EU-Schuldenregeln: Deutschland muss perspektivisch weniger ausgeben

26.06.2024 14:58

Mit den EU-Schuldenregeln soll finanzielle Stabilität in Europa
gesichert werden. Wer sie bricht, riskiert ein Strafverfahren.
Deutschland muss wohl den Gürtel enger schnallen, heißt es aus
Brüssel.

Berlin (dpa) - Deutschland muss nach Vorgaben der EU-Kommission in
den nächsten Jahren weniger ausgeben als bislang geplant, um die
europäischen Schuldenregeln einzuhalten. Für das nächste Jahr seien
die Vorgaben aus Brüssel zwar etwas großzügiger als die Finanzplanung

der Bundesregierung, sagte Finanz-Staatssekretär Florian Toncar am
Mittwoch. Im Jahr 2026 müsse aber deutlich konsolidiert werden, und
zwar von Bund, Ländern und Kommunen gemeinsam. Das gehe aus einer
Mitteilung der Kommission an Berlin von vergangener Woche hervor, den
sogenannten Referenzpfaden.

Vergleichsbasis sind die mittelfristige Finanzplanung der
Bundesregierung sowie das sogenannte Stabilitätsprogramm, das über
vier Jahre die wichtigsten finanzpolitischen Maßnahmen für die
Haushaltsplanung beschreibt.

Um für solide Finanzen zu sorgen, muss jedes Mitgliedsland der
Europäischen Union gemeinsam mit der für die Aufsicht zuständigen
EU-Kommission einen vierjährigen Haushaltsplan aufstellen. Unter
bestimmten Bedingungen, etwa wenn ein Land sich zu
wachstumsfördernden Reformen und Investitionen verpflichtet, kann der
Plan ausgeweitet werden. Auch kann die EU-Kommission übergangsweise
bei der Berechnung der Anpassungsanstrengungen etwa den Anstieg der
Zinszahlungen berücksichtigen.

Auf Grundlage der Referenzpfade erarbeitet Deutschland nun einen
Finanzplan und reicht ihn bei der EU-Kommission ein, genau wie alle
anderen Mitgliedsstaaten. «Das wird mutmaßlich bis September
geschehen», so Toncar. Daraufhin könne es noch einmal zu Änderungen
des Ausgabenpfades kommen, den die Kommission vorgibt. Die
Haushaltspläne müssen zudem noch vom Ministerrat verabschiedet
werden.

Die EU-Schuldenregeln, auch Stabilitäts- und Wachstumspakt genannt,
schreiben vor, dass der Schuldenstand eines Mitgliedstaates 60
Prozent der Wirtschaftsleistung nicht überschreiten darf.
Gleichzeitig muss das gesamtstaatliche Finanzierungsdefizit unter
drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gehalten werden. Wer die
Obergrenzen übertritt, riskiert ein Strafverfahren. Vergangene Woche
hatte die EU-Kommission ein sogenanntes Defizitverfahren gegen sieben
Mitgliedsländer eingeleitet, darunter Frankreich und Italien.
Deutschland droht momentan kein Ärger aus Brüssel.

An dem Regelwerk gibt es auch immer wieder Kritik. Während der
Finanzkrise in den 2000er Jahren verstießen rund 20 Staaten dagegen.
Theoretisch sind bei anhaltenden Verstößen auch Strafen in
Milliardenhöhe möglich. In der Praxis wurden diese aber noch nie
verhängt. Kritiker der Vorgaben betonen zudem, dass die Regeln
nötigen Investitionen, beispielsweise in Klimaschutz, die Luft
abschnürten.

Der Sozialverband Deutschland kritisierte: Deutschland drohe nur dann
ein Sparzwang, wenn «das eigentliche Problem», zu geringe Einnahmen,
nicht geregelt werde. Finanzminister Christian Lindner erwecke den
Anschein, der Sozialetat würde die Zukunft unseres Landes gefährden,
daher müsse man im sozialen Bereich sparen, sagte die
Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier. «Doch der Sozialstaat ist
entscheidend für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und das
solidarische Grundgerüst, von dem alle profitieren.» Der Verband
fordere eine angemessene Besteuerung von Reichtum.