Nach EU-Wahl: Günther sieht im Miteinander Lösung gegen AfD

10.06.2024 15:32

In ganz Deutschland verzeichnet die AfD bei der Europawahl deutliche
Zugewinne. In Norden kommt sie nur auf den vierten Platz. Für
Ministerpräsident Günther dennoch ein «bitteres Ergebnis».

Kiel (dpa/lno) - Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther
hat nach dem starken Abschneiden der AfD bei der Europawahl zu mehr
Lösungsorientierung aufgerufen. «Trotz der Freude über unser eigenes

Landesergebnis sind die Werte für die AfD, die in ihrem Wahlkampf
gegen Europa und gegen internationale Zusammenarbeit Stimmung gemacht
hat, ein bitteres Ergebnis», sagte er am Montag in Kiel. Das
Erfolgsrezept gegen die AfD könne für alle demokratischen Parteien
nur lauten: «lösungsorientiertes Arbeiten und mehr Miteinander als
Gegeneinander.» Die AfD war im Gegensatz zum Bundestrend im Norden
mit 12,2 Prozent der Stimmen bei der Europawahl auf dem vierten Platz
gelandet.

Dennoch konnte die Partei ihr Ergebnis im Vergleich zur EU-Wahl 2019
um 4,7 Prozentpunkte verbessern, wie aus dem vorläufigen
Landesergebnis hervorgeht. Die CDU war in Schleswig-Holstein mit 30,2
Prozent stärkste Kraft geworden. Bundesweit wurde die AfD mit 15,9
Prozent hinter der Union mit etwa 30 Prozent zweitstärkste Kraft. 

Die SPD-Landtagsfraktionsvorsitzende Serpil Midyatli sagte: «Es ist
den demokratischen Parteien anscheinend nicht gelungen, den Balken
bei der AfD kleiner zu machen.» Vor allem, dass sie bundesweit auf
Platz zwei liege, sei ein «bitteres Ergebnis für alle». Sie gehe
davon aus, dass es sich in den nächsten Monaten zeigen werde, was es
auf europäischer Ebene bedeute, wenn die Rechten an Stärke gewinnen. 


Die Sozialdemokraten konnten in Schleswig-Holstein bei der Europawahl
trotz eines historisch schlechten Ergebnisses mit 16,7 Prozent
zweitstärkste Kraft werden. Auf Platz drei folgten dann die
Nord-Grünen mit 15,4 Prozent der Stimmen. Damit verloren sie im
Vergleich zur Europawahl vor fünf Jahren 13,7 Punkte. 2019 waren sie
mit 29,1 Prozent erstmals stärkste Kraft geworden. Mit Niclas Herbst
(CDU), Delara Burkhardt (SPD) und Rasmus Andresen (Grüne) ziehen
insgesamt drei Bewerberinnen und Bewerber aus Schleswig-Holstein in
das Europaparlament.

«In einem sehr schwierigen politischen Umfeld haben wir für unsere
Demokratie und das Klima Kurs gehalten», betonte Andresen. Nun
appelliere seine Partei an alle proeuropäischen Parteien - allen
voran die CDU - ihre Mehrheiten mit den Grünen und nicht mit den
rechtsextremen Parteien zu suchen. «Nach dieser Europawahl dürfen
Demokratie und Klimaschutz nicht unter die Räder kommen», so
Andresen.

Die FDP holte im Norden 6,3 Prozent (2019: 5,9), die Partei Volt 2,5
und die Linke 2,3. BSW erhielt aus dem Stand 4,1 Prozent. Eine
Sperrklausel gibt es bei der Europawahl nicht. Die Wahlbeteiligung
war diesmal mit 64,4 Prozent deutlich höher als vor fünf Jahren, als
59,8 Prozent der Berechtigten ihre Stimme abgegeben hatten. 

Auch die SSW, die erneut nicht an der Europawahl teilgenommen hatte,
zeigte sich von dem Ergebnis der Wahl und dem Erstarken der rechten
Parteien bestürzt. Die Europäische Union sei «ein beängstigendes
Stück» nach rechts gerückt. Die europapolitische Sprecherin der
SSW-Landtagsfraktion, Jette Waldinger-Thiering betonte: «Das Ergebnis
der Europawahl in Deutschland zeigt, dass die Menschen verunsichert
sind und das Land gespalten ist.»

Gerade für Minderheiten sei das Resultat eine Hiobsbotschaft. «Von
rechtskonservativen Parteien ist nicht zu erwarten, dass
Minderheitenrechte in der EU gestärkt werden», betonte
Waldinger-Thiering. Auch der Wunsch nach einem Kommissar für
Minderheiten sei damit in weite Ferne gerückt. Der Südschleswigsche
Wählerverband ist die Partei der dänischen und friesischen
Minderheit.

In Schleswig-Holstein waren diesmal etwa 2,318 Millionen Bürgerinnen
und Bürger aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Erstmals konnten bei
der Europawahl auch 16- und 17-Jährige wählen. Ebenfalls etwa 107 400
Staatsangehörige aus anderen EU-Ländern waren im nördlichsten
Bundesland stimmberechtigt. Dabei standen die Listen von insgesamt 34
Parteien zur Wahl. Gewählt wurden 720 EU-Abgeordnete. Deutschland ist
derzeit mit 96 Frauen und Männern in dem Parlament vertreten, das
sowohl in Straßburg als auch in Brüssel tagt.