EU-Behörde lehnt Empfehlung von Alzheimer-Medikament ab

26.07.2024 14:51

Auf dem Alzheimer-Wirkstoff Lecanemab ruhen große Hoffnungen. Nun
lehnt die EU-Zulassungsbehörde eine Empfehlung der Therapie ab - mit
einer klaren Begründung. Fachleute sind verwundert.

Amsterdam (dpa) - Es wäre die erste zugelassene ursächliche
Alzheimer-Therapie in der EU gewesen: Überraschend hat sich die
EU-Arzneimittelbehörde EMA gegen eine Zulassung des
Alzheimer-Wirkstoffs Lecanemab ausgesprochen. Das Risiko schwerer
Nebenwirkungen des Antikörpers sei höher zu bewerten als die
erwartete positive Wirkung, teilte die EMA in Amsterdam mit. Dabei
verwies die Behörde insbesondere auf mögliche Wassereinlagerungen und
Blutungen im Gehirn von Menschen, die mit dem Präparat behandelt
werden. 

«Die Entscheidung hat mich überrascht», sagte der Neurologe Wenzel
Glanz, leitender Arzt der Gedächtnissprechstunde der Uniklinik
Magdeburg, der Deutschen-Presse Agentur. «Wir hatten uns schon auf
die Infusionstherapien eingestellt.» Die Deutsche Gesellschaft für
Neurologie (DGN) kritisierte die Entscheidung: «Damit beschreitet
Europa nicht nur einen Sonderweg, sondern befördert auch eine
Zweiklassenmedizin», teilte sie in einer Erklärung mit. «Wer es sich

leisten kann, wird das Medikament über die internationale Apotheke
beziehen und sich in Deutschland verabreichen lassen.»

Die Therapie bremst Krankheitsverlauf in frühem Stadium

Lecanemab - Handelsname Leqembi - steht in den USA schon seit Anfang
2023 zur Verfügung, um die Alzheimer-Krankheit im Frühstadium zu
behandeln. Die Therapie bessert zwar nicht die Symptome, kann den
Krankheitsverlauf aber in diesem Stadium abbremsen, Studien zufolge
um etwa 30 Prozent. Infrage käme der Antikörper somit nur für einen
sehr begrenzten Kreis von Alzheimer-Patienten, nach Einschätzung von
Experten für weniger als zehn Prozent. In Deutschland sind
Schätzungen zufolge etwa eine Million Menschen von der Krankheit
betroffen. 

Zu den Nebenwirkungen zählen Mikroblutungen und Ödeme im Gehirn.
Daher muss eine Therapie regelmäßig mit Untersuchungen per Kernspin
(MRT) kontrolliert werden. Der zuständige Ausschuss der EMA entschied
nach Mitteilung der Behörde, «dass der beobachtete Effekt des
Präparats beim Abbremsen des kognitiven Verfalls das Risiko von
ernsthaften Nebenwirkungen (...) nicht aufwiegt».

Der Magdeburger Experte Glanz kann diese Entscheidung «bedingt
nachvollziehen». «Ödeme und Blutungen gibt es bei etwa 30 Prozent der

Behandelten», sagte er der dpa. «Daher erfordert die Therapie ein
konstantes Monitoring, zum Beispiel durch regelmäßige
MRT-Untersuchungen.»

Die Empfehlung der Behörde ist notwendig für die Zulassung von
Medikamenten in der EU. Das Unternehmen Eisai, das den Antrag auf
Zulassung für die EU gestellt hatte, darf nach Angaben der Behörde
innerhalb von 15 Tagen eine erneute Prüfung beantragen.