Von der Leyen für zweite Amtszeit als EU-Kommissionschefin nominiert

27.06.2024 23:33

Ursula von der Leyen hat knapp drei Wochen nach der Europawahl eine
weitere Hürde auf dem Weg zu einer zweiten Amtszeit als
EU-Kommissionspräsidentin genommen. Nun folgt noch die vermutlich
höchste.

Brüssel (dpa) - Der Europäische Rat hat die CDU-Politikerin Ursula
von der Leyen für eine zweite Amtszeit als Präsidentin der
EU-Kommission nominiert. Das Gremium der Staats- und Regierungschefs
der 27 EU-Staaten beschloss zudem, dass der frühere portugiesische
Regierungschef António Costa nächster Präsident des Europäischen
Rates wird und die estnische Regierungschefin Kaja Kallas zur neuen
EU-Außenbeauftragten ernannt werden soll. Das teilten mehrere
Delegationen am Donnerstag in Brüssel am Rande eines EU-Gipfels mit. 

Dank einer Einigung der großen europäischen Parteienfamilien Mitte
der Woche war es schon vor Gipfelbeginn so gut wie sicher gewesen,
dass die Spitzenposten an von der Leyen, den Sozialdemokraten Costa
und die Liberale Kallas vergeben werden.

Die Präsidentschaft der EU-Kommission gilt als die mit Abstand
wichtigste Position, die nach der Europawahl neu zu besetzen ist. Dem
Amtsinhaber beziehungsweise der Amtsinhaberin sind rund 32 000
Mitarbeiter unterstellt, die unter anderem Vorschläge für neue
EU-Gesetze machen und die Wahrung der Europäischen Verträge
überwachen. Zudem sitzt die Kommissionspräsidentin bei fast allen
großen internationalen Gipfeltreffen wie G7 oder G20 als
EU-Repräsentantin mit am Tisch.

Europawahl-Ergebnis war Verhandlungsbasis

Grundlage des Personalpakets ist das Ergebnis der Europawahl vor
knapp drei Wochen. Bei ihr erzielte das Mitte-Rechts-Bündnis EVP mit
der CDU-Politikerin Ursula von der Leyen als Spitzenkandidatin das
mit Abstand beste Ergebnis. Sie will nun im Parlament mit der
zweitplatzierten Parteienfamilie der Sozialdemokraten (S&D) und den
Liberalen (Renew) eine informelle Koalition bilden. 

Für die EVP - zu der auch CDU und CSU gehören - verhandelten
federführend der polnische Ministerpräsident Donald Tusk und der
griechische Regierungschef Kyriakos Mitsotakis, für die
Sozialdemokraten Bundeskanzler Olaf Scholz und der spanische
Ministerpräsident Pedro Sánchez. Die Liberalen setzten auf
Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron und den scheidenden
niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte als
Verhandlungsführer.

Italiens Regierungschefin erbost über Prozess

Erbost über den Prozess zeigte sich unter anderem die italienische
Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Sie kritisierte, dass sie trotz
des guten Ergebnisses ihrer Partei Fratelli d'Italia (Brüder
Italiens) bei der Europawahl nicht direkt an den Gesprächen über das
Personalpaket beteiligt wurde. Auch Ungarns Regierungschef Viktor
Orban wetterte gegen das Verfahren.

Die Zustimmung der beiden wurde aber auch nicht benötigt, da keine
Einstimmigkeit erforderlich war. Es mussten lediglich mindestens 20
EU-Staaten zustimmen, die gleichzeitig mindestens 65 Prozent der
EU-Bevölkerung vertreten.

Beim Gipfel am Donnerstag versuchten mehrere Regierungschefs, die
Wogen zu glätten und erklären, dass es nicht darum gegangen sei,
jemanden auszugrenzen. Der polnische Regierungschef Donald Tusk sagte
etwa: «Es gibt kein Europa ohne Italien, und es gibt keine
Entscheidung ohne Ministerpräsidentin Meloni. Das ist für mich ganz
klar.»

Von der Leyen braucht noch Mehrheit im Parlament

Damit Ursula von der Leyen eine zweite Amtszeit antreten kann, muss
sie nun noch eine Mehrheit des Parlaments hinter sich bringen. Das
informelle Bündnis aus EVP, Sozialdemokraten und Liberalen hat
theoretisch eine komfortable Mehrheit von etwa 400 der 720 Stimmen.
Es wird aber für möglich gehalten, dass eine gewisse Zahl von
Abgeordneten in der geheimen Wahl von der Fraktionslinie abweicht und
der Deutschen nicht ihre Stimme gibt.

Deswegen bemüht sich von der Leyen derzeit auch noch um Stimmen von
Abgeordneten anderer Parteien, insbesondere um die der Grünen.
Vertreterinnen und Vertreter der Partei hatten jüngst immer wieder
Gesprächsbereitschaft signalisiert.

Die Abstimmung im Parlament in Straßburg könnte nach Angaben von
Parlamentspräsidentin Roberta Metsola bereits in der dritten
Juli-Woche organisiert werden.