EU startet Beitrittsverhandlungen mit Ukraine und Moldau

25.06.2024 18:33

Die EU beginnt erstmals mit einem Land im Krieg
Beitrittsverhandlungen. Wird die Staatengemeinschaft schon bald
wieder 28 oder sogar noch mehr Mitglieder haben?

Luxemburg (dpa) - Die Europäische Union hat Beitrittsverhandlungen
mit der Ukraine und Moldau eröffnet. Vertreter der von Russland
angegriffenen Ukraine und des kleinen Nachbarlandes Moldau kamen dazu
am Dienstag in Luxemburg zu ersten sogenannten Regierungskonferenzen
zusammen.

«Dies ist ein historischer Moment für uns alle und ein Meilenstein in
unserer Beziehung», sagte die belgische Außenministerin Hadja Lahbib
im Namen der EU zum Auftakt der Gespräche. Der Erweiterungsprozess
sei eine geopolitische Investition in Frieden, Sicherheit, Stabilität
und Wohlstand.

Wie lange die Beitrittsverhandlungen dauern werden und ob sie
überhaupt zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht werden können,
ist offen. Die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei wurden
beispielsweise bereits 2005 gestartet - sie liegen allerdings heute
nach fortdauernden Rückschritten des Landes in den Bereichen
Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte vollständig auf Eis.

Bei der Ukraine gilt es derzeit auch als ausgeschlossen, dass sie vor
dem Ende des russischen Angriffskriegs EU-Mitglied wird. Denn dann
könnte Kiew nach Artikel 42, Absatz 7 des EU-Vertrags militärischen
Beistand einfordern - und die EU wäre Kriegspartei.

Großer Tag für die Ukraine

In der Ukraine wurde die Eröffnung der Verhandlungen dennoch groß
gefeiert. «Heute ist der Tag, auf den wir alle lange und hart
hingearbeitet haben - die gesamte Mannschaft der Ukraine», sagte
Präsident Wolodymyr Selenskyj in einer vor seinem Amtssitz in Kiew
aufgezeichneten Videobotschaft. Das Land habe nun die definitive
Gewissheit, ein vollwertiges Mitglied der EU zu werden. Dabei
erinnerte der Staatschef auch an die Unterzeichnung des
Beitrittsgesuchs am fünften Tag der russischen Invasion Ende Februar
2022. Mit Selenskyj waren Regierungschef Denys Schmyhal und
Parlamentspräsident Ruslan Stefantschuk auf dem Video zu sehen.

«Viele haben gesagt, das ist nicht mehr als ein Traum», sagte
Selenskyj. Nach «Tausenden von Treffen und Telefonaten» habe Kiew
jedoch die Bedingungen für die Aufnahme der Gespräche dank der
Entschlossenheit des ukrainischen Volkes erfüllt.

Parlamentspräsident Stefantschuk zeigte sich überzeugt, dass die
Ukraine den Beitrittsprozess in Rekordzeit absolvieren werde. «Wir
haben alle notwendigen Gesetze verabschiedet und werden das auch
weiter tun, damit die Ukraine nie wieder vom europäischen Haus gelöst
wird», unterstrich er. Ministerpräsident Schmyhal sagte zum
angestrebten EU-Beitritt: «Wir werden dieses Ziel - wie auch alle
anderen unsere Ziele - definitiv erreichen.»

EU mahnt weitere Reformen an

Die belgische Außenministerin Lahbib erinnerte unterdessen daran,
dass weitere Fortschritte im Beitrittsprozess an die Erfüllung von
Bedingungen geknüpft sind und theoretisch auch wieder rückgängig
gemacht werden können. «Die EU erwartet von der Ukraine, dass sie
weiterhin Verantwortung übernimmt und die Glaubwürdigkeit ihrer
Zusagen und ihres politischen Willens durch die Umsetzung notwendiger
Reformen (...) zeigt», sagte sie.

Als konkretes Beispiel nannte sie Reformen in den Bereichen
Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte, die Stärkung der demokratischen
Institutionen und eine Reform der öffentlichen Verwaltung. Besonderes
Augenmerk sollte demnach auf die Justizreform, den Kampf gegen
Korruption sowie den Schutz und die diskriminierungsfreie Behandlung
von nationalen Minderheiten gelegt werden. Letzterer Punkt ist vor
allem für das EU-Land Ungarn wichtig, das eine ungarische Minderheit
in der Ukraine als benachteiligt ansieht und immer wieder mit einer
Blockade des Beitrittsprozesses gedroht hat.

Auf der Tagesordnung der ersten Regierungskonferenzen am Dienstag
stand vor allem eine Vorstellung der Leitlinien und Grundsätze für
die Verhandlungen durch die EU. Erste inhaltliche Gespräche dürften
nach Angaben von Diplomaten im Verlauf der nächsten zwölf Monate
beginnen. Bis dahin muss die EU-Kommission noch in einem sogenannten
Screening prüfen, inwieweit das nationale Recht der
Beitrittskandidaten noch vom EU-Recht abweicht.

Von der Leyen: Weg ist anspruchsvoll, aber voller Chancen

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betonte am Dienstag,
dass die Eröffnung der Verhandlungen eine sehr gute Nachricht für die
Menschen in der Ukraine, in Moldau und in der gesamten Europäischen
Union sei. «Der vor uns liegende Weg wird anspruchsvoll, aber auch
voller Chancen sein», schrieb sie auf der Plattform X.