Brisanter Vorstoß: EU-Länder werben für Kontakte zu Syrien

22.07.2024 19:47

Mit dem Syrien von Staatschef Baschar al-Assad wollte in der EU
jahrelang niemand etwas zu tun haben. Die anhaltende
Flüchtlingsproblematik führt nun jedoch zu einem Umdenken - zumindest
bei einigen.

Brüssel (dpa) - Angesichts des anhaltenden Zustroms von Flüchtlingen
aus Syrien wirbt eine Gruppe von EU-Staaten für engere Kontakte zur
Regierung unter Staatschef Baschar al-Assad. Konkret schlägt das
Bündnis mit Ländern wie Italien und Österreich unter anderem die
Ernennung eines Syrien-Beauftragten vor. Dieser könnte die
diplomatischen Beziehungen zu allen syrischen Parteien stärken, heißt
es in einem Diskussionspapier, das bei einem EU-Außenministertreffen
in Brüssel vorgestellt wurde.

Neben Italien und Österreich stehen Kroatien, Tschechien, Zypern,
Griechenland, Slowenien und die Slowakei dahinter. Deutschland hat
sich nicht angeschlossen. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell
äußerte sich nach der Vorstellung des Papiers zurückhaltend. Er
schloss pragmatisches Handeln zugunsten des syrischen Volkes nicht
aus, erinnerte aber daran, dass das syrische Regime enge Verbindung
zu Russland und dem Iran unterhalte.

In dem Papier heißt es unter anderem, die anhaltende humanitäre Krise
in dem Bürgerkriegsland verschärfe die Migrationsströme nach Europa.

Die EU müsse dazu beitragen, menschenwürdige Lebensbedingungen in
Syrien zu schaffen, um eine freiwillige und sichere Rückkehr von
Flüchtlingen zu gewährleisten. Das zehn Punkte umfassende Papier soll
ein Vorschlag für «realistische, proaktive und wirksame europäische
Syrienpolitik» sein.

Perspektiven für rückkehrwillige Syrer?

Zu in der Vergangenheit verhängten EU-Sanktionen schreiben die
Autoren, diese hätten nicht den erwünschten Erfolg gebracht und sich
eher negativ auf die breite Bevölkerung als auf die
Entscheidungsträger ausgewirkt. Aus ihrer Sicht könnte unter anderem
eine Unterstützung der privaten Wirtschaft neue Arbeitsplätze und
Perspektiven für Menschen schaffen, die nach in Syrien zurückkehren
wollen.

In den vergangenen Monaten kamen vor allem syrische Flüchtlinge
verstärkt auf Zypern und damit in der EU an. Mit oft kaum
fahrtauglichen Booten setzten die Menschen vom Libanon aus nach
Zypern über, manche kamen dabei ums Leben. Bereits im Mai hatten
Zypern und sieben weitere EU-Staaten bei einer Migrationskonferenz
eine Neubewertung der Situation in Syrien gefordert. Nicht alle
Regionen dort seien Kriegsregionen, es gebe auch sichere Gegenden, in
die Geflüchtete zurückkehren könnten, hieß es. 

Nach der Zusage von EU-Finanzhilfen in Höhe von einer Milliarde Euro
an den Libanon gingen die Neuankünfte von Syrern auf Zypern zunächst
zurück. In Deutschland gilt für Syrien aufgrund der Situation im Land
seit Jahren ein Abschiebestopp.

Menschen im Land hungern

Der Bürgerkrieg in Syrien hatte im Frühjahr 2011 mit Protesten gegen
die Regierung von Staatschef Baschar al-Assad begonnen. Die Regierung
ging mit Gewalt dagegen vor. Es entwickelte sich ein Bürgerkrieg mit
internationaler Beteiligung. Das Land versank in Chaos und Elend. 

Eine politische Lösung des Konflikts ist auch viele Jahre später noch
immer nicht in Sicht. Nach früheren Schätzungen der Vereinten
Nationen werden in dem Land in diesem Jahr 12,9 Millionen Menschen
Hunger leiden. Jedes dritte Schulkind ging zuletzt ohne Frühstück zur
Schule und acht von neun Schulkindern konnten ihren
Mindesternährungsbedarf nicht decken.

International erzielte Assad zuletzt wieder Achtungserfolge. So
gelang es ihm, dass die Arabische Liga die im Zuge des Bürgerkriegs
beschlossene Suspendierung seines Landes im vergangenen Jahr wieder
aufhob.