Top-Jobs und ein Ehrengast: Scholz & Co beraten bei Gipfel in Brüssel

27.06.2024 06:56

Der letzte reguläre EU-Gipfel vor der Sommerpause soll eine formelle
Entscheidung zur Neubesetzung von Spitzenposten bringen. Für Ursula
von der Leyen ist es allerdings nur ein Zwischenschritt.

Brüssel (dpa) - EU-Kommissionspräsidentin, EU-Chefdiplomat und
EU-Ratspräsident: Bei einem Gipfel in Brüssel soll an diesem
Donnerstag und Freitag eine formelle Entscheidung zur Neubesetzung
von EU-Spitzenposten nach der Europawahl getroffen werden. Als nahezu
sicher gilt, dass die deutsche CDU-Politikerin Ursula von der Leyen
dabei für eine zweite Amtszeit als Präsidentin der Kommission
nominiert wird.

Eine informelle Einigung von Staats- und Regierungschefs der großen
europäischen Parteienfamilien vor dem Gipfel sieht zudem vor, dass
die liberale estnische Regierungschefin Kaja Kallas den Posten der
EU-Außenbeauftragten bekommt und der sozialdemokratische frühere
portugiesische Regierungschef António Costa zum EU-Ratspräsidenten
gewählt wird. In dieser Position wäre Costa dann dafür zuständig, d
ie
EU-Gipfel vorzubereiten und die Arbeitssitzungen zu leiten.

Selenskyj wird zu Gipfel erwartet

Am Rande des Spitzentreffens ist zudem vorgesehen, eine Vereinbarung
über die Sicherheitszusammenarbeit zwischen der Ukraine und der EU zu
unterzeichnen. Dazu wird auch der ukrainische Präsident Wolodymyr
Selenskyj in Brüssel erwartet. Neben dem Personalpaket soll beim
Gipfel eine sogenannte strategische Agenda für die Jahre bis 2029
angenommen werden. Mit ihr werden für die nächsten fünf Jahre die
Ausrichtung und die Ziele der EU festgelegt. Zudem stehen Beratungen
zur Lage im Nahen Osten sowie zur Wettbewerbsfähigkeit und
Verteidigungsindustrie der EU auf der Agenda.

Grundlage der informellen Einigung auf das Personalpaket ist das
Ergebnis der Europawahl vor etwas mehr als zwei Wochen. Bei ihr
erzielte das Mitte-Rechts-Bündnis EVP mit der CDU-Politikerin Ursula
von der Leyen als Spitzenkandidatin das mit Abstand beste Ergebnis.
Sie will nun mit der zweitplatzierten Parteienfamilie der
Sozialdemokraten (S&D) und den Liberalen (Renew) eine informelle
Koalition bilden will. Für die EVP - zu der auch CDU und CSU gehören
- verhandelten federführend der polnische Ministerpräsident Donald
Tusk und der griechische Regierungschef Kyriakos Mitsotakis, für die
Sozialdemokraten Bundeskanzler Olaf Scholz und der spanische
Ministerpräsident Pedro Sánchez. Die Liberalen setzen auf Frankreichs
Präsidenten Emmanuel Macron und den scheidenden niederländischen
Ministerpräsidenten Mark Rutte als Verhandlungsführer.

Nun muss das Personalpaket auch formell beim Gipfel beschlossen
werden. Dafür braucht es die Zustimmung von 20 EU-Staaten, die
gleichzeitig mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung vertreten.
Italiens rechte Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hatte sich zuletzt
erbost darüber gezeigt, dass sie trotz des guten Ergebnisses ihrer
Partei Fratelli d'Italia (Brüder Italiens) bei der Europawahl nicht
direkt an den Gesprächen über das Personalpaket beteiligt wurde. Ihre
Zustimmung wird aller Voraussicht nach aber auch nicht benötigt.

Parlament kann von der Leyen noch verhindern

Das EU-Parlament kann den Staats- und Regierungschefs aber
theoretisch noch einen Strich durch die Rechnung machen. Eine
Mehrheit des Parlaments muss die Besetzung der Kommission bestätigen.
Das informelle Bündnis aus EVP, Sozialdemokraten und Liberalen hat
theoretisch eine komfortable Mehrheit von etwa 400 der 720 Stimmen.
Es wird aber damit gerechnet, dass eine gewisse Zahl von Abgeordneten
in der geheimen Wahl von der Fraktionslinie abweichen und von der
Leyen nicht ihre Stimme geben werden. Deswegen wird davon
ausgegangen, dass sich von der Leyen auch noch um Stimmen von
Abgeordneten anderer Parteien bemühen wird, insbesondere um die der
Grünen. Vertreterinnen und Vertreter der Grünen hatten jüngst immer
wieder Gesprächsbereitschaft signalisiert.

Ukraine bekommt Sicherheitszusagen 

Das Sicherheitsabkommen, das die EU mit der Ukraine unterzeichnen
will, geht auf eine Initiative der Mitglieder der G7-Gruppe
westlicher Wirtschaftsmächte zurück. Sie hatten am Rande des
Nato-Gipfels im litauischen Vilnius im vergangenen Jahr vereinbart,
dass einzelne Staaten mit der Ukraine bilaterale Vereinbarungen
abschließen sollten, um deren Sicherheit langfristig zu
gewährleisten. Länder wie Großbritannien, Deutschland und Frankreich

machten im Januar und Februar den Anfang. Zuletzt folgten unter
anderem die USA.

Mit den Abkommen werden der Ukraine unter anderem Waffenlieferungen,
Finanzhilfen und politische Kooperation zugesichert. Sie sollen
helfen, die Zeit bis zum angestrebten Nato-Beitritt des Landes zu
überbrücken. Deutschland hat der Ukraine beispielsweise zugesagt,
seine militärische Unterstützung fortzusetzen und auszubauen - unter
anderem durch weitere Waffenlieferungen und die Ausbildung
ukrainischer Soldatinnen und Soldaten.

Zuletzt war Selenskyj Ende Mai in Brüssel, um ein Sicherheitsabkommen
zwischen seinem Land und Belgien zu unterzeichnen. Mit ihm wird der
Ukraine unter anderem die Lieferung von 30 Kampfjets vom Typ F-16
zugesagt.