Bayerns Regierungsparteien nach Europawahl mit breiter Brust

10.06.2024 16:34

CSU und Freie Wähler gehen stabil aus der Europawahl hervor. Die
Chancen mögen unterschiedlich sein - beide wollen aber künftig auch
in Berlin mitregieren.

München (dpa) - Mit breiter Brust melden die bayerischen
Regierungsparteien CSU und Freie Wähler nach erfolgreich bestandener
Europawahl auch Ansprüche auf Bundesebene an. CSU-Chef Markus Söder
forderte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Montag zum Rücktritt auf.
Scholz müsse nun zu Neuwahlen aufrufen. Freie-Wähler-Parteichef
Hubert Aiwanger, mit seiner Partei bei der Europawahl bundesweit bei
2,7 Prozent gelandet, hält eine Regierungsbeteiligung auf Bundesebene
nach der nächsten Wahl für möglich. 

Die Ampel-Regierung habe keine Legitimation mehr in der Bevölkerung,
sagte Söder am Montag nach einer Sitzung seines Parteivorstandes in
München. Die Ergebnisse der Europawahl am Sonntag hätten gezeigt,
dass die Ampel-Regierung «einen totalen Absturz» und einen völligen
Vertrauensverlust erlitten hat. Söders CSU hat in Bayern 39,7 Prozent
der Stimmen erreicht und schnitt damit als klar stärkste Kraft im
Freistaat ab. AfD und Freie Wähler konnten in Bayern leicht zulegen,
vor allem in den ländlichen Regionen Ostbayerns waren beide stark.
Für die Ampelparteien verlief die Europawahl auch im Freistaat
desaströs. 

Die Europawahl, an der sich Bayern 65,5 Prozent der Wahlberechtigten
und damit deutlich mehr Menschen als 2019 beteiligt hatten, sei ein
klares Misstrauensvotum gegen den Bundeskanzler gewesen, sagte Söder.
«Olaf Scholz ist König Olaf ohne Land», betonte er. Die Konsequenz
müssten «Neuwahlen, Vertrauensfrage und am Ende Rücktritt» sein.
«Er
sollte es genauso machen wie entweder Macron oder wie damals Gerhard
Schröder, der nach der Wahl damals in Nordrhein-Westfalen im Jahr
2005 Neuwahlen ausgerufen hat, weil er die Legitimation gesucht hat.»

Aiwanger sagte in Berlin: «Wir sind eine Partei, die es durchaus
schaffen kann, der nächsten Bundesregierung anzugehören.» Dank ihres

im Vergleich zu 2019 leicht verbesserten Ergebnisses kann die Partei
zwar künftig einen dritten Abgeordneten nach Brüssel schicken. Direkt
nach der Wahl räumte Aiwanger aber ein, dass ein solches Ergebnis
nicht für das Ziel, den Einzug in den Bundestag, reiche. 

Im Bundestagswahlkampf werde die Partei allerdings auf mehr
Finanzmittel und bundesweit mehr Kandidaten setzen können, sagte
Aiwanger. «Da stellen wir auch das Modell Bayern nach vorne, wo wir
als einziges Bundesland eine Koalition haben der bürgerlichen Mitte
ohne rot und grün», kündigte der stellvertretende Ministerpräsident

des Freistaats an. 

Insgesamt wird die Bedeutung Bayerns im Europäischen Parlament
kleiner. Nach bisher 15 Abgeordneten aus dem Freistaat gehören dem
neuen Parlament nur noch elf Mitglieder aus Bayern unter den 96
deutschen Parlamentariern an - sechs von der CSU, zwei von der AfD
und jeweils einer von Freien Wählern, SPD und BSW. Die Grünen
schafften es nicht erneut, einen ihrer Kandidaten ins Parlament zu
bringen.

Noch am Wahlabend hatte der Chef der CSU-Landtagsfraktion, Klaus
Holetschek, die Frage einer Kanzlerkandidatur Söders neu angeheizt.
«Ich meine schon, dass man einfach auch nochmal schauen muss: Wie
erreicht man die Menschen in der Breite? Mit wem hat man die Chance,
das beste Ergebnis zu erzielen?», fragte Holetschek in der
«Augsburger Allgemeinen». Söder selbst sagte, es sei durch die
Europawahl keine Vorentscheidung gefallen. Auch er räumte ein, dass
es offene Fragen gebe, welche Antworten die Union auf drängende
Fragen habe, etwa die des Erstarkens der AfD im Osten und warum CDU
und CSU nicht stärker von den Problemen der Ampel profitieren
konnten.