Rechtsstaats-TÜV: EU mahnt strengere Berliner Lobbyregeln an

24.07.2024 14:33

Die EU-Kommission hat geprüft, wie es um die Rechtsstaatlichkeit in
den 27 EU-Staaten bestellt ist. Auch Deutschland bekommt nun
Ratschläge. Großes Sorgenkind ist aber ein anderes Land.

Brüssel (dpa) - Die Menschen in Deutschland sind nach einem neuen
Rechtsstaats-Check der Europäischen Kommission gut vor willkürlicher
Machtausübung der Regierung geschützt. Gleichzeitig sieht die Behörde

aber weiter Verbesserungspotenzial in Bereichen wie Lobbykontrolle
und Medienrechten. Konkret empfiehlt sie, den Zeitraum zu verlängern,
in dem Bundesminister und parlamentarische Staatssekretäre nach dem
Ausscheiden aus dem Amt nicht in die Lobbyabteilungen von Unternehmen
oder Verbänden wechseln dürfen. Zudem wird etwa angemahnt, mit einem
Plan für ein Informationsrecht der Presse gegenüber Bundesbehörden
voranzukommen.

Als Risiko sieht die EU-Kommission darüber hinaus die aktuelle
Bezahlung von Richtern und Staatsanwälten in Deutschland. Es sollten
Maßnahmen ergriffen werden, um ein angemessenes Vergütungsniveau
sicherzustellen, heißt es in dem Bericht.

Schelte für Ungarn

Echte Sorgen bereitet der EU-Kommission nach wie vor die Lage der
Rechtsstaatlichkeit in Ungarn. Dort gibt es nach der Analyse in
wichtigen Bereichen weiter große Defizite. Angemahnt werden
beispielsweise mehr Transparenz im Justizsystem, mehr redaktionelle
Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Medien sowie eine Aufhebung
von Gesetzen, die die Arbeitsfähigkeit von zivilgesellschaftlichen
Organisationen beeinträchtigen.

Für die Regierung des rechtspopulistischen Ministerpräsidenten Viktor
Orban ist der Bericht vor allem deswegen problematisch, weil wegen
Defiziten bei der Rechtsstaatlichkeit weiter EU-Fördergelder in
Milliardenhöhe eingefroren sind. Im vergangenen Jahr wurde nach
einigen Justizreformen lediglich eine Teilsumme freigegeben.

Mahnung an Meloni

Schlecht schneidet in den jüngsten Analysen der EU-Kommission zudem
die Slowakei ab, die derzeit von dem Linkspopulisten Robert Fico
regiert wird. Dort werden Probleme bei der Unabhängigkeit der Justiz,
der Korruptionsbekämpfung und Medienfreiheit gesehen. 

Die italienische Rechts-Regierung von Ministerpräsidentin Giorgia
Meloni wird ermahnt, bei ihrer geplanten Justizreform darauf zu
achten, dass die Unabhängigkeit des Gerichtswesens nicht
eingeschränkt wird. 

Zudem werden Sorgen aufgegriffen, wonach eine Verfassungsreform in
Italien, mit der das Amt des Regierungschefs gestärkt werden soll,
negative Auswirkungen auf das Macht-Gleichgewicht zwischen Italiens
politischen Institutionen haben könnte. Meloni müsste solche Pläne
wahrscheinlich durch eine Volksabstimmung billigen lassen, weil es im
Parlament offensichtlich keine ausreichende Mehrheit dafür gibt.

Grundsätzlich bewertete die Kommission die Lage im Bereich
Rechtsstaatlichkeit in der EU dennoch positiv. Die seit fünf Jahren
jährlich veröffentlichten Analysen und Empfehlungen seien «zu einer
echten Triebfeder für positive Reformen geworden», schreibt sie zur
Veröffentlichung ihres neuen Berichts. So seien rund zwei Drittel der
Empfehlungen aus dem Jahr 2023 vollständig oder teilweise umgesetzt
worden. 

Zugleich rief die zuständige Kommissionsvizepräsidentin Vera Jourova
auf, noch mehr zu tun. «Rechtsstaatlichkeit hält unsere Demokratien
zusammen und schützt unsere Rechte», sagte sie. «Ohne
Rechtsstaatlichkeit würden unsere Demokratien und Volkswirtschaften
im Chaos versinken.»