Einigung auf Spitzenebene: Von der Leyen soll zweite Amtszeit bekommen Von Ansgar Haase, dpa

25.06.2024 14:46

Nach rund zwei Wochen Machtpoker haben sich Spitzenvertreter der
großen europäischen Parteienfamilien auf ein neues EU-Personalpaket
geeinigt. Ursula von der Leyen kann aufatmen - zumindest vorerst.

Brüssel (dpa) - Kurz vor einem entscheidenden EU-Gipfel haben sich
Staats- und Regierungschefs der großen europäischen Parteienfamilien
darauf verständigt, die CDU-Politikerin Ursula von der Leyen für eine
zweite Amtszeit als Präsidentin der EU-Kommission zu nominieren. Das
erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Dienstag aus
Verhandlungskreisen.

Die Einigung sieht zudem vor, dass die liberale estnische
Regierungschefin Kaja Kallas den Posten der EU-Außenbeauftragten
bekommt. Zum Präsidenten des Gremiums der Staats- und Regierungschefs
soll für zunächst zweieinhalb Jahre der frühere portugiesische
Regierungschef António Costa gewählt werden. In dieser Position wäre

der Sozialdemokrat dann dafür zuständig, die EU-Gipfel vorzubereiten
und die Arbeitssitzungen zu leiten.

Wenn Costa den Job gut macht, soll er nach gängiger Praxis auch noch
eine zweite Amtszeit bekommen können. Der Kommissionsvorsitz und der
Posten des EU-Außenbeauftragten werden für eine EU-Legislaturperiode,
also für etwa fünf Jahre, vergeben. Aus von der Leyens
Parteienfamilie EVP hieß es am Nachmittag, bei den Verhandlungen
hätten auch inhaltliche Fragen eine Rolle gespielt. So sei vereinbart
worden, den Kampf gegen illegale Migration weiter zu stärken.

Kanzler Scholz im Verhandlungsteam

Grundlage der Einigung, die noch beim EU-Gipfel am Donnerstag und
Freitag formalisiert werden muss, ist das Ergebnis der Europawahl vor
etwas mehr als zwei Wochen. Bei ihr erzielte das Mitte-Rechts-Bündnis
EVP mit der CDU-Politikerin Ursula von der Leyen als
Spitzenkandidatin das mit Abstand beste Ergebnis. Auf Platz zwei
landete die europäische Parteienfamilie der Sozialdemokraten (S&D)
und auf Platz drei die der Liberalen (Renew).

Für die EVP verhandelten federführend der polnische Ministerpräsident

Donald Tusk und der griechische Regierungschef Kyriakos Mitsotakis,
für die Sozialdemokraten Bundeskanzler Olaf Scholz und der spanische
Ministerpräsident Pedro Sánchez. Die Liberalen setzen auf Frankreichs
Präsidenten Emmanuel Macron und den scheidenden niederländischen
Ministerpräsidenten Mark Rutte als Verhandlungsführer.

Von der Leyen soll am Tisch der Mächtigen bleiben

Die Präsidentschaft der EU-Kommission gilt als die mit Abstand
wichtigste Position, die nach der Europawahl neu zu besetzen ist. Dem
Amtsinhaber beziehungsweise der Amtsinhaberin sind rund 32 000
Mitarbeiter unterstellt, die unter anderem Vorschläge für neue
EU-Gesetze machen und die Wahrung der Europäischen Verträge
überwachen. Zudem sitzt die Kommissionspräsidentin bei fast allen
großen internationalen Gipfeltreffen wie G7 oder G20 als
EU-Repräsentantin mit am Tisch.

Das US-Magazin «Forbes» kürte von der Leyen deswegen erst jüngst
wieder zur «mächtigsten Frau der Welt». Die frühere Bundesministeri
n
für Verteidigung (2013-2019), Arbeit und Soziales (2009-2013) sowie
für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2005-2009) war nach der
Europawahl 2019 ins Amt gekommen, nachdem sich die Staats- und
Regierungschefs damals nicht auf den damaligen EVP-Spitzenkandidaten
Manfred Weber (CSU) einigen konnten.

Europaparlament bleibt als Hürde

Nach der zu erwartenden Nominierung von der Leyen beim EU-Gipfel muss
sie noch von einer Mehrheit im Europäischen Parlament gewählt werden.
Dafür wird die Deutsche in den kommenden Wochen bei Abgeordneten für
Unterstützung werben müssen. Die Abstimmung wird frühestens in der
dritten Juli-Woche angesetzt und gilt als höchste Hürde auf dem Weg
zu einer zweiten Amtszeit. Grund ist, dass in geheimer Abstimmung
gewählt wird und von der Leyen im Parlament vergleichsweise viele
Kritiker hat. So bekam sie bei ihrer Wahl 2019 nur neun Stimmen mehr
als notwendig.

Von der Leyen hatte bereits direkt nach der Europawahl angekündigt,
eine Fortsetzung der bisherigen informellen Zusammenarbeit mit
Sozialdemokraten und Liberalen anstreben zu wollen. Dieses
Dreier-Bündnis hätte im Parlament eine komfortable Mehrheit von etwa
400 der 720 Stimmen.