EU gibt Erlöse aus Russland-Vermögen für Ukraine frei Von Ansgar Haase, dpa

26.07.2024 14:10

Um neue Waffen- und Munitionslieferungen für die Ukraine zu
finanzieren, hat die EU einen brisanten Plan geschmiedet. Nun fließt
erstmals Geld. Russland kündigt eine Reaktion an.

Brüssel (dpa) - Die EU beginnt ungeachtet von Enteignungsvorwürfen
aus Moskau mit der Nutzung von Zinserträgen aus eingefrorenem
russischen Staatsvermögen für Waffen- und Munitionslieferungen an die
Ukraine. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gab am
Freitag eine erste Überweisung in Höhe von 1,5 Milliarden Euro
bekannt. 

«Es gibt kein besseres Symbol oder keinen besseren Verwendungszweck
für das Geld des Kremls, als die Ukraine und ganz Europa zu einem
sichereren Ort zum Leben zu machen», schrieb sie im sozialen Netzwerk
X. 

Russland kündigte unterdessen an, das Vorgehen nicht hinnehmen zu
wollen. «Natürlich werden solche Schritte der Europäischen Kommission

nicht ohne Antwort bleiben», sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Es
werde allerdings keine sofortige Antwort erfolgen, sondern Russland
werde seine nächsten Schritte überdenken. Peskow hatte die EU-Pläne
bereits im Mai als «Enteignung» kritisiert. 

Eingefrorenes Geld wirft Milliardengewinne ab

Bei den 1,5 Milliarden Euro, die jetzt zur Verfügung gestellt werden,
handelt es sich um Zinserträge aus eingefrorenem Vermögen der
russischen Zentralbank in der EU. Diese für die Ukraine zu nutzen,
war bereits im Frühjahr von der EU grundsätzlich beschlossen worden.
Das Geld fließt nun an Länder wie Deutschland oder Tschechien, die
der Ukraine dann damit zeitnah Ausrüstung für die Luftverteidigung
oder Artilleriegeschosse zur Verfügung stellen.

Nach früheren Kommissionsangaben sind rund 210 Milliarden Euro der
russischen Zentralbank in der EU eingefroren, wobei der Großteil von
dem in Brüssel ansässigen Finanzinstitut Euroclear verwahrt wird.
Euroclear hatte zuletzt mitgeteilt, 2023 rund 4,4 Milliarden Euro an
Zinseinnahmen gemacht zu haben, die in Verbindung zu
Russland-Sanktionen stehen.

Direkte Nutzung russischer Gelder ist bislang nicht geplant

Die russischen Zentralbank-Gelder durch einen Enteignungsbeschluss
direkt zu nutzen, ist bislang nicht geplant. Als ein Grund dafür
gelten rechtliche Bedenken und wahrscheinliche Vergeltungsmaßnahmen.
Moskau hatte die EU bereits im vergangenen Jahr davor gewarnt, das
Eigentum des russischen Staates oder russischer Bürger zu
konfiszieren. 

Denkbar wäre es beispielsweise, dass dann auch in Russland tätige
Unternehmen aus EU-Ländern zwangsenteignet werden. Zudem könnte eine
direkte Nutzung der russischen Vermögenswerte auch dazu führen, dass
andere Staaten und Anleger das Vertrauen in den europäischen
Finanzplatz verlieren und Vermögen aus der EU abziehen.

Die russische Darstellung, nach der auch die Nutzung der Zinserträge
aus eingefrorenem russischen Vermögen eine «Enteignung» sei, weist
die EU zurück. Bei den verwendeten Beträgen handele es sich um
außerordentliche Einnahmen und diese gehörten Russland nicht, hieß es

am Freitag aus der Kommission unter der Leitung von der Leyens. Die
nächste Auszahlung soll im kommenden März erfolgen.

Den Vorschlag zur indirekten Verwendung russischer Gelder für die
Ukraine hatten von der Leyen und der EU-Außenbeauftragte Josep
Borrell den Regierungen der EU-Staaten im März gemacht. Er sieht vor,
dass 90 Prozent der nutzbaren Zinserträge aus der Verwahrung
russischer Zentralbank-Gelder in den EU-Fonds für die Finanzierung
militärischer Ausrüstung und Ausbildung geleitet werden. Die
restlichen zehn Prozent werden für direkte Finanzhilfen genutzt.