Bericht: EU-Wasserstoffziele werden wohl nicht erreicht

17.07.2024 15:19

Im Kampf gegen Treibhausgasemissionen liegt viel Hoffnung auf grünem
Wasserstoff. Experten zufolge läuft es mit dem Ausbau weder in
Deutschland noch in Europa wie geplant.

Luxemburg (dpa) - Europa erreicht seine Wasserstoffziele einer
Analyse des EU-Rechnungshofs zufolge voraussichtlich nicht. Entlang
der gesamten Wertschöpfungskette gebe es noch Probleme, schreiben die
EU-Prüfer mit Sitz in Luxemburg in einem Bericht. «Es drohen der
Verlust von Wettbewerbsfähigkeit in Schlüsselindustrien und neue
strategische Abhängigkeiten», warnen die Prüfer. Auch in Deutschland

waren Experten zuletzt besorgt über den Aufbau der
Wasserstoffwirtschaft in der Bundesrepublik. Der Standort laufe
Gefahr, im internationalen Vergleich den Anschluss zu verlieren,
warnte der nationale Wasserstoffrat jüngst.

Grüner Wasserstoff als Hoffnungsträger

Grüner Wasserstoff - also solcher, der mit erneuerbaren Energien
hergestellt wird - gilt als Hoffnungsträger der Energiewende.
Grundsätzlich kann Wasserstoff als Basis für Kraft- und Brennstoffe
dienen, um etwa in Industrie und Verkehr Kohle, Öl und Erdgas
abzulösen. Seine Herstellung ist aber sehr energieintensiv und
derzeit noch deutlich teurer im Vergleich zu fossilen
Energieträgern. 

Die Europäische Kommission sei bei der Festlegung der Ziele für die
Nachfrage von erneuerbarem Wasserstoff zu ehrgeizig gewesen, monieren
die Prüfer des EU-Rechnungshofs. Bis 2030 sollen zehn Millionen
Tonnen grüner Wasserstoff erzeugt und zehn Millionen Tonnen
importiert werden. Diese Ziele hätten aber nicht auf einer soliden
Analyse beruht, sondern seien von politischem Willen geleitet
gewesen, heißt es in ihrer Mitteilung. In seiner Analyse geht der Hof
davon aus, dass bis Ende des Jahrzehnts nicht einmal zehn Millionen
Tonnen nachgefragt werden.

Kommission hat richtige Schritte unternommen - muss weitere gehen

Zwar habe die Europäische Kommission richtige Schritte unternommen
auf dem Weg zu einem gerade erst entstehenden Markt für erneuerbaren
Wasserstoff, heißt es vom Rechnungshof. Die Strategie müsse aber
angepasst sowie sichergestellt werden, dass die Ziele sich
verwirklichen ließen.

Weiterhin bemängeln die Prüfer etwa, dass die Einigung darüber zu
lange dauerte, was genau unter erneuerbarem Wasserstoff zu verstehen
ist und welche Vorschriften für ihn gelten. Viele
Investitionsentscheidungen seien dadurch verschoben worden. Auch
Projektentwickler schöben Investitionsentscheidungen auf, da das
Angebot von der Nachfrage abhänge und umgekehrt.

Kommission verweist auf schrittweise Entwicklung

In einer Reaktion auf den Bericht versicherte die Europäische
Kommission, die Nutzung und die Akzeptanz von erneuerbarem und
kohlenstoffarmem Wasserstoff in Europa zu beschleunigen und
weiterzuentwickeln. «Die Kommission wird weiterhin mit den
Interessengruppen zusammenarbeiten, um unsere Ambitionen in die Tat
umzusetzen», teilte ein Sprecher mit. Es sei klar, dass sich das
Wasserstoff-Ökosystem schrittweise entwickeln werde. Wie schnell, sei
von Sektor zu Sektor unterschiedlich - ebenso möglicherweise auch von
Region zu Region. 

Deutschland: Expertenrat warnt vor Verzögerung bei Wasserstoff-Ausbau

Auch in Deutschland bestand zuletzt die Sorge, dass die
Wasserstoffwirtschaft nicht in Gang kommt. Zwar enthält die Strategie
als einzige der nationalen Strategien der EU-Länder Importziele. Ohne
wirksame Maßnahmen drohten die in der Nationalen Wasserstoffstrategie
(NWS) verankerten Ziele jedoch verfehlt zu werden, hieß es Ende Juni
in einer vom Nationalen Wasserstoffrat beschlossenen Stellungnahme.
Es klaffe eine immer größere Lücke zwischen dem politisch definierten

Ambitionsniveau auf nationaler und europäischer Ebene und dessen
praktischer Umsetzung, so die Experten.

Bundesregierung packt an

Anfang der Woche verkündete die Bundesregierung nun
Milliardeninvestitionen in zukunftsweisende Wasserstoffprojekte.
Gefördert werden sollen mit 4,6 Milliarden Euro von Bund und Ländern
zusammen 23 Projekte - etwa zur Erzeugung von grünem Wasserstoff
sowie zur Speicherung und zum Transport. «Mit der Förderung von
Wasserstoffprojekten gehen wir einen wichtigen Schritt hin zu einer
klimaneutralen und nachhaltigen Wirtschaft in Europa und darüber
hinaus», sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck am Montag.

Ein Teil der Fördermittel stammt aus einem EU-Topf. Die Unternehmen
selbst investieren zusätzlich 3,3 Milliarden Euro. Insgesamt kommt
man laut Ministerium so auf ein Investitionsvolumen von etwa 7,9
Milliarden Euro bis 2030.

In der kommenden Woche soll im Bundeskabinett außerdem eine
Importstrategie für Wasserstoff beschlossen werden. Ein großer Teil
des Wasserstoffs kann nicht in Deutschland hergestellt werden,
sondern muss importiert werden. Vergangene Woche wurde zudem bekannt,
dass Deutschland in den kommenden Jahren mehr als 250.000 Tonnen
«grünen» Ammoniak für mehr klimafreundlichen Wasserstoff importiere
n
will. Eine entsprechende Liefervereinbarung für die Jahre 2027 bis
2033 wurde nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums mit dem
Unternehmen Fertiglobe aus den Vereinigten Arabischen Emiraten
geschlossen.