Für jeden etwas: Von der Leyens Pläne für zweite Amtszeit
18.07.2024 15:24
E-Fuels, mehr Grenzschützer, europäische Flugabwehr: Für ihre neue
Amtszeit hat Ursula von der Leyen viele Pläne. Ab Jahresende soll es
losgehen - schon für die ersten 100 Tage gibt es Versprechen.
Straßburg (dpa) - Was macht Ursula von der Leyen, wenn sie Ende des
Jahres eine zweite Amtszeit als Präsidentin der mächtigen
EU-Kommission antritt? In den von ihr vorgelegten politischen
Leitlinien macht die deutsche Spitzenpolitikerin ihre Pläne für die
kommenden fünf Jahre öffentlich. Das ist relevant, weil die
Europäische Kommission in der EU die einzige Institution ist, die
neue EU-Gesetze vorschlagen kann. Ein Überblick nach Themenbereichen:
Rückzieher beim Verbrenner-Aus und leichteres Bahnreisen
Die CDU-Politikerin verspricht einen Vorstoß für Ausnahmen für
sogenannte E-Fuels. Um die EU-Klimaziele zu erreichen, sei ein
technologieneutraler Ansatz erforderlich, bei dem die synthetischen
Kraftstoffe eine Rolle spielten, heißt es in ihren politischen
Leitlinien für die kommenden fünf Jahre. Das möchte sie durch eine
gezielte Änderung des entsprechenden EU-Gesetzes erreichen. Was
konkret geändert werden soll, wollte die Spitzenpolitikerin auf
Nachfrage nicht beantworten. Die EU hat eigentlich beschlossen, dass
ab 2035 nur noch Neuwagen zugelassen werden sollen, die im Betrieb
kein klimaschädliches CO2 ausstoßen. Die Bundesregierung hatte sich
auf Drängen der FDP dafür eingesetzt, dass es Ausnahmen für E-Fuels
geben soll.
E-Fuels sind synthetische Kraftstoffe, mit denen Verbrennungsmotoren
theoretisch klimaneutral betrieben werden können. Sie sind aber
verhältnismäßig teuer und werden etwa im Luftverkehr dringend
gebraucht. Denn es ist schwieriger, Flugzeuge im großen Stil
elektrisch zu betreiben als Autos.
Im Kampf gegen den Klimawandel soll es Verbrauchern insbesondere im
Bereich der Mobilität leichter gemacht werden, auf nachhaltigere
Optionen umzusteigen. Um grenzüberschreitende Zugfahrten in der EU zu
erleichtern, will von der Leyen eine Verordnung über die einheitliche
digitale Buchung von Fahrkarten vorschlagen. Damit soll
sichergestellt werden, dass Verbraucher eine einzige Fahrkarte auf
einer einzigen Plattform kaufen können und die Fahrgastrechte für die
gesamte Reise gelten.
Erschwingliches Wohnen
«Europa befindet sich in einer Wohnungskrise, von der Menschen jeden
Alters und Familien jeder Größe betroffen sind», sagt von der Leyen.
Kaufpreise und Mieten stiegen in die Höhe. Daher werde sie einen Plan
für erschwinglichen Wohnraum entwickeln, um alle Ursachen der Krise
zu untersuchen und die erforderlichen Investitionen freizusetzen.
Dazu soll ein eigener Kommissar ernannt werden.
Weniger Abhängigkeiten bei wichtigen Medikamenten
Engpässe bei Antibiotika, Insulin, Schmerzmitteln und anderen
Medizinprodukten sorgen in der EU seit längerem für Sorge. Um Abhilfe
zu schaffen, will von der Leyen ein EU-Gesetz zu kritischen
Arzneimitteln vorschlagen. Es soll Abhängigkeiten bei kritischen
Arzneimitteln und Inhaltsstoffen verringern - insbesondere bei
Produkten, bei denen es nur wenige Herstellerunternehmen oder -länder
gibt.
Weniger Bürokratie, schnellere Genehmigungen
Um unternehmerische Initiativen zu erleichtern, verspricht von der
Leyen einen weiteren Bürokratieabbau. Das Motto soll lauten: «Weniger
Verwaltungsaufwand und Berichterstattung, mehr Vertrauen, bessere
Durchsetzung, schnellere Genehmigungen.» Zudem kündigt sie an, wenn
nötig Vorschläge zur Vereinfachung von Rechtsvorschriften zu machen.
Kampf gegen illegale Migration
Von der Leyen will die europäische Grenzschutzagentur Frontex
deutlich stärken und die Zahl der EU-Grenzschützer auf 30.000
Menschen verdreifachen. «Sicherere Grenzen werden uns auch dabei
helfen, die Migration strukturierter und gerechter zu steuern», sagt
sie. Für weniger illegale Migration sollen zudem auch weitere
Kooperations- und Unterstützungsabsprachen mit Drittstaaten sorgen.
Weiter verspricht die Spitzenpolitikerin einen härteren Kampf gegen
organisierte Kriminalität und Terrorismus. Dazu soll das Personal der
Polizeibehörde Europol verdoppelt und eine neue Strategie gegen
Drogenschmuggel entwickelt werden.
Abwehr von Gefahren aus der Luft
Von der Leyen will den Aufbau eines europäischen
Luftverteidigungssystems und einer europäischen Cyberabwehr
vorschlagen. Für eine gemeinschaftliche Flugabwehr hatten jüngst
bereits Polen und Griechenland geworben. Von der Leyen sagt nun, ein
«European Air Shield» könne nicht nur den Luftraum schützen, sonder
n
auch ein starkes Symbol für die Einheit Europas im Bereich der
Verteidigung sein.
Um die Verteidigungs- und Rüstungspolitik auf EU-Ebene zu stärken,
will von der Leyen zudem einen Verteidigungskommissar ernennen. Er
soll eng mit dem EU-Außenbeauftragten zusammenarbeiten, der in der EU
federführend für Außen- und Sicherheitspolitik zuständig ist. Dar
über
hinaus ist vorgesehen, Investitionen in Rüstungsprojekte zu
erleichtern.
Schutzschild für die Demokratie
Die EU braucht nach Ansicht von der Leyens eigene Strukturen zur
Bekämpfung der Manipulation von Informationen und der Einflussnahme
aus dem Ausland. Deswegen möchte sie einen Vorschlag für einen
«Europäischen Schutzschild für die Demokratie» vorlegen. Die neuen
Strukturen würden sämtliche Kompetenzen bündeln und für die
Verbindung und Abstimmung mit den nationalen Stellen sorgen, erklärt
sie. Die Aufklärungs-, Aufdeckungs- und Handlungskapazitäten müssten
gestärkt werden, aber auch die Möglichkeiten, Sanktionen
auszusprechen.
Deal für saubere Industrie
In den ersten 100 Tagen der neuen Legislaturperiode will von der
Leyen eine Strategie für eine saubere Industrie in Europa vorlegen.
Der sogenannte «Clean Industrial Deal» werde Investitionen in
Infrastruktur und Industrie kanalisieren, insbesondere für
energieintensive Sektoren, heißt es. «Dies wird zur Schaffung von
Leitmärkten für alles von sauberem Stahl bis zu sauberen Technologien
beitragen. Es wird die Planung, Ausschreibung und Genehmigung
beschleunigen», sagt von der Leyen. Die Strategie solle auch dazu
beitragen, die Energiekosten zu senken. Zudem möchte sie Maßnahmen
vorschlagen, die es Investoren erleichtern sollen, in schnell
wachsende Unternehmen zu finanzieren.
Klimaziel bis 2040 gesetzlich verankern
Um die EU bis 2050 klimaneutral zu machen, soll ein weiteres
Zwischenziel im Klimagesetz verankert werden. Es sieht vor, die
Treibhausgasemissionen bis 2040 um mindestens 90 Prozent im Vergleich
zu 1990 zu senken. Zudem kündigt von der Leyen einen europäischen
Klimaanpassungsplan an, der die Mitgliedsstaaten bei der Vorsorge und
Planung unterstützen soll. Da sich das Klima in Europa schneller
erwärme als im globalen Durchschnitt, müsse die Vorbereitung auf den
Klimawandel verbessert werden. Unter anderem sollen in dem Plan die
Risiken und der Vorsorgebedarf in Bereichen wie etwa Infrastruktur,
Energie, Wasser, Lebensmittel sowie der Bedarf an Daten und
Frühwarnsystemen ermittelt werden.
Für niedrigere Energiepreise plant von der Leyen etwa Vorschläge für
den weiteren Ausbau erneuerbarer Energien. Investitionen in saubere
Energieinfrastrukturen und -technologien sollen erhöht und prioritär
behandelt werden. Nach dem Vorbild der gemeinsamen europäischen
Gaseinkäufe sollen auch weitere Rohstoffe gemeinsam gekauft werden.
Faires Einkommen für Bauern
Ebenfalls in den ersten 100 Tagen ihrer Amtszeit will von der Leyen
eine Vision für Landwirtschaft und Ernährung vorstellen. Es soll
darum gehen, wie die langfristige Wettbewerbsfähigkeit und
Nachhaltigkeit des Agrarsektors innerhalb der Belastbarkeitsgrenzen
der Erde sichergestellt werden kann. «Ich werde mich dafür einsetzen,
dass Landwirtinnen und Landwirte ein faires Einkommen haben»,
verspricht von der Leyen.