EU-Parlament wählt Roberta Metsola zur Präsidentin
16.07.2024 15:49
Bei der Europawahl haben rechte Parteien zum Teil deutlich
hinzugewonnen. An der Führung des Europaparlaments ändert sich
vorerst allerdings nichts.
Straßburg (dpa) - Die Abgeordneten des Europaparlaments haben die
Christdemokratin Roberta Metsola mit einem Rekordergebnis wieder zu
ihrer Präsidentin gewählt. Die 45-jährige Politikerin aus Malta bekam
bereits im ersten Wahlgang rund 90 Prozent der gültigen Stimmen. Sie
wird damit mindestens bis Januar 2027 die oberste Repräsentantin der
720 Europaabgeordneten sein.
Metsola gehört im Parlament dem Mitte-Rechts-Bündnis EVP an, das die
Europawahl im Juni klar gewonnen hatte. Aus Deutschland sind bei ihm
die Parteien CDU und CSU mit dabei. «Wir müssen aufstehen für eine
Politik der Hoffnung, für den Traum von Europa», sagte die Malteserin
nach ihrer Wahl.
Metsola bekam 562 von 623 gültigen Stimmen im ersten Wahlgang. Seit
der ersten Direktwahl des Parlaments 1979 hat noch kein anderer
Präsident ein so gutes Ergebnis erzielt. Bislang war der 2009
gewählte Pole Jerzy Buzek die Nummer eins mit gut 86 Prozent der
gültigen Stimmen. Letzter deutscher Amtsinhaber war Martin Schulz
gewesen, der dem Parlament von 2012 bis 2017 vorstand, bevor er
Kanzlerkandidat der SPD wurde. Schulz hatte 2012 rund 58 Prozent und
2014 rund 67 Prozent der gültigen Stimmen bekommen.
Glückwünsche aus der Ukraine
Nach Russlands Angriff auf die Ukraine machte Metsola sich unter
anderem als Unterstützerin des attackierten Landes einen Namen. Als
eine der ersten EU-Spitzenpolitikerinnen überhaupt reiste sie in die
Ukraine und sprach sich dort für mehr Waffenlieferungen an das Land
aus. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zeigte sich auf X
erfreut über die Wiederwahl der 45-Jährigen und gratulierte ihr. Er
schätze das persönliche Engagement Metsolas für die Ukraine sehr.
«Ich freue mich darauf, unsere enge Zusammenarbeit fortzusetzen, um
bald einen gerechten Frieden wiederherzustellen», schrieb der
Ukrainer.
Glückwünsche kamen auch von EU-Kommissionschefin Ursula von der
Leyen. «Deine Führungsqualitäten und Leidenschaft für Europa werden
mehr denn je gebraucht», schrieb die deutsche Spitzenpolitikerin auf
X.
Metsola: Unbegrenztes Potenzial im Europa
Metsola sagte in ihrer Bewerbungsrede, dank Europa könnten Millionen
von Bürgerinnen und Bürgern von einer Zukunft träumen, in der es ein
unbegrenztes Potenzial gebe. Zudem forderte sie, dass das Parlament
in die Lage versetzt werden müsse, andere Institutionen besser zu
kontrollieren und zur Verantwortung ziehen zu können. «Wir können
nicht akzeptieren, dass unsere Rolle als Parlamentarier verwässert
wird», betonte sie.
Verbleibende Ungleichgewichte zwischen den Institutionen müssten
beseitigt werden, so die Malteserin. In der EU kann nur die
EU-Kommission konkrete Gesetzesvorschläge einbringen. Das Parlament
kann die Kommission lediglich unverbindlich dazu auffordern.
Metsola sitzt seit 2013 im EU-Parlament und war erstmals am 18.
Januar 2022 zur Präsidentin des Europäischen Parlaments gewählt
worden. Sie ist die dritte Frau in dem prestigeträchtigen Amt. Die
Präsidentin des Europaparlaments leitet alle Tätigkeiten des Plenums,
wahrt während der Sitzungen die Ordnung, erteilt Rednern das Wort und
unterzeichnet Gesetze. Zudem vertritt sie das Parlament nach außen
und bei den anderen EU-Organen.
Gegenkandidatin chancenlos
Bei der Wahl in diesem Jahr gab es für Metsola lediglich eine
Gegenkandidatin: Die von den Linken aufgestellte Irene Montero konnte
nur 61 Abgeordnete von sich überzeugen. Die 36 Jahre alte Spanierin
hatte sich vor der Abstimmung unter anderem dafür ausgesprochen, dass
Europa angesichts des Vorgehens von Israel im Gaza-Krieg den
israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu mit Sanktionen belegt.
Wichtige Wahl auch am Donnerstag
In der vergangenen Legislaturperiode musste Metsola unter anderem im
sogenannten «Katargate»-Skandal das Parlament nach außen vertreten.
Dabei geht es um mutmaßliche Einflussnahme aus Katar und Marokko auf
politische Entscheidungen des Europaparlaments. Die Ermittlungen in
dem Ende 2022 bekanntgewordenen Skandal laufen noch.
Am Donnerstag soll entschieden werden, ob Ursula von der Leyen eine
zweite Amtszeit als Kommissionspräsidentin antreten kann. Dafür
braucht sie ebenfalls eine Mehrheit im Parlament.