ÖDP stößt Debatte um neue Gentechnik an - Petition gestartet

05.05.2024 14:01

Die ÖDP setzt im Europawahlkampf auf das Thema neue Gentechnik und
kritisiert mehrere CSU-Abgeordnete. Nun hat die Ökopartei eine
Petition gestartet.

München (dpa/lby) - Die ÖDP in Bayern setzt in ihrem Europawahlkampf
auf das Thema neue Gentechnik und hat dazu eine Petition gestartet.
Mehreren CSU-Europaabgeordneten wirft die Ökopartei vor, auf EU-Ebene
gegen das bayerische Naturschutzgesetz zu agieren, indem sie
letztlich für Deregulierungen bei neuer Gentechnik gestimmt hätten. 


Die CSU-Europaabgeordnete Marlene Mortler entgegnete auf dpa-Anfrage,
dass es auf die Unterscheidung zwischen traditioneller Gentechnik
(GVO) und neuer Gentechnik ankomme. «Wenn beide Methoden miteinander
in denselben Topf geworfen werden, bringt uns das nicht weiter und
ist fachlich falsch.»

Hintergrund sind Abstimmungen zum Thema Deregulierung bei neuer
Agrar-Gentechnik im EU-Parlament Anfang des Jahres. Befürworter sehen
darin die Chance, schneller an neue Züchtungen zu kommen, die etwa
mit den Folgen des Klimawandels besser zurechtkommen oder weniger
Pestizide benötigen. Zu den Kritikern der Deregulierung zählen auch
EU-Abgeordnete von SPD und Grünen sowie Bio-Bauern. 

Die ÖDP kritisiert mehrere CSU-Europaabgeordnete dafür, teils gegen
die Kennzeichnungspflicht bei Produkten aus neuer Gentechnik, gegen
eine Umweltverträglichkeitsprüfung und gegen eine
Sicherheitsbewertung gestimmt zu haben. Damit würde sie auf EU-Ebene
das bayerische Naturschutzgesetz aushebeln wollen.

Die bayerische ÖDP-Chefin Agnes Becker verweist auf Artikel 11b des
bayerischen Naturschutzgesetzes, der besagt: «Der Anbau gentechnisch
veränderter Pflanzen ist in Bayern verboten.» Und Manuela Ripa,
einzige Europaabgeordnete der ÖDP, wirft der Fraktion von Manfred
Weber (CSU) vor, die bayerische Gesetzgebung auf EU-Ebene zu
verraten. 

CSU-Politikerin Marlene Mortler teilte dazu auf dpa-Anfrage mit: «Um
seine internationale Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, die Resilienz
unserer Gesellschaft zu stärken und unsere Wirtschaftskraft
auszubauen, sind wir als Standort Europa auf Forschung und Innovation
angewiesen. Das gilt auch für die Pflanzenzüchtung.» 

Mehrheitlich hatte das EU-Parlament im Februar für das
Deregulierungs-Vorhaben votiert. Anders als es die EU-Kommission
zuvor vorgeschlagen hatte, wollen die EU-Parlamentarier allerdings,
dass alle Produkte aus Gentechnik künftig im Supermarkt
gekennzeichnet werden müssen - eben auch, wenn sie mit modernen
Gentechnikmethoden gezüchtet wurden. Die Kommission hatte
vorgeschlagen, dass dies dann nicht nötig sei, wenn eine Züchtung
auch durch herkömmliche Methoden wie Auslese hätte entstehen können.


Auf die Unterscheidung bei den Methoden komme es an, so Mortler
gegenüber der dpa. Das Bayerische Naturschutzgesetz beziehe sich
ausschließlich auf den traditionellen gentechnischen Anbau.

Bei den neuen Züchtungsmethoden würden im Gegensatz zur Gentechnik
(GVO) keine Fremdgene eingebracht, so Mortler, sondern kleine
Mutationen im Genom erzeugt. Das passiere auch in der herkömmlichen,
also traditionellen Züchtung. Das bedeute, dass vorteilhafte
Mutationen isoliert, vermehrt und miteinander kombiniert würden.
Damit seien neue Züchtungsmethoden nicht unterscheidbar von der
herkömmlichen Züchtung. «Dagegen sind gentechnisch veränderte
Pflanzen leicht unterscheidbar und leicht nachweisbar. Dies ist und
bleibt wichtig. Wenn beide Methoden miteinander in denselben Topf
geworfen werden, bringt uns das nicht weiter und ist fachlich
falsch.»

Definitionsfragen zu Gentechnik und neuer Gentechnik hatte Agnes
Becker jüngst beim Landesparteitag als juristische Spitzfindigkeiten
bezeichnet. Die ÖDP spricht bei der neuen Agrar-Gentechnik von
unüberschaubaren Risiken und sieht insbesondere die
Öko-Landwirtschaft gefährdet.

Die Partei startete eine Petition zur Verteidigung des Bayerischen
Naturschutzgesetzes. Darin fordert sie die Staatsregierung auf, alles
daranzusetzen, um «die Einhaltung bayerischer Gesetze sicherzustellen
und die Zulassung der neuen Gentechnik doch noch abzuwenden». Mit der
Petition will die ÖDP an den Landtag herantreten. 

Im Zentrum neuer Gentechnik steht die Genschere Crispr/Cas, deren
Entdeckerinnen 2020 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurden. Die
Genschere steuert gezielt Gene an, die für eine bestimmte Eigenschaft
verantwortlich sind. Der Genstrang wird an einer konkreten Stelle
geschnitten und vom zelleigenen Reparatursystem wieder
zusammengefügt.

Bevor die neuen EU-Regeln zur Agrar-Gentechnik in Kraft treten
können, müssen noch mit den ebenfalls an der Gesetzgebung beteiligten
EU-Staaten Verhandlungen über die genaue Umsetzung geführt werden.
Dazu dürfte es vor der Europawahl (9. Juni) nicht mehr kommen.