CDU hinter den Grünen - «Die Volksparteien veschrumpeln»
10.06.2024 16:40
Berlin wählt etwas anders. Die Grünen liegen hier auf Platz eins, die
AfD landet nur auf Platz vier. Auffallend sind die deutlichen
Unterschiede im Wahlverhalten innerhalb der Stadt.
Berlin (dpa/bb) - Berlin ist bei der Europawahl seinem Ruf gerecht
geworden, politisch etwas anders zu ticken als der Rest der Republik.
Dabei zeigt das Abstimmungsverhalten allerdings auch deutliche
Unterschiede innerhalb der Hauptstadt. Auffallend ist, dass in der
Hauptstadt die Grünen mit 19,6 Prozent der Stimmen auf Platz eins
landeten. Die Partei verlor im Vergleich zum Ergebnis von 2019
allerdings deutlich. Damals erreichte sie noch 27,8 Prozent. Die CDU,
bundesweit mit Abstand klarer Sieger der Europawahl, musste sich in
Berlin mit 17,6 Prozent und dem zweiten Platz zufriedengeben.
Die Christdemokraten, die seit gut einem Jahr den schwarz-roten Senat
anführen, schnitten damit zwar etwas besser ab als bei der Europawahl
vor fünf Jahren, lagen aber weit hinter ihrem Ergebnis bei der Wahl
zum Landesparlament 2023, bei dem sie auf 28 Prozent kamen. Die AfD
dagegen, die in den ostdeutschen Bundesländern und auch im
Nachbarland Brandenburg am Sonntag stärkste Kraft wurde, schaffte
solche Zuwächse in Berlin nicht. Sie landete mit 11,6 Prozent der
Stimmen auf Platz vier.
«Die Volksparteien verschrumpeln»
Landeswahlleiter Stephan Bröchler sieht die Unterschiede zwischen
ehemals großen und kleinen Parteien immer mehr schwinden. «Die
Volksparteien verschrumpeln, verzwergen», sagte er am Montag. Auch
durch die Zersplitterung in viele kleine Parteien zeigten sich
Veränderungen, etwa wenn Volt (4,8 Prozent) in Berlin mehr Stimmen
erhalte als die FDP (4,3 Prozent).
Die Wahlbeteiligung sei in den Bezirken erneut sehr unterschiedlich
gewesen, in Steglitz-Zehlendorf als sehr bürgerlichem Bezirk lag sie
bei 69,8 Prozent, in Marzahn-Hellersdorf und Spandau am Stadtrand bei
54,6 und 54,7 Prozent.
Auffällig sei die Aufteilung Berlins in einen westlichen Teil mit
Mehrheiten für die CDU, einen mittleren Teil der Innenstadt plus
Pankow und Neukölln mit den vorne liegenden Grünen und die östlichen
Bezirke mit der AfD an erster Stelle. In Marzahn-Hellersdorf
erreichte die Partei 25,3 Prozent der Stimmen.
BSW im Osten stark
Auch das Bündnis Sahra Wagenknecht sei im Osten Berlins am stärksten
gewesen, sagte Bröchler. In Marzahn-Hellersdorf kam das BSW auf 17,1
Prozent. Insgesamt schnitten die Grünen in der Hälfte der zwölf
Berliner Bezirke am besten ab. In je drei Bezirken lagen die CDU und
die AfD vorn.
Die SPD in Berlin ist dagegen insgesamt auf Platz drei gelandet und
im Vergleich zu den zurückliegenden Wahlergebnissen noch ein Stück
abgerutscht: Sie erreichte 13,2 Prozent und damit ihr schlechtestes
Ergebnis bei einer Europawahl in der Hauptstadt überhaupt. Die Linke
verlor deutlich und kam auf 7,3 Prozent, das BSW, das erstmals in
Berlin bei einer Wahl angetreten ist, auf berlinweit 8,7 Prozent.
Bundesweit haben die Parteien der Ampel-Regierung alle verloren.
Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) forderte die
Bundesregierung entsprechend zu einem Kurswechsel auf. Der Ausgang
der Wahl sei ein deutliches Zeichen an die Ampel-Regierung, ihre
Politik endlich zu ändern und auf die Sorgen der Menschen zu
reagieren, sagte er am Montag. «Der Dauerstreit in der
Bundesregierung richtet großen Schaden an, immer mehr Menschen wenden
sich den extremen Parteien zu. Die Wahlergebnisse für die AfD müssen
wir alle sehr ernst nehmen.» Deutschland brauche dringend einen
Neustart in der Migrationspolitik, in der Wirtschaftspolitik und in
der Sicherheitspolitik.
14 Abgeordnete aus Berlin kommen ins Europaparlament
Ins neue EU-Parlament ziehen 14 Abgeordnete aus Berlin ein, das ist
einer mehr als bisher. Darunter sind nach Angaben der
Landeswahlleitung vier Abgeordnete von den Grünen und jeweils zwei
von SPD, Linke und dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Je einen
Abgeordneten stellen CDU, AfD, Volt und Die Partei des Satirikers
Martin Sonneborn. Neun der Politiker saßen bisher schon im
Europaparlament, fünf wurden neu hineingewählt.
Eine Fünf-Prozent-Hürde wie bei Wahlen auf Bundes- und Landesebene
gab es am Sonntag nicht. In Berlin standen 34 Parteien auf dem
Stimmzettel. Einzig die CDU trat mit einer Landesliste an, Berliner
Spitzenkandidatin war Hildegard Bentele. Die übrigen Politiker mit
Wohnsitz Berlin zogen über die Bundeslisten ihrer jeweiligen Parteien
in das Europaparlament ein.