Die rheinland-pfälzischen Spitzenkandidaten für die Europawahl
05.06.2024 04:30
Erfahrene Politiker und Neulinge: Die sieben rheinland-pfälzischen
Spitzenkandidaten für Europa und ihre Chancen.
Mainz (dpa/lrs) - Die SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl,
Katarina Barley, stammt zwar aus Rheinland-Pfalz, ist aber ein
Vorschlag der Bundespartei. Die Landes-SPD hat für ihren
Spitzenkandidaten nur einen hinteren Platz auf der Bundesliste
durchsetzen können. Rheinland-Pfälzer aus anderen Parteien haben da
bessere Karten. Ein Überblick über die Kandidaten:
Katarina Barley (SPD):
Die 55-Jährige ist eine der Vizepräsidentinnen des Europäischen
Parlaments. Die deutsch-britische Juristin aus dem Raum Trier ist mit
einem Niederländer verheiratet und spricht mehrere Sprachen. Dem
EU-Parlament gehört sie seit 2019 an. Zuvor war sie Bundesministerin
und SPD-Generalsekretärin. Sie ist auch Mitglied des Vorstands der
Bundes-SPD. Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gehören in Brüssel zu
ihren Schwerpunktthemen. Barley warnt schon länger vor einem
Rechtsruck im Parlament und fordert die Bürger auf, am 9. Juni wählen
zu gehen und einer demokratischen Partei ihre Stimme zu geben.
Karsten Lucke (SPD):
Der 49 Jahre alte gebürtige Kieler ist seit 2022 Mitglied des
EU-Parlaments und würde gerne weiter machen. Bei der Wahl des
rheinland-pfälzischen Spitzenkandidaten Ende 2023 setzte er sich auf
dem Landesparteitag überraschend mit einer flammenden Rede für Europa
gegen den vom Vorstand einstimmig vorgeschlagenen Daniel Stich durch.
Einen aussichtsreichen Platz auf der Bundesliste bekam er aber -
trotz der Unterstützung von Ministerpräsidentin Malu Dreyer - nicht.
Er geht auf Platz 20 ins Rennen. Die SPD muss Schätzungen zufolge am
9. Juni auf rund 20 Prozent kommen, damit er wieder ins Parlament
einziehen kann.
Lucke lernte nach eigenen Worten schon als Junge bei den Pfadfindern
in der Begegnung mit jungen Menschen aus anderen Ländern, dass sie
bei allen Unterschieden die gleichen Sorgen und Nöte hatten.
Thematische Schwerpunkte seiner Parlamentstätigkeit sind bisher
Außen- und Entwicklungspolitik, und er ist Mitglied im
Sonderausschuss zu den Erkenntnissen aus der Corona-Pandemie und den
Zukunftsempfehlungen. Lucke, der 1994 in die SPD eintrat, ist aber
im Westerwald auch kommunalpolitisch aktiv. Er ist unter anderem
ehrenamtlicher Ortsbürgermeister von Lautzenbrücken und kandidiert
bei der Kommunalwahl auch wieder.
Christine Schneider (CDU):
Die Pfälzerin aus Landau ist seit 2019 Mitglied des Europäischen
Parlaments und parlamentarische Geschäftsführerin der CDU/
CSU-Gruppe. Sie ist Spitzenkandidatin auf der CDU-Landesliste und
wird vier Tage vor der Europawahl 52 Jahre alt. Thematisch befasst
sich Schneider auch vor allem mit Weinbau, Landwirtschaft und
ländlicher Entwicklung. Sie engagiert sich auch im Ausschuss für
Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit sowie
im Ausschuss für die Rechte der Frauen und die Gleichstellung der
Geschlechter sowie für die Beziehungen zu Südafrika und dem
Panafrikanischen Parlament.
Von 1996 bis zu ihrer Wahl ins Europaparlament 2019 war die gelernte
Tischlerin Landtagsabgeordnete in Mainz mit den politischen
Schwerpunkten Landwirtschaft, Weinbau, Umwelt- und Forstpolitik. Die
letzten drei Jahre ihrer Abgeordnetenzeit war sie auch
stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende. Seit Mai 2022 steht
Schneider an der Spitze des CDU-Bezirks Rheinhessen-Pfalz.
Die rheinland-pfälzische CDU hofft, dass nicht nur Schneider und der
ehemalige Westerburger Bürgermeister Ralf Seekatz (Platz 2) wieder in
das Parlament einziehen können, sondern auch die 28 Jahre alte
Carolin Hostert-Hack aus der Westeifel. Dafür wären Berechnungen
zufolge wohl etwa 35 Prozent der Stimmen notwendig. Die CDU hat
anders als die anderen Parteien keine bundesweite Liste, sondern
Landeslisten.
Jutta Paulus (Grüne):
Die 56-jährige Jutta Paulus wurde im hessischen Gießen geboren und
kam nach dem Studium in Marburg in die Pfalz. Die gelernte
Pharmazeutin und Mutter zweier erwachsener Kinder war einst
Abgeordnete im Marburger Stadtparlament. In Rheinland-Pfalz war sie
nach der Landtagswahl 2016 Mitglied der grünen Gruppe bei den
Koalitionsverhandlungen, die schließlich in die Bildung der ersten
Ampel-Koalition im Land mündeten.
Von Mai 2017 bis Ende 2019 war Paulus Co-Vorsitzende der
rheinland-pfälzischen Grünen neben Josef Winkler, seit 2019 sitzt sie
im Europaparlament. Bei dieser Europawahl steht sie auf Platz neun
der bundesweiten Liste ihrer Partei und dürfte bei einem Ergebnis ab
zehn Prozent für die Grünen sicher wieder ins Parlament einziehen.
Als einen Schlüsselmoment in ihrem Leben schildert sie die
Reaktorkatastrophe von Tschernobyl aus dem Jahr 1986. Seitdem
begleiteten sie die Themen Umwelt und Energie. Eines ihrer
Hauptanliegen ist es nach eigener Aussage, dass eine
«konservativ-rechte Allianz den Europäischen Green Deal nicht weiter
zerstören kann». Auf dem Parteitag der rheinland-pfälzischen Grünen
im April in Lahnstein rief sie den Delegierten zu, sie könne es nicht
mehr ertragen, wenn etwa Christdemokraten mit Rechten flirteten, um
Umweltschutz zu schleifen.
Alexander Jungbluth (AfD):
Der aus Nierstein stammende Alexander Jungbluth ist auf Platz fünf
der AfD-Liste für die Europawahl gewählt worden. Damit werden dem
37-Jährigen gute Chancen eingeräumt, ins Europaparlament einzuziehen.
Es wäre nach Angaben der Partei das erste Mal, dass ein Vertreter der
AfD aus Rheinland-Pfalz in Brüssel vertreten sein wird.
Mit den Schwerpunktthemen Finanzen und Währung war der Volkswirt im
Eurowahlkampf unterwegs. Bei seiner Bewerbung um Listenplatz fünf auf
der Europawahlversammlung in Magdeburg im vergangenen Jahr wetterte
er gegen «Multikulti» und rief «Deutschland zuerst».
Jungbluth war langjähriger Landesvorsitzender der
AfD-Jugendorganisation Junge Alternative in Rheinland-Pfalz und ist
Vize-Vorsitzender des AfD Kreisverbands Mainz-Bingen. Er ist seit dem
Gründungsjahr der Partei im Jahr 2013 AfD-Mitglied. Der zweifache
Familienvater lebt im rheinhessischen Dexheim.
Sandra Weeser (FDP):
Die 54-Jährige machte kürzlich auf sich aufmerksam, als sie sich in
einem Brief an die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu
Dreyer und Bundeskanzler Olaf Scholz (beide SPD) wandte und bei der
Hilfe für das flutgeschädigte Ahrtal eine bessere Koordination
zwischen Bund und Land forderte. Weeser, deren Wahlkreis
Neuwied-Altenkirchen im Norden von Rheinland-Pfalz ist, sitzt seit
2017 im Bundestag, dort ist sie auch Vorsitzende des Ausschusses für
Wohnen, Stadtentwicklung, Bauen und Kommunen.
Für die FDP aktiv wurde sie 2006 zunächst im Ortsverband ihrer
Heimatstadt Betzdorf. Mittlerweile ist die gelernte Betriebswirtin,
die früher unter anderem im Management eines Maschinenbauunternehmens
tätig war, auch Mitglied im geschäftsführenden Landesvorstand der FDP
Rheinland-Pfalz und Bezirksvorsitzende der FDP Koblenz.
Nun möchte Weeser, die in Frankreich studiert und gearbeitet hat, mit
einem Franzosen verheiratet ist und seit einigen Jahren auch die
französische Staatsbürgerschaft hat, den Schritt ins Europaparlament
gehen. Auf der bundesweiten Liste der FDP steht sie auf Rang 25.
Aktuell haben die Freien Demokraten, die bei der Wahl 2019 bundesweit
5,4 Prozent der Stimmen holten, fünf Vertreter im Europaparlament.
Weeser würde als Europaparlamentarierin nach eigener Aussage ihr
Netzwerk nutzen wollen, um die EU bürgernäher und transparenter zu
machen. Die EU müsse reformiert werden, betont sie in einem
Vorstellungsvideo zur Europawahl. «Nur so kann die Akzeptanz
steigen.»
Joachim Streit (Freie Wähler):
Joachim Streit ist Gründungsmitglied der Freien Wähler in
Rheinland-Pfalz und vertritt seine Partei auch im
rheinland-pfälzischen Landtag. Im Parlament in Mainz sitzt er der
Fraktion seit dem Jahr 2021 als Vorsitzender vor. Seit diesem Jahr
ist der 58-Jährige auch stellvertretender Bundesvorsitzender der
Freien Wähler.
Streit war vor seiner Tätigkeit als Landtagsabgeordneter von 1997 bis
2009 Bürgermeister von Bitburg, danach bis zu seinem Einzug in den
rheinland-pfälzischen Landtag Landrat des Eifelkreises Bitburg-Prüm.
Wichtig in den Angaben zu seinem persönlichen Lebenslauf ist Streit
auch, dass er Reserveoffizier mit dem Rang des Majors ist.
Der Jurist stammt gebürtig aus Trier, hat drei Kinder und lebt in
Bitburg. Im Europawahlkampf sind die wichtigsten Themen von Streit
die Sicherung der Außengrenzen und eine Steuerpolitik zur Steuerung
von Investitionen. Der Politiker der Freien Wähler tritt zudem gegen
eine Vergemeinschaftung von Schulden und ein kommunales Denken von
Europa ein. Auf der Europawahlliste seiner Partei rangiert der
58-Jährige auf Platz drei.
Gerhard Trabert (Linke):
Der parteilose Sozialmediziner wurde durch seine Kandidatur bei der
Bundespräsidentenwahl 2022 für die Linke bundesweit bekannt. Bei
seinem zentralen Thema der sozialen Ungerechtigkeit sieht er sich den
Linken am nächsten. Er betont aber auch, niemals in eine Partei
eintreten zu wollen. In seiner Heimatstadt Mainz ist der 67-Jährige
seit vielen Jahren mit dem Arztmobil unterwegs. Der vierfache Vater
und bald dreifache Großvater steht auch hinter dem in Mainz sitzenden
Verein «Armut und Gesundheit in Deutschland».
Trabert reist oft in Krisengebiete wie Syrien, engagiert sich stark
in der Flüchtlingshilfe. Aufgewachsen ist er in einem Mainzer
Waisenhaus, aber als Privilegierter, wie er selbst sagt, denn sein
Vater arbeitete dort als Erzieher. In den 1970er Jahren war Trabert
erfolgreicher Leichtathlet, startete für den USC Mainz, 1975 wurde er
etwa mit der 4x400m Staffel Vize-Junioren-Europameister und 1977
Dritter mit der 4x400m Staffel bei den Studentenweltmeisterschaften.
Irgendwann habe es für ihn aber nicht mehr zusammengepasst,
Leistungssport zu betreiben und Sozialarbeit zu studieren. Ob ihm der
Einzug ins Europaparlament gelingt, bleibt abzuwarten. Bei der Wahl
2019 holte die Linke deutschlandweit 5,5 Prozent und eroberte fünf
Sitze im Parlament - dann wäre Trabert als Nummer vier auf der
bundesweiten Liste der Partei drin.