Orbans Reise zu Putin: Von der Leyen ordnet Boykott an

15.07.2024 22:37

Kaum hat Ungarn den EU-Ratsvorsitz inne, geht Regierungschef Orban
auf Reisen - unter anderem zu Putin, Xi und Trump. «Friedensmission»
nennt er das. Die EU-Kommissionschefin zieht nun Konsequenzen.

Brüssel (dpa) - EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen
reagiert mit einer Boykott-Entscheidung auf die Alleingänge von
Ungarns Regierungschef Viktor Orban in der Ukraine-Politik. Die
deutsche Spitzenpolitikerin ließ ankündigen, dass an künftigen
informellen Ministertreffen unter der Leitung der derzeitigen
EU-Ratspräsidentschaft in Ungarn keine Kommissarinnen oder
Kommissare, sondern nur ranghohe Beamte teilnehmen werden. Zudem
verzichtet die EU-Kommission auf den traditionellen Antrittsbesuch
bei der ungarischen Präsidentschaft, wie ein Sprecher mitteilte. Aus
Budapest gab es zunächst eine entrüstete Reaktion vom Minister für
Angelegenheiten der Europäischen Union, Janos Boka.

Orbans «Friedensmission»

Hintergrund der Entscheidung von der Leyens ist eine mit der EU nicht
abgestimmte Auslandsreise von Ungarns Regierungschef Viktor Orban
wenige Tage nach dem Beginn der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft.
Orban hatte dabei in Moskau Kremlchef Wladimir Putin getroffen und
dies als «Friedensmission» zur Lösung des Ukraine-Konflikts
inszeniert. Später reiste er dann auch noch nach Peking zu einem
Gespräch mit Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping sowie in den
USA zu einem Treffen mit dem früheren US-Präsidenten Donald Trump. 

Die Reisen stießen auf großen Unmut in der EU - vor allem, weil der
Kreml den Moskau-Besuch für seine Propaganda ausschlachten konnte und
Orban bei der Reise in der Ukraine-Politik nicht klar die EU-Position
vertrat.

Die Europäische Kommission machte mehrfach klar, dass Orban nicht im
Namen der Staatengemeinschaft unterwegs sei. Auch aus dem Auswärtigen
Amt kam deutliche Kritik. «Das sind ungarische Alleingänge, die wir
mit großer Verwunderung und Skepsis zur Kenntnis nehmen», sagte ein
Sprecher in der Bundespressekonferenz in Berlin am vergangenen
Freitag. Orban spreche auf diesen Reisen ausschließlich für sich
selbst - und nicht für die Europäische Union. Zu möglichen
Konsequenzen sagte der Sprecher, man müsse sehen, wie die ungarische
Ratspräsidentschaft weiter laufe. «Sie hat schon großen Flurschaden
hinterlassen.» 

Manche Länder zogen bereits Konsequenzen

Litauen und Schweden kündigten als Reaktion auf die Alleingänge
Orbans zu Beginn der EU-Ratspräsidentschaft bereits an, vorübergehend
keine Ministerinnen und Minister zu Treffen nach Ungarn schicken. Das
ungarische Vorgehen sei schädlich und müsse Konsequenzen nach sich
ziehen, erklärte Schwedens derzeitige EU-Ministerin und designierte
EU-Kommissarin Jessika Roswall. Finnland, Estland, Lettland, Litauen
und Polen wollen Roswalls Angaben zufolge ähnlich auf das ungarische
Vorgehen reagieren.

Derzeit wird zudem in Brüssel diskutiert, ob ein eigentlich für Ende
August in Budapest geplantes informelles EU-Außenministertreffen
nicht nach Brüssel verlegt werden sollte. Eine Entscheidung könnte
beim letzten regulären EU-Außenministertreffen vor der Sommerpause am
kommenden Montag von EU-Chefdiplomat Josep Borrell getroffen werden.
Er sitzt den EU-Außenministertreffen vor und ist auch dafür
zuständig, dazu einzuladen.

Entscheidung kommt kurz vor Abstimmung im EU-Parlament

Die Entscheidung der EU-Kommission erfolgt wenige Tage vor der
Abstimmung über eine zweite Amtszeit von Ursula von der Leyen im
Europäischen Parlament. Europäische Parteienfamilien wie die
Sozialdemokraten, Grüne und Liberale hatten sie in der Vergangenheit
mehrfach aufgefordert, einen härteren Kurs gegenüber Ungarn
einzuschlagen. Auf die Stimmen aus diesem Lager ist von der Leyen bei
der Wahl am Donnerstag angewiesen.

Der grüne Europaabgeordnete Daniel Freund sagte: «Orbans Vorgehen ist
nicht nur ein deutlicher Verstoß gegen die EU-Verträge, sondern es
schwächt die EU in einer Zeit enormer außenpolitischer Instabilität.
»
Von der Leyen mache es richtig. «Das Parlament sollte diesem Beispiel
jetzt folgen. Das heißt: Keine Einladung für Viktor Orban ins
Europaparlament.»

Ungarn hat seit Anfang des Monats für ein halbes Jahr turnusmäßig die

EU-Ratspräsidentschaft inne. Das Land bereitet in dieser Rolle unter
anderem Treffen der Fachministerinnen und -minister vor. Bei diesen
informellen Treffen kommen in der Regel die jeweiligen Ressortchefs
aus den 27 EU-Ländern zusammen. Auch der fachlich zuständige
EU-Kommissar nimmt für gewöhnlich an dem Treffen teil.

Entrüstung in Budapest

Ungarns Regierung reagierte verärgert auf die Boykott-Entscheidung.
«Die EU-Kommission kann sich nicht Institutionen und Minister
aussuchen, mit denen sie kooperieren will. Sind alle Beschlüsse der
Kommission nun auf politische Erwägungen gegründet?», schrieb Ungarns

Minister für EU-Angelegenheiten, Janos Boka, bei X.