Europagipfel bei Oxford - Briten suchen den Neustart

18.07.2024 05:00

Erst zwei Wochen im Amt - und schon ist der neue britische Premier
Gastgeber eines großen Gipfels. Starmer will das Verhältnis zur EU
reparieren. Hauptthemen sind der Ukraine-Krieg und Migration.

London/Oxford (dpa) - Beinahe 50 europäische Staats- und
Regierungschefs kommen heute in Großbritannien zum Gipfel der
Europäischen Politischen Gemeinschaft zusammen. In dieser informellen
Gruppe haben sich vor zwei Jahren - kurz nach dem russischen Angriff
auf die Ukraine - die 27 Staaten der Europäischen Union mit anderen
Ländern des Kontinents zusammengeschlossen, die ihre Werte teilen.
Russland und Belarus gehören nicht dazu. Sie bleiben auch beim
vierten Gipfel dieser Art ausgeschlossen.

Das Treffen findet am Geburtsort von Kriegspremier Winston Churchill,
Blenheim Palace, statt, nahe der berühmten Universitätsstadt Oxford.
Knapp 60 Jahre nach dem Tod des Regierungschefs geht es bei den
eintägigen Beratungen vor allem um Sicherheitsfragen. Der Krieg in
der Ukraine steht neben den Themen Migration und Energiesicherheit im
Vordergrund des informellen Gipfels, bei dem keine Beschlüsse
getroffen werden.

Starmer will Verhältnis zu Europa reparieren

Gastgeber ist neben dem Präsidenten des Europäischen Rats, Charles
Michel, die neue Labour-Regierung in Großbritannien von
Premierminister Keir Starmer. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)
nimmt teil. König Charles III. hat die Teilnehmer zu einem Empfang in
der prunkvollen Schlossbibliothek geladen. Neben vielen bilateralen
Begegnungen treffen sich die Politiker in mehreren Arbeitsgruppen und
Plenarsitzungen.

Für den erst vor gut zwei Wochen ins Amt gewählten Starmer ist es
nach dem Nato-Gipfel die zweite Gelegenheit sich auf einer großen
internationalen Bühne zu beweisen. Ihm ist daran gelegen, das
Verhältnis zu den europäischen Partnern nach den Brexit-Jahren wieder
zu reparieren. Von einem Neustart in der Beziehung mit Europa ist die
Rede.

Scholz nimmt an Arbeitsgruppe zu Migration teil

Gleichzeitig sucht Starmer Verbündete im Kampf gegen Schlepperbanden,
die Migranten in kleinen Booten über den Ärmelkanal schleusen. Das
Thema Migration steht gerade nach dem Erfolg rechtspopulistischer
Parteien bei der Europawahl auch bei vielen EU-Regierungen ganz oben
auf der Agenda. 

Eine Arbeitsgruppe dazu wird bei dem Gipfel von der italienischen
Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und dem albanischen Regierungschef
Edi Rama geleitet. Italien will Zehntausende Bootsflüchtlinge nach
Albanien bringen, um Asylverfahren dorthin auszulagern. Die
Bundesregierung prüft derzeit auf Wunsch der 16 Bundesländer, ob ein
ähnliches Modell für Deutschland machbar ist. Scholz hat sich
vielleicht auch deswegen für diese Arbeitsgruppe angemeldet.
Gastgeber Starmer ist ebenfalls mit von der Partie. Er hat die Pläne
der Vorgängerregierung aber aufgegeben, Asylsuchende ohne
Rückfahrschein nach Ruanda zu bringen. 

Selenskyj ist als regulärer Teilnehmer dabei

Im Mittelpunkt dürfte aber wie bei früheren Treffen die Unterstützung

für die Ukraine stehen. Mit bangem Blick dürften die Teilnehmer in
die USA schauen, wo Präsidentschaftskandidat Donald Trump mit dem
Hardliner J. D. Vance beim Parteitag der Republikaner in Milwaukee
gerade einen ausgesprochenen Gegner der Unterstützung für Kiew zu
seinem Vize berufen hat.

Anders als bei Gipfeln der Europäischen Union oder der Nato ist der
ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nicht nur als Gast, sondern
als regulärer Teilnehmer dabei. Ebenfalls eingeladen sind die
Generalsekretärinnen von Europarat und OSZE sowie
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg. 

Von dem Treffen solle ein starkes Zeichen für die konstruktive
Zusammenarbeit in ganz Europa - und gegen den Imperialismus Russlands
ausgehen, hieß es vorab aus Teilnehmerkreisen. Eine
Abschlusserklärung ist nicht geplant, dafür aber mehrere
Pressekonferenzen am frühen Abend.

Von der Leyen ist nicht dabei

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist nicht dabei, weil
die Abgeordneten des Europäischen Parlaments am Mittag darüber
entscheiden, ob sie eine zweite Amtszeit antreten kann. Am Vormittag
hält sie deswegen im Plenum im Straßburg noch eine Rede und nach der
Wahl ist eine Pressekonferenz vorgesehen.