Rechtsaußen im EU-Parlament: AfD bildet eigene Fraktion Von Jörg Ratzsch, dpa
10.07.2024 18:44
Die AfD versammelt im EU-Parlament eine kleine Truppe Parteien um
sich und bildet rechts neben dem bereits entstandenen großen
Rechtsblock eine weitere Fraktion. Es geht dabei auch ums Geld.
Berlin/Brüssel (dpa) - Die Tür zum Club der Schwergewichte der
europäischen Rechten blieb der AfD nach der Europawahl versperrt -
nun hat sie sich im neuen Europaparlament eine eigene Truppe
zusammengestellt, ganz rechts außen mit wenigen Mitgliedern vorrangig
aus osteuropäischen Ländern. In der Diskussion über dieses Bündnis
waren in den vergangenen Wochen auch schon die Begriffe
«Hooligan-Truppe» oder «rechtsextreme Resterampe» gefallen. 25
Abgeordnete sollen es nun zunächst sein, 14 davon stellt die AfD, 11
kommen aus Polen, Tschechien, der Slowakei, Ungarn, Bulgarien,
Litauen und Frankreich. Wie kam es dazu, und wo sieht sich diese neue
Fraktion?
Große Rechtsparteien verschiedener Länder hatten bereits vorgelegt
und sich kürzlich zu einem neuen Bündnis namens «Patrioten für
Europa» im neu gewählten EU-Parlament zusammengeschlossen. Mit dabei
sind unter anderem die Fidesz-Partei von Ungarns Ministerpräsident
Viktor Orban, das rechtsnationale Rassemblement National aus
Frankreich, die an Italiens Regierung beteiligte nationalistische
Lega, die FPÖ aus Österreich und die ANO aus Tschechien.
Chrupalla: Selfie mit Orban
Zwar steht die AfD dieser neuen Gruppe inhaltlich sehr nah.
AfD-Co-Chef Tino Chrupalla hatte beim Eröffnungsspiel der Fußball-EM
in München stolz ein Selfie mit Orban aus dem Stadion bei Instagram
gepostet. Und der neu ins EU-Parlament gewählte AfD-Politiker Marc
Jongen klang begeistert: «Wenn es nach mir ginge, dann würden wir
dieser Fraktion auch sehr gerne beitreten.» Chrupallas Co-Chefin
Alice Weidel sagte ebenfalls, man sei in Freundschaft verbunden und
habe «unglaubliche inhaltliche Schnittmengen». Trotzdem bleibt die
AfD außen vor. Die Parteien des Bündnisses unterlägen
außenpolitischen und außenwirtschaftlichen Zwängen, auf die man
momentan Rücksicht nehmen müsse, antwortete die AfD-Chefin zuletzt
etwas rätselhaft auf die Frage, ob ihre Partei in der Fraktion nicht
gewollt sei.
Vorgeschichte und Fall Krah
In der AfD wird die These vertreten, Orban als ungarischer
Regierungschef könnte von der deutschen Regierung unter Druck gesetzt
werden, nicht mit der AfD zusammenzuarbeiten. Es gibt aber auch eine
Vorgeschichte: Vor der Europawahl hatten europäische Rechtsparteien
wie der französische Rassemblement National von Marine Le Pen die AfD
aus ihrer Fraktion im EU-Parlament ausgeschlossen. Die Deutschen - so
die Botschaft - sind der Partei, die in Frankreich nach ganz oben
strebt, zu extrem. Auslöser war ein Interview von AfD-Spitzenkandidat
Maximilian Krah, der in einer italienischen Zeitung als relativierend
wahrgenommene Äußerungen zur nationalsozialistischen SS gemacht
hatte. Um wieder anschlussfähig zu sein, hatten die EU-Abgeordneten
der AfD nach der Wahl am 10. Juni zwar beschlossen, Krah aus ihrer
Delegation auszuschließen, aber auch das brachte keine Annäherung an
Le Pen und ihre Verbündeten.
Krah freut sich über neue Fraktion - darf aber nicht mitmachen
Krah hatte das vorhergesagt und für mehr Eigenständigkeit der AfD
plädiert. Diese solle sich nicht von einer ausländischen Partei
vorschreiben lassen, mit wem sie antrete. Nun freut sich der
Geschasste öffentlich darüber, dass sich die AfD stattdessen mit
Parteien verbündet, die am äußersten rechten Rand stehen. Bei «Welt
»
sagte er, damit werde ein von ihm seit Jahren vorbereitetes Projekt
umgesetzt. «Diese Fraktion ist ein wichtiger Baustein für die
dringend notwendige Transformation der heutigen EU in ein
zukunftsfähiges Europa.» Krah allerdings darf auch hier nicht
mitspielen. Die AfD-Delegation entschied sich, die Fraktionsbildung
ohne ihn anzugehen. «Die Bedeutung dieses Projektes ist viel größer
als meine eigene Rolle; ich bin deshalb zufrieden und ohne jeden
Groll», sagte Krah.
Bündnis soll «Europa Souveräner Nationen» heißen
Mit wem tut sich die AfD da unter dem gemeinsamen Namen «Europa
Souveräner Nationen» zusammen? Es sind kleine Parteien, die extrem
nationalistische, Euro- und Nato-skeptische, EU-feindliche, teils
prorussische und im Fall der polnischen Konfederacja sogar
antisemitische Positionen vertreten. Für die Konfederacja ist auch
Grzegorz Braun im EU-Parlament, der im vergangenen Dezember weltweit
bekannt wurde, als er einen jüdischen Leuchter im Foyer des
polnischen Parlaments mit dem Feuerlöscher löschte. Trotz der Aktion
wurde er nicht aus der Partei ausgeschlossen. Braun wird nach einem
Bericht der «Welt» aber nicht Teil der Fraktion. Die AfD hatte es
demnach zur Bedingung gemacht, mit ihm und auch mit dem Abgeordneten
Milan Mazurek der slowakischen Republika nicht zusammenzuarbeiten.
Es geht (auch) ums Geld
Weidel hatte kürzlich bei ntv gesagt, man verhandele nicht mit
Extremisten und prüfe sehr genau, mit wem man in eine Fraktion gehen
könne. «Bevor wir hier mit Obskuranten zusammengehen, werden wir dann
doch sehr selbstbewusst auch alleine bleiben und über die nächsten
Jahre dann sondieren, sollte eine vernünftige Fraktion nicht zustande
kommen.» Doch der Druck war groß, denn ohne Fraktion ist der
politische Einfluss einer Partei im Parlament kleiner, und es gibt
weniger Geld - ein Faktor der nach Angaben eines langjährigen
AfD-Insiders, der nicht genannt werden möchte, entscheidend gewesen
sein dürfte. Denn Fraktionen bekommen mehr Mittel etwa für
Mitarbeiter, Büroräume und Veranstaltungen. Sie haben außerdem mehr
Redezeit in Debatten und sind beteiligt an der Festlegung der
Tagesordnung des Parlaments.
Bystron spricht von Erfolg
Der vom Bundestag ins EU-Parlament wechselnde AfD-Abgeordnete Petr
Bystron, gegen den vor der Europawahl nach Berichten über mögliche
Russlandverbindungen Ermittlungen wegen des Verdachts der
Bestechlichkeit und Geldwäsche aufgenommen wurden, sprach von einem
«Erfolg für die AfD». Die Europawahl habe das Gleichgewicht im
Europaparlament verschoben, sagte er der dpa. «Es gibt jetzt vier
rechts-konservative Fraktionen. Das ist ein Rechtsruck in Europa und
das Ende der linken Mehrheiten.» Der ebenfalls neu ins EU-Parlament
eingezogene AfD-Abgeordnete Tomasz Froelich zeigte sich auf Nachfrage
«sehr zufrieden». «Das Framing wird der Fraktion nicht gerecht. Mein
Eindruck ist, dass das eine weltanschaulich gefestigte Fraktion mit
vielen gemeinsamen Nennern ist.»