EU-Kommission droht hohe Strafzölle auf E-Autos aus China an Von den dpa-Auto-Korrespondenten
12.06.2024 12:05
Der Kampf um Absatzmärkte für E-Autos eskaliert weiter. Nach den USA
könnte jetzt auch die EU Strafzölle auf chinesische E-Autos
einführen. Darunter leiden könnten besonders deutsche Firmen.
Brüssel (dpa) - Die EU-Kommission droht mit hohen vorläufigen
Strafzöllen auf E-Autos aus China. Das teilte die Behörde am Mittwoch
mit. Ob die Zölle von bis zu 38,1 Prozent tatsächlich gezahlt müssen,
hängt den Angaben zufolge davon ab, ob mit China eine andere Lösung
gefunden werden kann. Sie würden dann rückwirkend vom 4. Juli an
einbehalten werden, sollte sich die EU darauf verständigen
langfristig höhere Zölle zu erheben.
Die EU-Kommission untersucht seit dem vergangenen Herbst, ob E-Autos
in China von wettbewerbsverzerrenden Subventionen profitieren.
Kommissionsangaben zufolge sind chinesische Elektroautos
normalerweise rund 20 Prozent günstiger als in der EU hergestellte
Modelle. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte bei
Bekanntgabe der Untersuchung: «Der Preis dieser Autos wird durch
riesige staatliche Subventionen künstlich gedrückt - das verzerrt
unseren Markt.»
Die Kommission sei nun vorläufig zu dem Schluss gekommen, dass die
Wertschöpfungskette für batteriebetriebene Elektrofahrzeuge (BEV) in
China von einer unfairen Subventionierung profitiert. Herstellen in
der EU drohten dadurch Schäden. Deswegen droht die Kommission nun mit
Zöllen zwischen 20 und knapp 40 Prozent.
Chinas Außenministerium kritisierte die Untersuchung als
Protektionismus. Die EU suche eine Ausrede, um Zölle gegen
importierte Autos aus China zu erheben, was gegen internationale
Handelsregeln verstoße, sagte Sprecher Lin Jian in Peking. Zuletzt
werde das den eigenen Interessen Europas schaden. Am Vortag hatte Lin
bereits angekündigt, dass China nicht tatenlos zu sehen und seine
Interessen schützen werde.
Maßnahmen gegen deutsche Autobauer könnten folgen
China ist der größte Automarkt der Welt und deshalb für die deutschen
Autobauer extrem wichtig - Gegenmaßnahmen würden deutsche Autobauer
treffen. BMW etwa exportiert den 4er und den 7er aus der EU nach
China. Über Volumina macht das Münchener Unternehmen keine Angaben.
Auch Porsche wäre betroffen, wenn China mit Gegenmaßnahmen reagiert.
Das riesige Land ist einer der wichtigsten Märkte für Porsche und
wird komplett aus Europa bedient. Audi exportiert ebenfalls
zahlreiche Fahrzeuge nach China. «Für das Jahr 2024 rechnen wir ca.
mit 60.000 Einheiten», teilte der Konzern mit.
Bei Mercedes entfielen im vergangenen Jahr rund 30 Prozent des
Absatzes auf China. Die Wolfsburger Kernmarke VW verkaufte dort 2023
sogar fast 50 Prozent ihrer Autos, bedient den Markt aber fast
ausschließlich aus lokaler Fertigung. Nach Berechnung der
Unternehmensberatung JSC Automotive Consulting, die regelmäßig die
Zulassungszahlen in China auswertet, waren bei der Marke VW 2023 nur
0,6 Prozent der dort verkauften Fahrzeuge Importmodelle. Audi kam auf
9 Prozent, BMW auf 13 und die Mercedes-Benz Group auf 20 Prozent. Bei
Porsche lag die Quote mangels Fertigung vor Ort bei 100 Prozent.
Im «Reich der Mitte» tobt schon länger ein erbitterter Preiskampf
unter den E-Automarken. Deutsche Marken wollen es mit Konkurrenten
wie dem US-Autobauer Tesla und chinesischen Marken wie BYD oder Nio
aufnehmen. BMW, Mercedes, VW und andere Firmen könnten das erste Ziel
möglicher chinesischer Gegenmaßnahmen sein. Noch am 22. Mai hatte die
chinesische Handelskammer in Brüssel vor dieser Möglichkeit gewarnt.
Man sei von «Insidern» darüber informiert worden, dass China erwäge
,
Zölle in Höhe von 25 Prozent auf importierte Fahrzeuge mit großen
Motoren zu verhängen, hieß es in einer Mitteilung der Kammer auf X.
BMW, VW und Co. bauen auch in China für den Export
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte sich in der Vergangenheit
im Gegensatz zu deutschen Stimmen grundsätzlich positiv zu
Strafmaßnahmen gegen Chinas E-Autos geäußert. Anfang Mai sagte er
etwa in einem Interview mit «The Economist», es könne nicht sein,
dass europäische Produzenten durch europäische Beihilferegeln und
unterschiedliche Zölle im Vergleich zu chinesischen Firmen
benachteiligt würden. Autoexperten wie Ferdinand Dudenhöffer sehen in
Macrons Haltung den Versuch, französische Autobauer wie Renault und
Peugeot zu schützen. Zudem haben französische Automarken in China
kaum Marktanteile und mach dort anders als die Deutschen kaum
Geschäft.
Deutsche Firmen könnten derweil nicht nur von Gegenmaßnahmen
betroffen sein, sondern auch von den EU-Maßnahmen selbst - denn sie
produzieren auch in China für den Export. Mini etwa baut den im Mai
auf dem Weltmarkt eingeführten Elektro-Cooper zusammen mit dem
chinesischen Autohersteller Great Wall in China. Im VW-Konzern könnte
nur der neue Cupra Tavascan, der im Herbst auf Markt kommen soll,
betroffen sein. Es ist das erste und einzige Modell im Konzern, das
in China gebaut und nach Europa exportiert wird. BMW importiert den
iX3 aus China in die EU. Mercedes baut die Smart-Fahrzeuge zusammen
mit seinem Großaktionär Geely vollständig im chinesischen Xi'an und
exportiert sie auch nach Europa.
USA hatten mit Sonderzöllen vorgelegt
Der Schritt der EU folgt auf ähnliche Maßnahmen aus den USA. Die
US-Amerikaner hatten Mitte April Sonderzölle gegen
Elektroauto-Importe, Halbleiter, Solarzellen, Kräne und andere
Produkte aus China verhängt. Die Vereinigten Staaten werfen Peking
ebenfalls vor, den Wettbewerb durch erhebliche staatliche
Subventionen zu verzerren. Chinesische Billig-Produkte würden gezielt
in die USA und nach Europa gelenkt. Peking bestreitet das und
argumentiert, die Branchen seien durch Innovation getrieben und China
würde damit zum Kampf gegen den Klimawandel beitragen.
2023 exportierte China laut staatlichen Medien 1,2 Millionen Autos -
fast 78 Prozent mehr im Jahresvergleich. In Deutschland stieg nach
Daten des Kraftfahrtbundesamtes 2023 die Zahl der neu zugelassenen
Fahrzeuge mit Herkunftsland China im Vergleich zum Vorjahr um 47,6
Prozent. Zahlenmäßig lagen chinesische Autos mit 33 699 Stück jedoch
weit hinter der Konkurrenz aus anderen Ländern. Chinas E-Auto-Gigant
BYD erweitert derzeit aber seine Transportrouten nach Europa und baut
in Ungarn eine Fabrik, was auch ein Tor zum EU-Markt wäre ohne den
langwierigen Transfer über das Meer.
Peking mit Anti-Dumping-Untersuchung gegen importierte Chemikalien
Grundsätzlich befürchten viele Wirtschaftsvertreter, dass sich
gegenseitige Strafzölle zu einem Handelskrieg ausweiten könnten. Das
Handelsministerium in Peking hatte jüngst etwa eine
Anti-Dumping-Untersuchung eingeleitet gegen Chemikalien aus der EU,
den USA, Japan und Taiwan. Werden Produkte durch hohe Zölle künstlich
verteuert, lohnt sich der Handel oft nicht mehr. Dadurch leiden aber
nicht nur die von den Zöllen direkt betroffenen Unternehmen. Auch auf
beispielsweise Zulieferer und Logistikunternehmen kann sich eine
solche Situation negativ auswirken.