EU und Serbien schmieden Lithium-Pakt Von Michael Fischer, Kathrin Lauer und Marek Majewski, dpa

19.07.2024 13:24

Für Serbien geht es um Milliarden-Einnahmen, für die EU um die
Verringerung der Abhängigkeit von China. Die Förderung eines der
größten Lithium-Vorkommen Europas hat aber auch eine Kehrseite.

Belgrad (dpa) - Die Europäische Union und Serbien wollen gemeinsam
eins der größten Lithium-Vorkommen Europas im Wert von mehreren
Milliarden Euro für die Herstellung von Batterien vor allem für
Elektroautos abbauen.

In Anwesenheit von Bundeskanzler Olaf Scholz, Serbiens Präsident
Aleksandar Vucic und EU-Kommissionsvize Maros Sefcovic wurde in
Belgrad eine Absichtserklärung unterzeichnet, die eine
umweltverträgliche Förderung des knappen und weltweit extrem
begehrten Leichtmetalls im westserbischen Jadar-Tal ermöglichen soll.
In Serbien gibt es massiven Widerstand von Umweltschützern gegen das
Projekt.

Scholz versicherte, dass es den «höchsten Standards» des
Umweltschutzes entsprechen werde. «Wir werden das unterstützen und
wir werden unseren Beitrag dazu leisten, dass das auch tatsächlich so
kommt.» Sefcovic sprach von einem «historischen Tag» und wertete das

Abkommen als Schritt Serbiens in Richtung EU. Am euphorischsten
äußerte sich Vucic nach der Unterzeichnungszeremonie: «Für uns wird

dies einen Wendepunkt und einen Quantensprung in die Zukunft
darstellen, etwas, das wir nicht für möglich gehalten hätten.»

China zog den Kürzeren

Für beide Seiten geht es bei dem Rohstoff-Abkommen um viel. Für
Serbien handelt es sich um die größte ausländische Direktinvestition

seiner Geschichte. Ziel der Regierung in Belgrad ist es, eine
Wertschöpfungskette für Elektromobilität vom Abbau des Rohstoffs bis

zur Batteriefertigung aufzubauen. Das bedeutet Staatseinnahmen,
Arbeitsplätze und Investitionen, die Vucic auf sechs Milliarden Euro
schätzte. Unter anderem habe Scholz ihm versichert, dass in Serbien
auch eine Batterie-Fabrik entstehen werde.

Deutschland und die EU wollen mit dem Projekt vor allem die
Abhängigkeit von China reduzieren. Die zweitgrößte Volkswirtschaft
der Welt kontrolliert einen großen Teil des Abbaus und der
Verarbeitung von Lithium weltweit. Auch China hatte sich um die
Ausbeutung der Vorkommen in Serbien bemüht, im Mai war Präsident Xi
Jinping sogar nach Belgrad gereist. Dass man sich trotzdem nun als
Europäer durchgesetzt hat, wird von deutscher Seite als großer Erfolg
gefeiert, der vielleicht auch Ausstrahlungskraft auf weitere
Rohstoff-Projekte haben könnte.

Lithium für mehr als eine Million E-Autos im Jahr

Das Abkommen hat eine längere Vorgeschichte. Bereits vor drei Jahren
gab der australische Bergbaugigant Rio Tinto bekannt, dafür eine
Milliardeninvestition tätigen zu wollen. Nach Schätzung des
Unternehmens kann das geplante Bergwerk jährlich 58.000 Tonnen
Lithium produzieren. Das würde serbischen Medienberichten zufolge den
Bedarf von 1,1 Millionen Elektro-Fahrzeugen decken, was etwa 17
Prozent der europäischen Produktion entspreche. Die Autohersteller
Mercedes-Benz und Stellantis verhandeln mit Rio Tinto bereits über
eine Beteiligung.

Umweltschützer sorgen sich um Trinkwasserversorgung

Das Projekt ist aber hochumstritten. Umweltschützer kritisieren unter
anderem, dass Lithium-Bergbau das Grundwasser mit Schwermetallen
verunreinige und daher eine Gefahr für die Trinkwasserversorgung der
Anwohner darstelle. Ein Vertreter der Umweltorganisation Ökologischer
Aufstand, Aleksandar Jovanovic Cuta, nannte das Abkommen ein
«Todesurteil zur Beendigung des Lebens» in der Abbauregion. «Das ist

es, was Aleksandar Vucic tut.» Umweltschützer wollten während der
Zeremonie eigentlich vor dem Präsidentenpalast demonstrieren, der
aber weiträumig abgesperrt wurde.

Serbische Opposition wirft Westen Anbiederung an Vucic vor

Es gibt auch rechtsstaatliche Bedenken gegen das Projekt. Die
serbische Regierung hatte den Weg für die Unterzeichnung erst vor
wenigen Tagen freigemacht. Sie berief sich auf ein kurz vorher
ergangenes Urteil des Verfassungsgerichts, das einen Stopp des
Lithium-Projekts im Jahr 2022 rückgängig machte. Die Unabhängigkeit
des Gerichts wird von den Kritikern des Projekts aber bezweifelt.

Die Pläne für den Lithium-Abbau hatten in Serbien zwischenzeitlich zu
Massenprotesten geführt. Für die serbische Opposition sind sie eins
der wichtigsten Themen. Diese wirft dem Westen vor, sich wegen der
Rohstoff-Partnerschaft Vucic anzubiedern. Dem serbischen Präsidenten
werden Abbau der Demokratie und des Rechtsstaats sowie ein enger
Draht zu Russland vorgeworfen.