AfD-Chefin Weidel nach Europawahl: Wir wollen regieren

10.06.2024 16:29

Stärkste Kraft im Osten, bundesweit trotz China-, Russland- und
Remigrationsvorwürfe zugelegt - die AfD fühlt sich als großer
Wahlgewinner. Spitzenkandidat Krah wird aber strategisch erstmal
aussortiert.

Berlin (dpa) - Die AfD hat nach den starken Zugewinnen bei der
Europawahl vor allem im Osten des Landes ihren Anspruch
unterstrichen, regieren zu wollen. «Wenn Sie sich die Ergebnisse in
Sachsen anschauen, dann wissen Sie, wer den nächsten
Ministerpräsidenten stellt», sagte Co-Parteichefin Alice Weidel am
Montag in Berlin mit Blick auf die Landtagswahlen im September in
drei ostdeutschen Bundesländern. «Wir haben den Anspruch zu
regieren.» Sie forderte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf, den Weg
für eine Neuwahl im Bund freizumachen. 

Krah raus, Bystron dabei

In Berlin trafen sich am Tag nach der Wahl die 15 neu gewählten
AfD-Europaabgeordneten zur Bildung ihrer künftigen Delegation im
Europaparlament. Aus strategischen Gründen, um sich
Kooperationsmöglichkeiten mit rechten Parteien im neu gewählten
Europaparlament offenzuhalten, wurde dabei entschieden, dass der
umstrittene Spitzenkandidat Maximilian Krah nicht Teil der AfD-Gruppe
sein soll. Parteikollege Petr Bystron, gegen den Ermittlungen wegen
des Anfangsverdachts der Bestechlichkeit und Geldwäsche laufen, kam
mit einem blauen Auge davon: Er ist Teil der AfD-Gruppe. Angeführt
werden soll diese vom Thüringer AfD-Vizechef René Aust. 

Weidel lässt Korken knallen

«Wir haben gestern schon die Korken knallen lassen», sagte Weidel bei
der Wahlnachlese der AfD vor Journalisten in Berlin. «Die Leute
wollen, dass wir Regierungsverantwortung übernehmen.» In den
ostdeutschen Bundesländern war die AfD bei der Europawahl stärkste
Kraft geworden - trotz Negativschlagzeilen über sogenannte
Remigration und mögliche Russland-Verbindungen von Bystron und Krah
und Krahs umstrittenen SS-Aussagen. AfD-Chef Chrupalla sprach von
einer Manifestierung der Wahlunterstützung für die AfD im Osten. «Die

Leute rennen uns quasi die Bude ein», sagte er mit Blick auf
Info-Stände und Bürgerdialoge.

Weidel und Chrupalla fest im Sattel 

Nach dem Wahltag muss das Duo Weidel und Chrupalla beim anstehenden
Parteitag Ende Juni wohl keine Revolte befürchten. Zweifel an einer
Wiederwahl als Parteichefs wurden am Montag in Berlin nicht laut.
«Wir arbeiten beide vertrauensvoll zusammen, und das würden wir auch
die nächsten zwei Jahre (...) weiter fortführen», sagte Chrupalla.
Weidel sagte, sie sehe der Wahl beim nächsten Parteitag ziemlich
gelassen entgegen. 

Tiktok-König Krah wird Einzelkämpfer

Der Spitzenkandidat und AfD-Tiktok-König Maximilian Krah muss im
Europaparlament derweil zunächst als Einzelkämpfer weitermachen. 8
der anwesenden 15 künftigen EU-Parlamentarier stimmten dafür, ihn
nicht in die AfD-Delegation aufzunehmen, 4 dagegen, 3 enthielten
sich. Hintergrund: Die ID-Fraktion im Europaparlament, in der sich
verschiedene rechte Parteien zusammengeschlossen haben, hatte die AfD
kurz vor der Wahl ausgeschlossen. Der Grund waren umstrittene
Äußerungen Krahs zur nationalsozialistischen SS. 

Krah trat auch nach dem Ausschluss gewohnt selbstbewusst auf. Er
nannte den Schritt strategisch falsch. «Das ist heute eine
Momentaufnahme, jetzt warten Sie mal ab, wie das die ostdeutschen
Landesverbände beurteilen, warten Sie mal ab, wie das die Parteibasis
beurteilt.» Den Erfolg der AfD bei jungen Wählern nahm er für sich in

Anspruch.

Parteifreund Bystron weiter dabei - mit eidesstattlicher Versicherung

Die ebenso schlagzeilengeplagte Nummer zwei der AfD-Wahlliste, Petr
Bystron, dagegen darf Teil der neuen Delegation sein. Bystron habe
bei dem Treffen der neuen EU-Abgeordneten eine eidesstattliche
Versicherung abgegeben, dass er kein Geld angenommen habe und «die
Aussagen alle falsch sind», sagte Chrupalla. Das hätten einige, auch
Abgeordnete, von ihm gefordert, und das sei wichtig gewesen.

Die AfD hatte bei der Europawahl in Deutschland am Sonntag 15,9
Prozent geholt.