Von der Leyen kann bis 2029 mächtige EU-Kommission führen Von Marek Majewsky, Regina Wank, Katharina Redanz und Ansgar Haase, dpa

18.07.2024 15:36

Ursula von der Leyen hat es ein zweites Mal geschafft. Die
CDU-Politikerin hat die Rückendeckung des Europaparlaments für
weitere fünf Jahre an der Spitze der EU-Kommission. Auch dank rechter
Stimmen?

Brüssel (dpa) - Ursula von der Leyen kann für weitere fünf Jahre die

mächtige EU-Kommission führen. Im Europäischen Parlament stimmte die

Mehrheit der Abgeordneten für die 65 Jahre alte CDU-Politikerin und
bestätigte damit offiziell ihre Nominierung durch die Staats- und
Regierungschefs der EU-Staaten. Von der Leyen bekam diesmal rund 56
Prozent der möglichen Stimmen und damit deutlich mehr als vor fünf
Jahren. Damals hatten lediglich 51 Prozent der stimmberechtigten
Abgeordneten für sie votiert.

Von der Leyen erhielt nun 401 der möglichen 719 Stimmen und damit 41
mehr als notwendig. 284 Abgeordnete votierten gegen sie, und rund
drei Dutzend gaben gar keinen, einen ungültigen oder leeren
Stimmzettel ab. Von der Leyen bezeichnete die Wahl im Anschluss als
einen sehr emotionalen und besonderen Moment und bedankte sich bei
den Abgeordneten für das Vertrauen. «Ich denke, dass dies eine sehr
gute Grundlage für die nächsten fünf Jahre ist», sagte sie.

Die Präsidentschaft der EU-Kommission gilt als die mit Abstand
wichtigste Position in Brüssel. Von der Leyen sind rund 32.000
Mitarbeiter unterstellt, die unter anderem Vorschläge für neue
EU-Gesetze machen und die Wahrung der Europäischen Verträge
überwachen. Zudem sitzt die Kommissionspräsidentin bei fast allen
großen internationalen Gipfeltreffen wie G7 oder G20 als
EU-Repräsentantin mit am Tisch. Vom US-Magazin «Forbes» wurde von der

Leyen deswegen bereits mehrfach zur «mächtigsten Frau der Welt»
gekürt.

Ankündigung zum Verbrenner-Aus

Kurz vor ihrer Wahl hatte von der Leyen in ihrer letzten
Bewerbungsrede vor dem Parlament ihre Pläne für die kommenden fünf
Jahre skizziert. Dabei kündigte sie an, das bereits beschlossene
EU-Verbot von neuen Verbrenner-Autos ab 2035 durch Ausnahmen für
sogenannte E-Fuels aufweichen zu wollen. Zudem will sie unter anderem
Initiativen für günstigeres Wohnen, eine Verdreifachung der Zahl der
EU-Grenzschützer sowie ein europäisches Luftverteidigungssystem
starten 

Die frühere Bundesministerin für Verteidigung (2013-2019), Arbeit und
Soziales (2009-2013) sowie für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
(2005-2009) war nach der Europawahl 2019 ins Amt gekommen. In
Deutschland war damals noch von der Leyens Parteifreundin Angela
Merkel Bundeskanzlerin.

Wahlsieg von Mitte-Rechts-Bündnis ebnete Weg

Grundlage der erneuten Nominierung von Ursula von der Leyen war der
Wahlsieg ihrer europäischen Parteienfamilie EVP bei der Europawahl
gewesen. Das Mitte-Rechts-Bündnis hatte danach mit den europäischen
Sozialdemokraten und Liberalen eine Art informelle Koalition
vereinbart und die neu zu vergebenen Spitzenposten unter sich
aufgeteilt.

Die Einigung sieht so auch vor, dass die liberale estnische
Regierungschefin Kaja Kallas den Posten der EU-Außenbeauftragten
bekommt. Zum Präsidenten des Gremiums der Staats- und Regierungschefs
wurde bereits für zunächst zweieinhalb Jahre der frühere
portugiesische Regierungschef António Costa gewählt.

Wahl war bis zuletzt Zitterpartie

Die Bestätigung von der Leyens im Parlament war dennoch nicht
hundertprozentig sicher gewesen, weil dort kein Fraktionszwang
existiert und in geheimer Wahl abgestimmt wurde. Von der Leyen führte
deswegen in den vergangenen Wochen zahllose Gespräche mit
Abgeordneten, um sie von sich zu überzeugen. Für das Parlament ist es
stets wichtig, mit dem Kommissionschef vor dessen Wahl möglichst
feste Vereinbarungen zu politischen Zielen zu treffen. Dies liegt
daran, dass auf EU-Ebene nur die Kommission Gesetzgebungsvorschläge
machen kann.

Aus Kreisen der europäischen Parteienfamilie der Grünen hieß es nach

der Wahl, mehr als 40 der 53 Gruppenmitglieder hätten für von der
Leyen gestimmt. Die fünf deutschen FDP-Abgeordneten stimmten nach
Angaben von Marie-Agnes Strack-Zimmermann allerdings nicht für von
der Leyen. Das FDP-Präsidiumsmitglied erklärte dies unter anderem mit
der Ankündigung von der Leyens, sich für günstigeres Wohnen einsetzen

zu wollen. Dies seien Kompetenzen, die auf nationaler Ebene besser
aufgehoben seien, sagte sie.

Stimmten auch Abgeordnete von Meloni-Partei für von der Leyen?

Wie viele Abgeordnete von rechten Parteien für von der Leyen
stimmten, war zunächst unklar. Vor der Wahl war gemutmaßt worden,
dass ihre Parteienfamilie hinter den Kulissen zum Beispiel auch um
Stimmen von Abgeordneten der Fratelli d'Italia (Brüder Italiens) der
rechten italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni warb. Als
mögliche Gegenleistung könnte von der Leyen beispielsweise angeboten
haben, dem künftigen italienischen Vertreter in der EU-Kommission
einen wichtigen Aufgabenbereich zu geben. Zudem könnten
EVP-Abgeordnete zugesichert haben, sich nicht gegen
Kommissarskandidaten von den Parteien zu stellen, die von der Leyen
bei der Wahl unterstützt haben. Die Kandidaten der EU-Länder für die

Posten als Kommissar müssen vom Parlament bestätigt werden. Im
Idealfall soll die komplette EU-Kommission aus von der Leyen und 26
Kommissarinnen und Kommissaren im November antreten.

Von der Leyen kündigte an, dass sie nun die Staats- und
Regierungschefs der EU-Länder bitten wird, ihre Kandidaten
vorzuschlagen. Sie werde ein ausgeglichenes Verhältnis von Männern
und Frauen anstreben, erklärte sie.