EU startet Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine

25.06.2024 17:18

Die EU beginnt erstmals mit einem Land im Krieg
Beitrittsverhandlungen. Wird die Staatengemeinschaft schon bald
wieder 28 oder sogar noch mehr Mitglieder haben?

Luxemburg (dpa) - Die Europäische Union hat die
Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine eröffnet. Vertreter des von
Russland angegriffenen Landes und der EU kamen dazu am Dienstag in
Luxemburg zu einer ersten sogenannten Regierungskonferenz zusammen.

«Dies ist ein historischer Moment für uns alle und ein Meilenstein in
unserer Beziehung», sagte die belgische Außenministerin Hadja Lahbib
im Namen der EU zum Auftakt der Gespräche. Der Erweiterungsprozess
sei eine geopolitische Investition in Frieden, Sicherheit, Stabilität
und Wohlstand.

Wie lange die Beitrittsverhandlungen dauern werden und ob sie
überhaupt zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht werden können,
ist offen. Die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei wurden
beispielsweise bereits 2005 gestartet - sie liegen allerdings heute
nach fortdauernden Rückschritten des Landes in den Bereichen
Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte vollständig auf Eis.

Großer Tag für die Ukraine

Für die Menschen in der Ukraine gilt die Eröffnung von
EU-Beitrittsverhandlungen dennoch als wichtiges Zeichen dafür, dass
es sich lohnt, den Abwehrkampf gegen Russland weiter fortzusetzen.
«Dies ist ein historischer Tag, ein historischer Moment für die
Ukraine und Europa», sagte der ukrainische Ministerpräsident Denys
Schmyhal am Dienstag. Für die Ukraine sei die Europäische Union viel
mehr als nur ein physischer Raum. «Sie steht für Werte und Hoffnung.»

Der Ukraine sei völlig klar, dass auf dem Weg zu einem Beitritt noch
viel Arbeit vor dem Land liege. «Wir sind dazu bereit», versicherte
er.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte bereits am Montag
von einem «historischen Ereignis» gesprochen. «Das ist der Tag, auf
den die Ukraine seit Jahrzehnten zustrebt. Und nun wird es
Wirklichkeit. Die Ukraine wird niemals vom Pfad zu einem vereinten
Europa abzubringen sein, zu unserem gemeinsamen Zuhause für alle
europäischen Nationen», sagte er in einer in Kiew verbreiteten
Videobotschaft.

Die belgische Außenministerin Lahbib erinnerte am Dienstag daran,
dass weitere Fortschritte im Beitrittsprozess an die Erfüllung von
Bedingungen geknüpft sind und theoretisch auch wieder rückgängig
gemacht werden können. «Die EU erwartet von der Ukraine, dass sie
weiterhin Verantwortung übernimmt und die Glaubwürdigkeit ihrer
Zusagen und ihres politischen Willens durch die Umsetzung notwendiger
Reformen (...) zeigt», sagte sie.

EU mahnt weitere Reformen an

Als konkretes Beispiel nannte sie Reformen in den Bereichen
Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte, die Stärkung der demokratischen
Institutionen und eine Reform der öffentlichen Verwaltung. Besonderes
Augenmerk sollte demnach auf die Justizreform, den Kampf gegen
Korruption sowie den Schutz und die diskriminierungsfreie Behandlung
von nationalen Minderheiten gelegt werden. Letzterer Punkt ist vor
allem für das EU-Land Ungarn wichtig, das eine ungarische Minderheit
in der Ukraine als benachteiligt ansieht und immer wieder mit einer
Blockade des Beitrittsprozesses gedroht hat.

Auf der Tagesordnung der ersten Regierungskonferenz am Dienstag stand
eine Vorstellung der Leitlinien und Grundsätze für die Verhandlungen
durch die EU. Erste inhaltliche Gespräche dürften nach Angaben von
Diplomaten im Verlauf der nächsten zwölf Monate beginnen. Bis dahin
muss die EU-Kommission noch in einem sogenannten Screening prüfen,
inwieweit das nationale Recht der Beitrittskandidaten noch vom
EU-Recht abweicht.

Verhandlungen auch mit Moldau

Nach der Ukraine sollte am Abend auch noch deren kleines Nachbarland
Moldau den Beginn von EU-Beitrittsverhandlungen feiern können. Beide
Länder hatten zuletzt im Beitrittsprozess gleichzeitig wichtige
Hürden genommen. 

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betonte am Dienstag,
dass die Eröffnung der Verhandlungen eine sehr gute Nachricht für die
Menschen in der Ukraine, in Moldau und in der gesamten Europäischen
Union sei. «Der vor uns liegende Weg wird anspruchsvoll, aber auch
voller Chancen sein», schrieb sie auf der Plattform X.