Krisenmechanismus und Waffenhilfe: EU macht Ukraine Sicherheitszusagen Von Ansgar Haase, dpa

27.06.2024 18:18

Nach großen Staaten wie den USA, Großbritannien und Deutschland macht
nun auch die EU der Ukraine langfristige Sicherheitszusagen. Dabei
geht es auch um einen neuen Krisenmechanismus.

Brüssel (dpa) - Die EU hat mit der von Russland angegriffenen Ukraine
eine Vereinbarung zur Sicherheitskooperation und langfristigen
Unterstützung getroffen. Das Dokument wurde am Donnerstag am Rande
des EU-Gipfels in Brüssel vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr
Selenskyj sowie von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und
EU-Ratspräsident Charles Michel unterzeichnet.

Bundeskanzler Olaf Scholz nannte die Sicherheitszusagen «ein Zeichen
der Solidarität in schwieriger Zeit». Selenskyj bedankte sich dafür,

warb aber zugleich für noch mehr Einsatz der EU-Länder für eine
schnelle Lieferung von Waffen und Munition. Es gehe darum, Russlands
Illusion zu zerstören, dass es mit dem Krieg gegen die Ukraine
irgendetwas erreichen könne, sagte er. «Europa hat gezeigt, dass es
effizient sein kann», kommentierte er auf der Plattform X. Zugleich
dankte er dem «historischen belgischen EU-Vorsitz» und wünschte
Ungarn als nächstem EU-Ratsvorsitz Effektivität.

Teil der jetzt vereinbarten Sicherheitszusagen ist beispielsweise ein
neuer Krisenmechanismus. Sollte Russland etwa bei der aktuellen
Invasion Atomwaffen einsetzen oder nach dem Ende des derzeitigen
Krieges erneut angreifen, soll es auf Ersuchen einer der beiden
Seiten innerhalb von 24 Stunden Konsultationen geben. Gemeinsam würde
dann über mögliche Unterstützung zum Beispiel durch Waffenlieferungen

beraten. Einen direkten militärischen Beistand sagt die EU in der
Vereinbarung nicht zu.

Rüstungskooperation soll ausgebaut werden

Neben dem Krisenmechanismus ist etwa eine engere Zusammenarbeit
zwischen der Rüstungsindustrie der Ukraine und der EU sowie im Kampf
gegen Cyberangriffe und Desinformationen vorgesehen. Einseitig sagt
die EU zu, die Anstrengungen für weitere Finanzhilfen,
Waffenlieferungen und die Ausbildung ukrainischer Soldatinnen und
Soldaten fortzusetzen. 

So will sich die Staatengemeinschaft beispielsweise auch an einer
G7-Initiative für ein kurzfristiges 50-Milliarden-Dollar-Paket (47
Mrd. Euro) für die Ukraine beteiligen. Sie würde ein bereits
beschlossenes Finanzhilfen-Paket im Umfang von 50 Milliarden Euro
sowie den ebenfalls mit vielen Milliarden Euro ausgestatteten
Finanzierungsmechanismus für Waffenlieferungen an die Ukraine
ergänzen. 

Scholz sagte am Donnerstag dazu, die 50 Milliarden Dollar sollten
«schnell und zügig» zur Verfügung gestellt werden. 

So lange und so intensiv wie nötig

Allgemein heißt es in der Vereinbarung: «Die Europäische Union ist
entschlossen, der Ukraine und ihrer Bevölkerung weiterhin so lange
und so intensiv wie nötig die erforderliche politische, finanzielle,
wirtschaftliche, humanitäre, militärische und diplomatische
Unterstützung zu leisten.»

EU-Ratspräsident Michel sagte nach der Unterzeichnungszeremonie zu
Selenskyj: «Wir sind sehr beeindruckt von Ihrer Führung und vom Mut
des ukrainischen Volkes. Wir wissen, dass Sie für Ihre Freiheit
kämpfen, für Ihr Land, für Ihre Zukunft, für Ihre Kinder, aber Sie

kämpfen auch für unsere gemeinsamen Werte und Prinzipien.» Besonders

lobte er dabei auch die Reformanstrengungen der Ukraine, die dazu
geführt haben, dass am vergangenen Dienstag EU-Beitrittsverhandlungen
mit der Ukraine eröffnet werden konnten. 

Das Abkommen mit den Sicherheitszusagen geht auf eine Initiative der
Mitglieder der G7-Gruppe westlicher Wirtschaftsmächte zurück. Sie
hatten am Rande des Nato-Gipfels im litauischen Vilnius im
vergangenen Jahr vereinbart, dass einzelne Staaten mit der Ukraine
bilaterale Vereinbarungen abschließen sollten, um deren Sicherheit
langfristig zu gewährleisten. Die EU schließt sich nun an. Den Anfang
hatten bereits im Januar und Februar Länder wie Großbritannien,
Deutschland und Frankreich gemacht. Zuletzt folgten unter anderem die
USA.

Vereinbarung ist nicht verbindlich

Als politische Absichtserklärung ist die EU-Vereinbarung nicht
rechtsverbindlich. Das Gleiche gilt aber zum Beispiel auch für die
deutsche Vereinbarung mit der Ukraine.

Zuletzt war Selenskyj Ende Mai in Brüssel, um ein Sicherheitsabkommen
zwischen seinem Land und Belgien zu unterzeichnen. Mit ihr wird der
Ukraine unter anderem die Lieferung von 30 Kampfjets vom Typ F-16
zugesagt.

Thema beim Gipfel waren auch Entscheidungen zur Neubesetzung von
EU-Spitzenposten nach der Europawahl. Die Abstimmung dazu wurde aber
erst am späten Abend erwartet. Als nahezu sicher galt, dass die
deutsche CDU-Politikerin Ursula von der Leyen dabei für eine zweite
Amtszeit als Präsidentin der EU-Kommission nominiert wird.

Eine informelle Einigung von Staats- und Regierungschefs der großen
europäischen Parteienfamilien vor dem Gipfel sah zudem vor, dass die
liberale estnische Regierungschefin Kaja Kallas den Posten der
EU-Außenbeauftragten bekommt und der sozialdemokratische frühere
portugiesische Regierungschef António Costa zum EU-Ratspräsidenten
gewählt wird. In dieser Position wäre Costa dann dafür zuständig, d
ie
EU-Gipfel vorzubereiten und die Arbeitssitzungen zu leiten.