Rückenwind - aber für wen? Merz, Söder, Wüst und die K-Frage Von Christoph Trost, Michael Donhauser und Jörg Blank, dpa

10.06.2024 16:02

Da ist sie wieder, die K-Frage. Eigentlich will die Union diese nach
den Landtagswahlen im Osten klären. Und es gibt auch einen Favoriten.
Es gibt aber auch andere, die die Hoffnung nicht aufgeben.

München (dpa/lby) - Friedrich Merz und Markus Söder wussten beide,
dass diese Frage kommen würde nach der Europawahl: Was bedeutet der
Wahlausgang denn nun für die unionsinterne K-Frage? Rückenwind für
den CDU-Chef - oder den CSU-Vorsitzenden? 

Das Wahlergebnis sei eine Bestätigung «unseres Kurses, auch meines
Kurses, wie wir die CDU auch in die Zukunft führen», sagt Merz am
Montag nach Sitzungen der CDU-Spitzengremien in Berlin. Viele hätten
der Union noch vor einiger Zeit nicht zugetraut, wieder 30 Prozent in
einer bundesweiten Wahl zu erreichen. Das Wahlergebnis sei nun
Rückenwind - aber auch Ansporn, auf dem Weg weiterzugehen, um stabil
über 30 Prozent zu bleiben. Auf die Frage, ob er jetzt für sich
persönlich Rückenwind in der K-Frage spüre, geht er nicht ein.

Söder lobt starken CSU-Beitrag

Und Söder? Der lässt in München wissen, dass er keine Auswirkung des

Wahlergebnisses auf die Entscheidung über die Kanzlerkandidatur sehe.
«Wir haben einen starken Beitrag gebracht. Das freut uns auch sehr,
dass dieser Beitrag wichtig ist», sagt er über die CSU. Und die
K-Frage, die werde man, wenn es keine vorgezogenen Wahlen gebe, nach
den Ost-Landtagswahlen entscheiden - das werde man «gemeinsam
hervorragend machen».

Tatsächlich ist das Europawahlergebnis aus CSU-Sicht differenziert
und vielschichtig zu betrachten. Einerseits ist die Partei in Bayern
- natürlich - wieder klar die stärkste Kraft geworden, mit 2,7
Prozentpunkten mehr als bei der Landtagswahl 2023. Bundesweit
erreichten die Christsozialen stabile 6,3 Prozent. Andererseits: Mit
39,7 Prozent wurden die 40-Prozent-Marke und das
40,7-Prozent-Ergebnis von der Europawahl 2019 am Ende verfehlt. Und
auch mit dem siebten Abgeordneten für Brüssel und Straßburg hat es
entgegen aller Hoffnungen nicht geklappt. Ein glorreicher Wahlsieg
ist das somit nicht, aber - so jedenfalls die überwiegende Meinung in
der CSU - ein sehr ordentliches, stabiles Ergebnis.

Ein Ergebnis für den Parteifrieden

Intern können Söder und Weber damit leben: Ein allzu dickes Plus
hätte, mehr als es nun der Fall ist, Fragen aufgeworfen, warum die
Partei mit Weber als Spitzenkandidat die besseren Ergebnisse einfährt
als mit Söder. Es ist also so eine Art Parteifrieden-stiftendes
Ergebnis.

Freunde werden Söder und Weber dennoch nicht mehr. Persönlich sind
sie viel zu verschieden. Das räumt Söder sogar selbst öffentlich ein.

Und Welten sind es auch, die den Politikstil der beiden trennen.
Nicht einmal im Wahlkampf konnten sie ihre wechselseitige Abneigung
durchgängig verbergen. Ein Beispiel: Immer, wenn Weber wieder einmal
eine gute Team- und Mannschafts-Aufstellung der CSU einfordert,
schwingt der Vorwurf mit, dass der Parteivorsitzende genau dies
verhindert.

Söder betont am Montag aber, man setze weiter auf eine gute
Teamarbeit. Und fügt hinzu: «In einem Team ist nicht immer zwingend
notwendig, dass alle sich so lieben und mögen.»

Söders Fokus richtet sich ohnehin zunächst einmal auf Berlin: Er
fordert nach dem Debakel für die Ampel eine rasche Neuwahl des
Bundestags, wie in Frankreich. Das sei der letzte Dienst, den
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) den Deutschen erweisen solle,
argumentiert er.

Favorit Merz

Was eben die nächste Frage aufwirft, die de facto für viele schon
ziemlich beantwortet schien, wenn auch noch nicht offiziell und
endgültig: Wer der nächste Kanzlerkandidat der Union wird. Vereinbart
ist bekanntlich, dass dies nach den im September anstehenden
Ost-Landtagswahlen entschieden wird. Doch auch Söder selbst hat in
der Vergangenheit schon wiederholt und recht klar erklärt, dass er
die Favoritenrolle beim CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz sehe.
CDU-intern gilt Merz nach wie vor als weitgehend unangefochten. Oder
könnten herbe CDU-Pleiten bei den Landtagswahlen noch einmal für neue
Debatten sorgen?

Doch dann lässt Söder am Montag eben doch wieder ein, zwei Sätze
fallen, die bei manchem in der Union, auch in der CSU selbst,
Kopfschütteln auslösen. «Nein, das war keine Vorentscheidung», sagt

er über das Europawahlergebnis. Könne es ja nicht sein, denn erst
einmal müsse der Zeitpunkt der Bundestagswahl klar sein. Und dann
sagt Söder, freilich ohne Details zu nennen: «Außerdem scheint es ja

in der CDU jetzt wieder Diskussionen zu geben.» Man werde aber
natürlich «eine sehr gute, gemeinsame Lösung finden».

Wüst sieht «eher fünf als zehn» potenzielle Kandidaten

Diskussionen? Meint er den NRW-Ministerpräsidenten Hendrik Wüst, der
am Sonntag in der ARD sagte, die K-Frage sei offen, er sehe aktuell
«eher fünf als zehn» potenzielle Kanzlerkandidaten? Und der neben
Merz und Söder weiterhin selbst als Aspirant auf die
Unions-Kanzlerkandidatur gilt? Beim Eintreffen zu den CDU-Gremien am
Montagmorgen in Berlin betont Wüst jedenfalls ausdrücklich den
Beitrag seiner Landespartei zum Gesamtergebnis der Union. Er freue
sich, «dass wir in Nordrhein-Westfalen einen starken Beitrag leisten
konnten, kräftig zugelegt haben», sagt Wüst. Die NRW-CDU hat laut
vorläufigem Endergebnis um gut 3 Punkte auf 31,2 Prozent zugelegt,
also sogar stärker als im Bund, und ihren Spitzenplatz in
Nordrhein-Westfalen ausgebaut. 

Aus der CSU wird die Debatte am Köcheln gehalten

Klar ist: Aus der CSU heraus wird offenkundig versucht, die Debatte
am Köcheln zu halten. «Ich meine schon, dass man einfach auch nochmal
schauen muss: Wie erreicht man die Menschen in der Breite? Mit wem
hat man die Chance, das beste Ergebnis zu erzielen?», sagt
Landtagsfraktionschef Klaus Holetschek. Es seien ein paar Fragen
offen. Andere in der CSU-Spitze betonen dagegen, die Sache sei
eigentlich klar - wenn Merz wolle, woran es aber keine Zweifel gebe.
Der lässt am Montag ja auch keine aufkommen, ungeachtet seiner im
Vergleich zu Söder schwächeren Beliebtheitswerte, selbst beim eigenen
Anhang. So ganz aufgeben will man die Hoffnung in der CSU auch
deshalb nicht. Vor allem Söder offenbar nicht.