Jugendlicher stellt sich nach Angriff auf SPD-Politiker Von Bettina Grachtrup und Jasmin Beisiegel, dpa

05.05.2024 13:04

Unbekannte prügeln einen SPD-Politiker ins Krankenhaus - das
Entsetzen ist groß, in Berlin und Dresden sind Demonstrationen
geplant. Vier Täter werden gesucht, einer stellt sich.

Dresden/Berlin (dpa) - Nach dem brutalen Angriff auf den
SPD-Politiker Matthias Ecke in Dresden hat sich ein 17-Jähriger der
Polizei gestellt. Der Jugendliche meldete sich gegen 1.00 Uhr auf dem
Polizeirevier Dresden-Süd und teilte mit, dass er der Täter sei, der
den Europaabgeordneten niedergeschlagen habe, wie das
Landeskriminalamt (LKA) am Sonntag mitteilte. Er sei bisher noch
nicht polizeilich in Erscheinung getreten. Er befindet sich nicht in
Gewahrsam, da nicht davon auszugehen sei, dass er untertauche, sagte
eine Sprecherin des LKA. Die weiteren Ermittlungen würden zeigen, ob
seine Aussage stimme. Die drei weiteren Tatverdächtigen sind
weiterhin unbekannt. Die Ermittlungen dauern an.

Täter sollen dunkel gekleidet gewesen sein

Ecke ist sächsischer SPD-Spitzenkandidat für die Europawahl. Der
41-Jährige war am Freitagabend von vier jungen Männern beim Aufhängen

von Wahlplakaten in Dresden zusammengeschlagen worden. Er liegt
seitdem im Krankenhaus und muss operiert werden. Kurz zuvor hatte
laut Polizei mutmaßlich dieselbe Gruppe in der Nähe bereits einen
28-jährigen Wahlkampfhelfer der Grünen angegriffen und verletzt. Laut
Polizeiangaben vom Samstag werden die vier jungen Männer auf 17 bis
20 Jahre geschätzt. Zeugen zufolge seien sie dunkel gekleidet
gewesen, hatte ein Polizeisprecher gesagt. Ein Zeuge habe sie dem
rechten Spektrum zugeordnet.

Aufruf zu Demonstrationen in Dresden und Berlin

Zwei Bündnisse riefen für diesen Sonntag unter dem Motto «Gewalt hat

keinen Platz in unserer Demokratie!» zu spontanen Demonstrationen in
Berlin und Dresden auf. In Berlin soll ab 18.00 Uhr vor dem
Brandenburger Tor protestiert werden, SPD-Chef Lars Klingbeil will
dort reden. In Dresden wird ab 17.00 Uhr am Pohlandplatz
demonstriert, wie es in den am Samstagabend veröffentlichten
Instagram-Posts des Internetportals «Zusammen gegen Rechts» und des
Bündnisses «Wir sind die Brandmauer Dresden» heißt. Die Bündnisse

hatten bereits im Februar zu Demonstrationen gegen rechts initiiert.
In dem neuen Demonstrationsaufruf heißt es, man wolle gemeinsam als
demokratische Zivilgesellschaft Haltung zeigen.

Angriffe auch auf Politiker anderer Parteien

Auch die AfD ist Ziel von Angriffen: Im niedersächsischen Nordhorn
wurde am Samstagmorgen ein AfD-Landtagsabgeordneter nach
Polizeiangaben an einem Infostand geschlagen. In Dresden attackierten
zwei 23-jährige Frauen und ein 28-jähriger Mann am Samstag
unvermittelt einen Informationsstand der Partei und beschädigten
Aufsteller, Plakate und einen Tisch, wie die Polizei am Sonntag
mitteilte. Der Betreiber des Stands wurde nicht verletzt. Die Polizei
stellte die Tatverdächtigen nach Hinweisen von Zeugen.

Zudem beschädigte laut Polizei eine Gruppe von 20 Jugendlichen in der
Nacht zu Sonntag im Dresdner Stadtteil Striesen augenscheinlich
wahllos 21 Wahlplakate der AfD, der FDP, der CDU und der Linken. Eine
Zeugin rief die Polizei, die einen 17-Jährigen auf frischer Tat
ertappte, als er in der Schandauer Straße - wo der Europaabgeordnete
Ecke und ein Wahlkampfhelfer der Grünen angriffen wurden - ein Plakat
der Linken zerstörte.

Die Vorfälle reihen sich ein in eine bundesweite Folge von Angriffen
auf Parteimitglieder vor der Kommunal- und Europawahlen am 9. Juni.
Erst am Donnerstagabend waren in Essen nach einer
Grünen-Veranstaltung der Bundestagsabgeordnete Kai Gehring und sein
Parteikollege Rolf Fliß nach eigenen Angaben attackiert und Fliß
dabei geschlagen worden. Die grüne Bundestagsvizepräsidentin
Katrin-Göring-Eckardt war vor rund einer Woche in Ostbrandenburg nach
einer Veranstaltung aggressiv bedrängt und an der Abfahrt gehindert
worden. 

Innenministerin Faeser will Sonderkonferenz der Innenminister

Die Innenminister von Bund und Ländern sollen nach dem Willen von
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) schon sehr bald über
Schutzmaßnahmen beraten. Laut «Tagesspiegel» regte Faeser eine
Sonderkonferenz in der neuen Woche an. Eine entsprechende Bitte habe
sie an den derzeitigen Vorsitzenden der Innenministerkonferenz,
Brandenburgs Ressortchef Michael Stübgen (CDU), gerichtet. Am Samstag
hatte Faeser bereits eine schnelle Einberufung einer Konferenz für
dringlich erklärt. «Der Rechtsstaat muss und wird hierauf mit einem
harten Vorgehen und weiteren Schutzmaßnahmen für die demokratischen
Kräfte in unserem Land reagieren», hatte sie mit Blick auf die
Gewaltattacken auf die Politiker erklärt.