Grüne üben Selbstkritik: Zuhören und Probleme nicht leugnen

17.07.2024 19:54

Bei der Europawahl rutschen die Grünen auf 11,9 Prozent ab - nach
20,5 Prozent fünf Jahre zuvor. Was kann die Partei besser machen? Die
Sorgen der Menschen ernster nehmen, meint die Parteispitze.

Berlin (dpa) - Um bei den nächsten Wahlen wieder besser abzuschneiden
als bei der Europawahl im Juni, wollen die Grünen künftig stärker auf

die Sorgen von Bürgerinnen und Bürgern eingehen. Das gelte für die
Angst vor Krieg ebenso wie für die Folgen der gestiegenen Inflation,
betonten die Co-Parteivorsitzenden, Ricarda Lang und Omid Nouripour,
am Mittwochabend bei einer Online-Wahlanalyse mit Mitgliedern der
Partei. 

Es gehe darum, künftig eine klarere Sprache zu sprechen, Probleme
nicht zu leugnen und auf eine «Politik des Imperativs» zu verzichten,
sagte Lang. Gerade auf dem Land reagierten die Menschen auf solche
Ansagen allergisch. Wichtig sei außerdem: «Klimaschutz muss bezahlbar
werden.» Die Menschen bräuchten «Antworten für die Gegenwart»,
deshalb müsse bei Klimaschutz-Maßnahmen eine soziale Förderung
zielgenau sein und frühzeitig gewährt werden. 

«Die Menschen fühlen sich von der Politik nicht gehört»

Es sei nachvollziehbar, dass die Menschen in einem Land leben
wollten, wo man einen Termin beim Facharzt bekommt, der Bus
verlässlich fährt und die Anmeldung in einer neuen Stadt rasch und
einfach ist. Um diese Fragen müssten sich die Grünen kümmern und das

auch nach außen deutlich machen, hieß es von der Parteispitze. 

Eine der wichtigsten Lehren aus der Europawahl sei: «Die Menschen
fühlen sich von der Politik nicht gehört und werden es zu wenig -
auch von uns. Das ändern wir.»

Bei der Europawahl am 9. Juni hatten die Grünen 11,9 Prozent der
Stimmen erhalten und waren damit hinter eigenen Erwartungen
zurückgeblieben. Wahlforscher stellten im Nachgang vor allem
deutliche Verluste bei jungen Wählern fest.

Lang: Wir haben das Versprechen an die Jugend nicht eingelöst

Die Grünen seien im Bundestagswahlkampf 2021 nach der Corona-Pandemie
mit dem Versprechen an die Jugend angetreten «Jetzt seid Ihr dran»,
sagte Lang. «Dieses Versprechen haben wir ehrlicherweise nicht
eingelöst.» 

Auf die Frage eines Mitglieds, ob die Position der Grünen im
Nahost-Konflikt zuletzt zu einseitig zugunsten Israels gewesen sei
und damit womöglich junge Wähler abgeschreckt habe, antwortete der
Co-Vorsitzende, Omid Nouripour, die Position von Außenministerin
Annalena Baerbock (Grüne) sei stets «ausbalanciert» gewesen. Beim
Natur- und Klimaschutz genössen die Grünen nach wie vor eine große
Glaubwürdigkeit, betonte Nouripour. Es sei aber wichtig, vor allem
Lösungen anzubieten und keine «Weltuntergangsszenarien» zu
skizzieren.