Europa-Projekte in Niedersachsen: Vom Touristenmagnet zur Elbwolle Von Britta Körber und Philipp Schulze , dpa

19.07.2024 07:00

Mit Geldern aus EU-Töpfen werden viele Initiativen unterstützt. In
ländlichen Regionen wie dem Wendland sind es nicht nur
Vorzeigeprojekte, die sich entwickeln.

Lüchow (dpa/lni) - Für die Gestaltung der Dömitzer Eisenbahnbrücke

als Skywalk im Biosphärenreservat sind fast acht Millionen Euro
investiert worden. Die Summe musste das Land Niedersachsen nicht
allein aufbringen, ein Großteil stammte bis zur Eröffnung des
touristischen Wahrzeichens im August 2023 aus EU-Geldern. Die
europäische Strukturpolitik zielt darauf ab, wirtschaftliche und
soziale Ungleichheiten zwischen Regionen zu verringern. Deshalb
werden auch kleinere Projekte in strukturschwachen Regionen
gefördert.

Im dünn besiedelten Wendland sind das Einzelbetriebe wie die
Lehm-Laden GmbH in Hitzacker als ökologischer Baustoffhändler
(188.110 Euro), Kenners Landlust mit Baumhaushotel als Lernort in der
Göhrde (1,17 Millionen Euro) oder auch Coworking-Orte. 

Ute Luft hat in Weitsche bei Lüchow eine Werkstatt zum Stricken mit
Schafwolle eingerichtet. Alle ihre Modelle für Pullis, Schals und
Mützen haben Tiernamen. Pullunder Nachtigall, Kleid Lerche und
Pullover Habicht sollen wegen des dichten Garns wasserabweisend und
temperaturausgleichend sein. Sie sind allerdings deutlich teurer als
kurzlebige Modeprodukte aus Kunstfaser. 

Schäfer bleiben auf ihrer Wolle sitzen

Seit Jahren heißt es von den Schafhaltern entlang den Elbdeichen
unisono: Die Schurwolle können wir nicht verkaufen, sie ist nichts
mehr wert. Die 57-Jährige zahlt einen guten Preis, sie kauft für 3,20
bis 3,50 Euro pro Kilo Rohwolle direkt von Schäfern, die ihre Tiere
am Deich halten. «Das ist der Preis, den man normalerweise für das
Fleisch bezahlt», erzählt Luft, die die Züchter in der Region
unterstützen will.

«Die natürliche Funktionsfaser trocknet schnell, knittert kaum, ist
selbstreinigend und nimmt kaum Geruch an», schreibt Ute Luft auf
ihrer Webseite elbwolle.de. Nach dem Kauf wird die Wolle in eine
polnische Wäscherei geschickt, dann in einer deutschen Spinnerei
gesponnen und gefärbt, bevor sie in die überdimensionale
3D-Strickmaschine auf dem weitläufigen Hof in Lüchow kommt. Inklusive
Software und Schulung kostete die Anschaffung des Geräts, das einen
kleinen Raum füllt, etwa 90.000 Euro. 

Keine Chance ohne EU-Mittel

Das hätte die Unternehmerin ohne EU-Förderung nicht geschafft, sagt
sie. Zumal sie während der Corona-Pandemie nicht auf Messen
ausstellen konnte. Für die Entwicklung von Naturschutzprodukten gab
es rund 60.000 Euro aus Brüssel. 

«Das ist ein sehr konsequent aufgebauter Betrieb in Richtung
Nachhaltigkeit, Textilwirtschaft von der Ressource aus denken», sagt
Sigrun Kreuser von der Agentur Wendlandleben. Auch die
Vermittlungsagentur wurde mit EU-Geldern unterstützt, sie gewinnt und
vernetzt Fachkräfte für den Zuzug in den schwach besiedelten
Landkreis Lüchow-Dannenberg. 

Niedersachsens Europa- und Regionalministerin Wiebke Osigus verlangt
von der EU eine aktive Politik für die Räume abseits der großen
Städte. «Wir brauchen europaweit starke ländliche Regionen, denn dort

entscheidet sich der Erfolg der grünen und digitalen Transformation
des gesamten Kontinents», sagte die SPD-Politikerin kürzlich.
Niedersachsen erhält aus den für die regionale Entwicklung wichtigen
Fonds in den Jahren 2021 bis 2027 rund 2,9 Milliarden Euro.

Über die Brexit-Anpassungsreserve bekommt das Bundesland zudem für
die Erschließung von Logistikflächen in Cuxhaven für den
Frachtverkehr von und nach Großbritannien mehrere Millionen Euro für
die Abmilderung der Folgen des Austritts des Vereinigten Königreichs
aus der EU.