01.05.2024 22:44

Die Ex-Sowjetrepublik Georgien will der EU beitreten. Zugleich strebt
die Regierung nach einer stärkeren Kontrolle der Zivilgesellschaft.
Ein umstrittenes Gesetz hat nun eine weitere Hürde genommen.

Tiflis (dpa) - Überschattet von schweren Protesten hat das Parlament
in Georgien im Südkaukasus in zweiter Lesung ein umstrittenes Gesetz
zur verschärften Kontrolle von Nichtregierungsorganisationen
angenommen. Zehntausende seien dagegen am Mittwochabend erneut auf
die Straße gegangen, berichtete ein Reporter der Deutschen
Presse-Agentur. Die Polizei setzte Medienberichten zufolge
Wasserwerfer, Tränengas und Gummigeschosse gegen die Demonstranten
ein. Es habe mehrere Verletzte gegeben. Das Gesetz soll den
angeblichen Einfluss des Auslands auf die Zivilgesellschaft im
EU-Beitrittskandidatenland Georgien beschränken.

Für die umstrittene Gesetzesinitiative stimmten 83 der insgesamt 150
Abgeordneten des Parlaments. 23 votierten dagegen. Für die Annahme
des Gesetzes sind drei Lesungen notwendig. Regierungschef Irakli
Kobachidse hat bereits angekündigt, die dritte Lesung trotz der
anhaltenden Proteste in zwei Wochen abzuhalten. Weitere zwei Wochen
später werde das Parlament dann das zu erwartende Veto von
Präsidentin Salome Surabischwili gegen das Gesetz überstimmen, sagte
er bei einer Pressekonferenz.

Das geplante Gesetz fordert, dass Nichtregierungsorganisationen, die
mehr als 20 Prozent Geld aus dem Ausland erhalten, über die Herkunft
Rechenschaft ablegen müssen. Viele Projekte zur Demokratieförderung
in der Ex-Sowjetrepublik arbeiten mit Geld aus EU-Staaten oder den
USA. Die Regierungspartei Georgischer Traum spricht von größerer
Transparenz. Kritiker erwarten, das Gesetz werde wie in Russland
missbraucht werden, um Geldflüsse zu stoppen und prowestliche Kräfte
zu verfolgen. Die seit 2012 regierende Partei Georgischer Traum tritt
vor der Parlamentswahl im Herbst zunehmend autoritär auf. Die
proeuropäischen Demonstranten befürchten, dass dieser Kurs den
erhofften Beitritt zur EU gefährdet.

Das Innenministerium begründete das harte Vorgehen der Polizei gegen
die Demonstranten damit, dass diese versucht hätten, die Türen des
Parlaments aufzubrechen. Zur Wiederherstellung der Ordnung hätten die
Beamten unter anderem Pfefferspray und Wasserwerfer eingesetzt,
teilte das Ministerium am Mittwochabend mit. Schon in den vergangenen
Tagen war es immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen
zwischen Sicherheitskräften und Protestierenden gekommen.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen äußerte sich
angesichts der erneuten Eskalation besorgt. «Ich verfolge die Lage in
Georgien mit großer Sorge und verurteile die Gewalt auf den Straßen
von Tiflis», schrieb sie im Netzwerk X (früher Twitter). «Georgien
steht an einem Scheideweg. Es sollte seinen Weg nach Europa
konsequent fortsetzen.»