Neues KI-Gesetz der EU tritt in Kraft - Was ändert sich? Von Philip Dulian und Stella Venohr, dpa
31.07.2024 15:47
Erstmals werden einheitliche Regeln für den Einsatz von Künstlicher
Intelligenz in der EU gelten. Bis das Gesetz vollständig in allen
Staaten umgesetzt ist, dauert es allerdings noch etwas.
Brüssel (dpa) - Das Gesetz über Künstliche Intelligenz (KI) der EU
tritt am Donnerstag in Kraft. Die Mitgliedsstaaten haben dann zwei
Jahre Zeit, die Vorgaben in nationales Recht umzusetzen. Mit dem
Gesetz wird KI in der Europäischen Union schärfer und einheitlich
reguliert. Grundrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sollen
damit besser im Umgang mit der Technologie geschützt werden. Was das
Gesetz genau bedeutet:
Was ist Künstliche Intelligenz überhaupt?
Künstliche Intelligenz bezeichnet meist Anwendungen auf Basis
maschinellen Lernens, bei denen eine Software große Datenmengen nach
Übereinstimmungen durchforstet und daraus Schlussfolgerungen zieht.
Damit können menschliche Fähigkeiten wie logisches Denken, Lernen,
Planen und Kreativität imitiert werden. Damit können Maschinen
beispielsweise ihre Umwelt wahrnehmen und auf sie reagieren.
KI wird schon jetzt in vielen Bereichen eingesetzt. Zum Beispiel
können solche Programme Aufnahmen von Computertomografen schneller
und mit einer höheren Genauigkeit als Menschen auswerten.
Selbstfahrende Autos wiederum versuchen, das Verhalten anderer
Verkehrsteilnehmer vorherzusagen. Und Chatbots oder automatische
Playlists von Streaming-Diensten arbeiten ebenfalls mit KI.
Warum braucht es ein solches Gesetz in der EU?
Das Gesetz zielt darauf ab, die Nutzung von KI in der Europäischen
Union sicherer zu machen. Es soll sicherstellen, dass KI-Systeme
möglichst transparent, nachvollziehbar, nicht diskriminierend und
umweltfreundlich sind. Ein wichtiger Aspekt ist, dass die KI-Systeme
von Menschen überwacht werden und nicht nur von anderen
Technologien.
Welche Regeln beinhaltet das Gesetz?
Die Regelungen sehen vor, KI-Anwendungen in verschiedene
Risikogruppen einzustufen. Systeme, die als besonders risikoreich
gelten und beispielsweise in kritischen Infrastrukturen oder im
Bildungs- und Gesundheitswesen eingesetzt werden, müssen strenge
Anforderungen erfüllen. Anwendungen mit einem geringeren Risiko
unterliegen weniger Verpflichtungen.
KI-Anwendungen, die gegen EU-Werte verstoßen, werden zudem ganz
verboten. Dazu gehört etwa die Bewertung von sozialem Verhalten
(«Social Scoring»). Damit werden in China Bürgerinnen und Bürger in
Verhaltenskategorien eingeteilt.
Was bedeutet es für Verbraucher?
Verbraucher sollen mit dem Gesetz besser vor risikohaften
KI-Anwendungen geschützt werden. So wird Gesichtserkennung im
öffentlichen Raum - etwa durch Videoüberwachung an öffentlichen
Plätzen - grundsätzlich nicht erlaubt sein. Auch eine
Emotionserkennung am Arbeitsplatz und in Bildungseinrichtungen wird
es mit dem Gesetz in der EU nicht geben.
Außerdem müssen KI-Anwendungen transparenter gekennzeichnet werden.
Verbraucher sollen so leichter erkennen, bei welchen Programmen
Künstliche Intelligenz verwendet wird. Privatpersonen, die Verstöße
gegen die Vorschriften entdecken, können sich bei nationalen Behörden
beschweren.
Was ändert sich denn konkret ab dem 1. August?
Erstmal gar nicht so viel. Das KI-Gesetz soll nämlich schrittweise
greifen. Einige Regelungen müssen dann zeitnah von den
Mitgliedstaaten umgesetzt werden - wie das Verbot von KI-Systemen,
die «unannehmbare Risiken» darstellen. Das sind Systeme, die als
Bedrohung für Menschen eingestuft sind. Deren Verbot gilt schon nach
einem halben Jahr.
Ein Verhaltenskodex für Anbieter von KI-Modellen soll bis April
nächsten Jahres fertiggestellt werden, wie die EU-Kommission vor
Inkrafttreten des Gesetzes mitteilte.
Nach zwei Jahren müssen dann größtenteils alle Punkte des Gesetzes
vollständig umgesetzt sein. Hochriskante Systeme werden hingegen mehr
Zeit haben, um die Anforderungen zu erfüllen. Die sie betreffenden
Verpflichtungen gelten nach drei Jahren.
Was passiert, wenn sich jemand nicht an die Regeln hält?
Bei Verstößen drohen empfindliche Strafen: Beim Einsatz von
verbotener Technologie etwa bis zu 35 Millionen Euro oder - im Falle
von Unternehmen - bis zu sieben Prozent des weltweiten Jahresumsatzes
des vorangegangenen Geschäftsjahres. Das genaue Strafmaß muss in
diesem Rahmen aber von den Ländern festgelegt werden, wie die
Kommission mitteilte.
Bei anderen Verstößen gegen das Gesetz können Strafen von bis zu 15
Millionen Euro oder - im Falle von Unternehmen - bis zu drei Prozent
des weltweiten Jahresumsatzes des vorangegangenen Geschäftsjahres
fällig werden.
Gibt es Kritik am Gesetz?
Experten diskutierten zuletzt immer wieder, ob KI durch das Gesetz
einen Schub erhält oder die Entwicklung vielleicht sogar ausgebremst
wird. Das ist auch abhängig davon, wie die Regelungen in den Ländern
letztlich umgesetzt werden.
Außerdem könnten viele Vorgaben angesichts der schnellen technischen
Entwicklung von KI-Anwendungen und der schrittweisen Umsetzung der
Regelungen schon bald wieder veraltet sein. Die Kommission teilte
mit, sie werde jährlich eine Prüfung vornehmen, ob die Liste der
«hochriskanten» Anwendungen überarbeitet oder erweitert werden müss
e.