Verrohung im Wahlkampf - Rufe nach Konsequenzen nach Angriffen

06.05.2024 08:22

Ein SPD-Politiker wird in Dresden im Wahlkampf brutal
zusammengeschlagen - das Entsetzen ist groß. Nun wird über
Konsequenzen diskutiert. Es werden aber auch noch mutmaßliche Täter
gesucht.

Dresden/Berlin (dpa) - Nach dem brutalen Angriff auf den
SPD-Politiker Matthias Ecke beim Anbringen von Wahlplakaten in
Dresden läuft die Suche nach drei bisher unbekannten Tätern weiter.
Auch die Hintergründe des Überfalls sind weiter unklar. Der
17-jährige Tatverdächtige, der sich gestellt hatte, habe sich zum
Tatmotiv bislang nicht eingelassen, schrieb die Polizei am
Sonntagabend auf der Plattform X (früher Twitter).  Zugleich rückt
die Diskussion über mögliche Konsequenzen aus der Gewalteskalation in
den Fokus. Bund und Länder wollen am Dienstag zu dem Thema beraten.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) fordert einen besseren
Schutz von Politikern und Helfern im Wahlkampf. 

Am Freitagabend war Ecke, der sächsische SPD-Spitzenkandidat für die
Europawahl, beim Aufhängen von Wahlplakaten in Dresden
zusammengeschlagen worden. Der 41-Jährige kam mit einem Bruch des
Jochbeins und der Augenhöhle sowie Hämatomen und Schnittverletzungen
im Gesicht ins Krankenhaus. Ecke wurde am Sonntag operiert, es gehe
ihm den Umständen entsprechend gut, sagte Sachsens SPD-Chef Henning
Homann. Kurz vor dem Angriff auf den SPD-Politiker hatte laut Polizei
mutmaßlich dieselbe Gruppe in der Nähe bereits einen 28 Jahre alten
Wahlkampfhelfer der Grünen angegriffen und verletzt. 

Die Polizei geht von vier Tatverdächtigen aus. In der Nacht zum
Sonntag hatte sich ein 17-Jähriger der Polizei gestellt und den
Angriff auf Ecke gestanden. Die drei anderen Tatverdächtigen sind
weiterhin unbekannt. Nach Polizeiangaben werden die jungen Männer auf
17 bis 20 Jahre geschätzt. Zeugen zufolge seien sie dunkel gekleidet
gewesen, hatte ein Polizeisprecher gesagt. Ein Zeuge habe sie dem
rechten Spektrum zugeordnet.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) prangerte die
wachsende Aggressivität und zunehmende Gewalt innerhalb der
Gesellschaft an. «Das sind Feinde der Demokratie (...) Es ist
wirklich fünf vor Zwölf», sagte er am Sonntagabend in der ARD-Sendung

«Caren Miosga». Dem gelte es ein Stopp-Zeichen entgegenzusetzen. Man
habe es immer noch in der Hand, Dinge zu verändern. Es gebe aber eine
neue Qualität. Das dürfe nicht unwidersprochen bleiben.
Rechtspopulisten würden die Bevölkerung anstacheln.  

Suche nach weiteren Tätern - SPD will nur noch tagsüber plakatieren

Die Ermittlungen dauern an, unter Hochdruck, wie Sachsens
Innenminister Armin Schuster (CDU) erklärte. «Wir werden dafür
sorgen, dass alle Täter ihrer Strafe zugeführt werden.» Zugleich
sprach er sich dafür aus, die Zusammenarbeit zwischen Parteizentralen
und der sächsischen Polizei im Wahlkampf zu intensivieren, um die
Teilnehmerinnen und Teilnehmer etwa bei Veranstaltungen besser
schützen zu können. Sachsens SPD-Chef kündigte an, man werde nur noch

tagsüber plakatieren und die Teams vergrößern. 

«Wir brauchen noch mehr sichtbare Polizeipräsenz vor Ort, um
Demokraten an Wahlkampfständen und bei Veranstaltungen zu schützen»,

sagte Bundesinnenministerin Faeser der «Rheinischen Post» (Montag)
angesichts der Attacke auf Ecke und auf weitere Politiker und
Wahlhelfer in den vergangenen Tagen. «Rechtsstaatlich müssen wir
jetzt mit mehr Härte gegen Gewalttäter und mehr Schutz für die
demokratischen Kräfte handeln», betonte sie. Darüber werde sie «seh
r
schnell» mit den Innenministern der Länder beraten. Für Dienstag hat

der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Brandenburgs Ressortchef
Michael Stübgen (CDU), zu einer Sonderkonferenz der Ressortkollegen
eingeladen. 

Breite Solidarisierung mit Angegriffenen

In Dresden und Berlin haben am Sonntagabend zahlreiche Menschen für
Demokratie und gegen Gewalt im Wahlkampf demonstriert, darunter
zahlreiche bekannte Politiker. In Sachsens Landeshauptstadt kamen
rund 3000 Menschen zusammen, in Berlin vor dem Brandenburger Tor
waren es nach Angaben des Bündnisses «Zusammen Gegen Rechts», das die

Demos organisiert hatte, ebenso viele Menschen. 

Politiker fast aller großen Parteien haben sich zudem gemeinsam gegen
Gewalt in der politischen Auseinandersetzung gewandt. Bis
Sonntagnachmittag unterschrieben mehr als 100 Abgeordnete diverser
Parlamente die sogenannte Striesener Erklärung, die sich gegen «die
immer weiter eskalierende Gewalt gegen politisch engagierte Menschen
im öffentlichen Raum» wendet. Die Angriffe in Dresden hatten sich im
gutbürgerlichen Stadtteil Striesen ereignet.

Warnungen vor Rotstift bei innerer Sicherheit

Vor dem Hintergrund von Angriffen auf Wahlkämpfern warnen
Innenpolitiker von SPD und Grünen Bundesfinanzminister Christian
Lindner (FDP) davor, bei der inneren Sicherheit zu sparen. «Wer in
diesen Zeiten im Innenressort sparen will, legt die Axt an die
Demokratie. Wir müssen das Gegenteil tun und ein Sicherheits- und
Demokratiepaket auflegen». Der Grünen-Innenexperte Marcel Emmerich
mahnte im «Spiegel» ebenfalls: «Angesichts des inneren und äußere
n
Drucks auf unsere Sicherheit und Demokratie wären solche Kürzungen im
Bereich der inneren Sicherheit töricht und fahrlässig.»
Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz bekräftigte die Forderung
nach einem «Sondervermögen innere Sicherheit».   

Wahlen auch in Tausenden Kommunen

In diesem Jahr finden neben der Europawahl und den Landtagswahlen in
Sachsen, Thüringen und Brandenburg auch zahlreiche Kommunalwahlen
statt. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und
Gemeindebunds, André Berghegger, wies darauf hin, dass gerade
Kommunalpolitikerinnen und -politiker leicht für Beleidigungen,
Hetze, Hass oder sogar tätliche Angriffe erreichbar seien und sorgt
sich wegen der zunehmenden Angriffe auf Wahlkämpfer. «Im Jahr 2024
werden in rund 6000 Städten und Gemeinden mehr als 110 000 Mandate
neu gewählt», sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland
(RND/Montag). Daher gäben die Ereignisse der vergangenen Tage Anlass
zu großer Sorge.