EU-Staats- und Regierungschefs wollen Personalfragen endgültig klären

27.06.2024 18:39

In einem zweiten Anlauf wollen Scholz und Co in Brüssel die Besetzung
wichtiger EU-Spitzenjobs auf den Weg bringen. Können sie sich diesmal
einigen?

Brüssel (dpa) - Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen
Union haben sich in Brüssel getroffen, um die Nominierung der
künftigen EU-Spitzenjobs zu beschließen. Bundeskanzler Olaf Scholz
kündigte davor eine faire Debatte an. Zwar gebe es bereits eine
politische Verständigung von Konservativen, Sozialdemokraten und
Liberalen. Das sei aber «nur eine Position» sagte der SPD-Politiker.
«Wir werden das hier sorgfältig, fair miteinander diskutieren.»

Dank einer Einigung der großen europäischen Parteienfamilien Mitte
der Woche gilt es bereits als nahezu sicher, dass
EVP-Spitzenkandidatin Ursula von der Leyen bei dem EU-Gipfel am
Donnerstag und Freitag grünes Licht für eine zweite Amtszeit erhalten
wird. 

Dies gilt als einer der wichtigsten Posten in der EU: Die
EU-Exekutive schlägt Gesetze vor und wacht über die Einhaltung des
gemeinsamen Rechts. 

Außerdem sollen auch der EU-Außenbeauftragte sowie der
EU-Ratspräsident nominiert werden. Die liberale Estin Kaja Kallas ist
für den Posten der EU-Außenbeauftragten vorgesehen, der frühere
portugiesische Regierungschef António Costa als EU-Ratspräsident.

Keine Einigung bei vorherigem informellem Gipfel

Grundlage der informellen Einigung auf dieses Personalpaket ist das
Ergebnis der Europawahl vor etwas mehr als zwei Wochen. Das
Mitte-Rechts-Bündnis EVP mit von der Leyen als Spitzenkandidatin
erzielte das mit Abstand beste Ergebnis. Sie will nun mit der
zweitplatzierten Parteienfamilie, den Sozialdemokraten (S&D), und den
Liberalen (Renew) eine informelle Koalition bilden.

Ursprünglich wollten sich die EU-Staats- und Regierungschefs bereits
bei einem informellen Gipfel vor rund zehn Tagen endgültig auf das
Personalpaket verständigen. Doch die Rechnung ging nicht auf. Unter
anderem zeigte sich die italienische Ministerpräsidentin Giorgia
Meloni erbost darüber, dass sie trotz des guten Ergebnisses ihrer
Partei Fratelli d'Italia (Brüder Italiens) bei der Europawahl nicht
direkt an den Gesprächen über das Personalpaket beteiligt wurde.

Gegenwind aus Ungarn

Am Rande des Gipfels erklärten etliche Regierungschefs, dass es nicht
darum gehe, Meloni ausgrenzen zu wollen. Der polnische Regierungschef
Donald Tusk sagte etwa: «Es gibt kein Europa ohne Italien, und es
gibt keine Entscheidung ohne Ministerpräsidentin Meloni. Das ist für
mich ganz klar.»

Eine deutliche Gegenstimme kam erwartbar aus Budapest. Ungarns
Regierungschef Viktor Orban bekräftigte am Donnerstag in Brüssel, das
geplante Personalpaket für die Besetzung der EU-Spitzenposten nicht
unterstützen zu wollen. Die Koalition der drei großen europäischen
Parteienfamilien schaue weder auf die schlechte Performance der
vergangenen fünf Jahre noch auf das Programm für die kommende
Legislaturperiode, sagte er. «Es geht nur um Machtteilung», so Orban.

Für die Entscheidung über die Besetzung der Spitzenposten im Gremium
der Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten ist keine
Einstimmigkeit notwendig. Es müssen mindestens 20 EU-Staaten
zustimmen, die gleichzeitig mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung
vertreten. 

Das EU-Parlament kann den Staats- und Regierungschefs aber
theoretisch noch einen Strich durch die Rechnung machen: Eine
Mehrheit des Parlaments muss die Besetzung der Kommission bestätigen.

Unterstützung für die Ukraine

Außerdem unterzeichneten die bisherige EU-Kommissionschefin von der
Leyen und EU-Ratspräsident Charles Michel sowie der ukrainische
Präsident Wolodymyr Selenskyj eine Vereinbarung zur
Sicherheitskooperation und langfristigen Unterstützung der Ukraine.

Teil der Sicherheitszusagen ist etwa ein neuer Krisenmechanismus.
Sollte Russland bei der aktuellen Invasion Atomwaffen einsetzen oder
nach dem Ende des derzeitigen Krieges erneut angreifen, soll es auf
Ersuchen einer der beiden Seiten innerhalb von 24 Stunden
Konsultationen geben.

Neben der Verteilung der Spitzenposten geht es auf dem EU-Gipfel am
Donnerstag und Freitag auch um die Strategische Agenda. Dabei sollen
die Weichen für die nächsten fünf Jahre gestellt werden.