Faeser will nächste Woche Innen-Konferenz zu Attacken auf Wahlkämpfer

05.05.2024 05:31

Unbekannte prügeln einen SPD-Politiker ins Krankenhaus. Die
Bundesinnenministerin dringt angesichts der Gewalt-Attacken auf
rasche Beratungen mit den Ländern. In Berlin und Dresden sind Demos
geplant.

Dresden/Berlin (dpa) - Nach dem brutalen Angriff auf einen
SPD-Politiker in Dresden sollen die Innenminister von Bund und
Ländern schon sehr bald über Schutzmaßnahmen beraten. Laut einem
Medienbericht regte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) eine
Sonderkonferenz in der kommenden Woche an. Eine entsprechende Bitte
richtete sie an den derzeitigen Vorsitzenden der
Innenministerkonferenz, Brandenburgs Ressortchef Michael Stübgen
(CDU), wie der «Tagesspiegel» unter Berufung auf Regierungskreise
berichtete. Derweil riefen zwei Bündnisse für diesen Sonntag unter
dem Motto «Gewalt hat keinen Platz in unserer Demokratie!» zu
spontanen Demonstrationen in Berlin und Dresden auf.

In Berlin soll ab 18.00 Uhr vor dem Brandenburger Tor protestiert
werden, in Dresden ab 17.00 Uhr am Pohlandplatz, wie es in den am
Samstagabend veröffentlichten Instagram-Posts des Internetportals
«Zusammen gegen Rechts» und des Bündnisses «Wir sind die Brandmauer

Dresden» heißt. Die Bündnisse hatten bereits im Februar zu
Demonstrationen gegen rechts aufgerufen.

Am Samstag hatte Faeser bereits eine schnelle Einberufung einer
Konferenz für dringlich erklärt. «Der Rechtsstaat muss und wird
hierauf mit einem harten Vorgehen und weiteren Schutzmaßnahmen für
die demokratischen Kräfte in unserem Land reagieren», hatte sie mit
Blick auf die Gewaltattacken auf die Politiker erklärt.

Die Grünen in Sachsen haben nach anderen Angriffen vom vergangenen
Wochenende in Chemnitz und Zwickau bereits reagiert und schicken ihre
Mitglieder nicht mehr alleine zum Plakatieren. Auch in anderen
Parteien gibt es solche Überlegungen und Vorgaben mittlerweile.

Was geschehen ist

Der sächsische SPD-Spitzenkandidat für die Europawahl, Matthias Ecke,
war am Freitagabend von vier Unbekannten beim Aufhängen von
Wahlplakaten in Dresden zusammengeschlagen worden. Der 41-jährige
Europaabgeordnete liegt seitdem im Krankenhaus und muss operiert
werden. Kurz zuvor hatte laut Polizei mutmaßlich dieselbe Gruppe in
der Nähe bereits einen 28-jährigen Wahlkampfhelfer der Grünen
angegriffen und verletzt.

Laut Polizei werden die vier jungen Männer auf 17 bis 20 Jahre
geschätzt. Zeugen zufolge seien sie dunkel gekleidet gewesen, sagte
ein Polizeisprecher. Ein Zeuge habe sie dem rechten Spektrum
zugeordnet. Die Ermittlungen würden zeigen, ob das stimme. Nach
Angaben des sächsischen Innenministeriums ermittelt nun das
Landeskriminalamt.

Welche anderen Angriffe es gab

Die Vorfälle von Dresden reihen sich ein in eine bundesweite Folge
von Angriffen auf Parteimitglieder vor der Kommunal- und Europawahlen
am 9. Juni. Erst am Donnerstagabend waren in Essen nach einer
Grünen-Veranstaltung der Bundestagsabgeordnete Kai Gehring und sein
Parteikollege Rolf Fliß nach eigenen Angaben attackiert und Fliß
dabei geschlagen worden. Die grüne Bundestagsvizepräsidentin
Katrin-Göring-Eckardt war vor einer Woche in Ostbrandenburg nach
einer Veranstaltung aggressiv bedrängt und an der Abfahrt gehindert
worden. Im niedersächsischen Nordhorn wurde am Samstagmorgen ein
Landtagsabgeordneter der AfD nach Polizeiangaben an einem Infostand
geschlagen.

Dabei hat sich die Zielgruppe der Angreifer in den vergangenen Jahren
etwas verlagert: Waren noch 2019 vor allem Vertreter der AfD Ziel von
Anfeindungen, so sind es nun die Grünen. Für die AfD wurden 2023 nach
vorläufigen Zahlen bundesweit 478 Fälle aktenkundig, für die Grünen

1219. Für alle Parteien wurden von 2019 bis 2023 insgesamt 10 537
Straftaten gemeldet, wie aus einer Regierungsantwort auf eine Kleine
Anfrage aus der AfD-Fraktion hervorgeht.

Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) mutmaßte beim
Redaktionsnetzwerk Deutschland: «Bei den jüngsten Angriffen gegen
Personen, die zum Beispiel Wahlplakate anbringen, müssen wir davon
ausgehen, dass es sich um geplante Taten handeln, die nicht spontan,
sondern gezielt durchgeführt werden. Dies ist eine neue
Eskalationsstufe, die das erklärte Ziel der Einschüchterung hat.» 


Was die Politik sagt

Angesichts der Verletzungen löste der Angriff von Dresden besondere
Empörung aus. «Dieser Ausbruch von Gewalt ist eine Warnung», schrieb

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in einer Erklärung am
Samstag. Er appellierte an alle, die politische Auseinandersetzung
friedlich und mit Respekt zu führen, und forderte die Anhänger der
liberalen Demokratie auf, gegen Angriffe parteiübergreifend
zusammenzustehen.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte in Berlin: «Die Demokratie wird
von so etwas bedroht, und deshalb ist achselzuckendes Hinnehmen
niemals eine Option.» Bundesaußenministerin Annalena Baerbock schrieb
auf der Plattform X, vormals Twitter: «Brutale Angriffe auf
engagierte Demokrat*innen, Wahlkämpfer*innen & Politiker*innen sind
Attacken auf das Fundament unserer #Demokratie: Freie Wahlen.» Gewalt
sei nie ein Mittel der Demokratie - egal aus welchem Spektrum.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) nannte die
Attacken auf der Plattform X «schockierend». Vizekanzler Robert
Habeck (Grüne) erklärte: «Sie sind der widerliche und unentschuldbare

Ausfluss einer Verrohung von Sprache, Debatte und der Enthemmung in
den sogenannten sozialen Medien.» Finanzminister Christian Lindner
(FDP) mahnte auf X: «Die Enthemmung der politischen
Auseinandersetzung betrifft uns alle. Jeder kann der nächste sein.
Deshalb sind wir auch alle gefordert, uns der Eskalation
entgegenzustellen.»

Der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla, dessen Partei von einigen für
eine Gewalt fördernde Atmosphäre verantwortlich gemacht wird, schrieb
auf X: «Physische Angriffe gegen Politiker aller Parteien verurteilen
wir zutiefst. Wahlkämpfe müssen inhaltlich hart und konstruktiv, aber
ohne Gewalt geführt werden.»

Was die Demos sollen 

In dem Demonstrationsaufruf der beiden Bündnisse heißt es, man wolle
gemeinsam als demokratische Zivilgesellschaft Haltung zeigen.
«Niemand sollte um seine Sicherheit fürchten müssen, weil man sich
politisch engagiert oder in einer Partei aktiv ist!», hieß es. «Diese

Demokratie lassen wir uns nicht durch Gewalt zerstören.» 

Auslöser für die bundesweiten Proteste gegen rechts im Februar waren
Enthüllungen des Medienhauses Correctiv über ein Treffen radikaler
Rechter in Potsdam, an dem auch AfD-Politiker sowie einzelne
Mitglieder der CDU und der sehr konservativen Werteunion teilgenommen
hatten.