Schwesig bei Selenskyj: Unterstützung für EU-Beitritt

25.06.2024 16:22

Von Klitschko bis Selenskyj: Bundesratspräsidentin Schwesig wird in
Kiew von allen empfangen, die Rang und Namen haben. Außerhalb der
Hauptstadt sieht sie sich an, was der Krieg angerichtet hat.

Kiew/Tschernihiw (dpa) - Bundesratspräsidentin Manuela Schwesig hat
sich bei einem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr
Selenskyj in Kiew für weitere militärische und wirtschaftliche
Unterstützung des Landes und die Aufnahme in die Europäische Union
stark gemacht. Die Ministerpräsidentin Mecklenburg-Vorpommerns traf
Selenskyj am Dienstag in Kiew unmittelbar vor dem offiziellen Beginn
der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine und Moldau in
Luxemburg. «Das ist ein wichtiger Tag für die Ukraine, aber auch für

die Europäische Union. Wir Bundesländer unterstützen diesen
Beitritt», sagte Schwesig anschließend. 

Patriot-System soll in Kürze geliefert werden

Selenskyj bedankte sich nach ihren Angaben in dem Gespräch
ausdrücklich für die Hilfe Deutschlands, das auch militärisch der
zweitwichtigste Unterstützer der Ukraine nach den USA ist. Schwesig
betonte, dass nun vor allem die Abwehr von Luftangriffen weiter
gestärkt werden müsse. Ein derzeit in Mecklenburg-Vorpommern zu
Ausbildungszwecken stationiertes Patriot-System soll in Kürze
geliefert werden. «Es ist jetzt wichtig, dass es in die Ukraine
kommt, um die Bevölkerung weiter vor russischen Angriffen zu
schützen.» 

Für den Herbst kündigte die Ministerpräsidentin eine
deutsch-ukrainische Wirtschaftskonferenz in Mecklenburg-Vorpommern
an. Dabei soll es vor allem um die Zusammenarbeit mit der an Russland
und Belarus grenzenden Partnerregion Tschernihiw nördlich von Kiew
gehen. 

Russen sperrten 350 Menschen in 200 Quadratmeter großen Keller ein 

Schwesig machte sich nach ihrem Aufenthalt in der Hauptstadt ein Bild
davon, was der russische Angriffskrieg in den vergangenen gut zwei
Jahren angerichtet hat. Sie besuchte das Dorf Jahidne, wo die
russischen Invasoren 2022 über 350 Dorfbewohner im Keller der
örtlichen Schule auf knapp 200 Quadratmetern für fast einen Monat
einsperrten. Aufgrund der schlechten hygienischen Bedingungen,
Wasser- und Nahrungsmangels starben zehn von ihnen. 

Die Hauptstadt der Region, die ebenfalls Tschernihiw heißt, war eines
der ersten Ziele des russischen Einmarsches im Februar 2022. Auch
seit dem russischen Rückzug Ende März 2022 wird sie immer wieder mit
Drohnen und Raketen angegriffen. Dort führte Schwesig politische
Gespräche über weitere Hilfsleistungen.

Aufbau von Schutzräumen und Ausbildung von Psychotherapeuten

Mecklenburg-Vorpommern hatte im Januar als erstes ostdeutsches
Flächenland eine Partnerschaft mit einer ukrainischen Region
vereinbart und zunächst 250 000 Euro für Schutzräume in vier Schulen

in Tschernihiw zur Verfügung gestellt. Weitere 100 000 Euro pro Jahr
sollen in weitere Projekte fließen - unter anderem in die Ausbildung
von Psychotherapeuten an zwei Krankenhäusern der Region. Eins davon,
eine Kinderklinik, sah sich Schwesig während ihres Besuchs an. Sie
betonte, dass die Partnerschaft mit der Region nicht auf die Zeit des
Krieges beschränkt, sondern langfristig angelegt sei. 

Schwesig ist seit dem 1. November 2023 für ein Jahr Präsidentin des
Bundesrats und hat damit das vierthöchste Staatsamt nach dem
Bundespräsidenten, der Bundestagspräsidentin und dem Bundeskanzler
inne. Sie ist die erste Chefin der Länderkammer, die die Ukraine
besucht. Bereits am Montag war sie mit Premierminister Denys
Schmyhal, Parlamentspräsident Rusland Stefantschuk und Kiews
Bürgermeister Vitali Klitschko zusammengekommen. 

Frühere Verbindungen zu Russland kein Thema bei Gesprächen

Wegen ihrer engen Zusammenarbeit mit Russland auch nach der Annexion
der ukrainischen Krim 2014 und wegen ihres Engagements für die
Gaspipeline Nord Stream 2 hatte Schwesig lange Zeit einen schweren
Stand in der Ukraine. Kurz nach der russischen Invasion 2022 hatte
sie eine Kehrtwende vollzogen und ihr damaliges Agieren als Fehler
bezeichnet. Bei ihren Gesprächen in der Ukraine war das alles nach
Angaben aus ihrer Delegation kein Thema mehr.