Neues KI-Gesetz der EU in Kraft - Was ändert sich? Von Philip Dulian und Stella Venohr, dpa
01.08.2024 11:43
Erstmals gelten einheitliche Regeln für den Einsatz von Künstlicher
Intelligenz in der EU. Bis das Gesetz vollständig in allen Staaten
umgesetzt ist, dauert es allerdings noch etwas.
Brüssel (dpa) - Das Gesetz über Künstliche Intelligenz (KI) der EU
ist in Kraft getreten. Die Mitgliedsstaaten haben nun zwei Jahre
Zeit, die Vorgaben in nationales Recht umzusetzen. Mit dem Gesetz
wird KI in der Europäischen Union schärfer und einheitlich reguliert.
Grundrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sollen damit besser
im Umgang mit der Technologie geschützt werden. Was das Gesetz genau
bedeutet:
Was ist Künstliche Intelligenz überhaupt?
Künstliche Intelligenz bezeichnet meist Anwendungen auf Basis
maschinellen Lernens, bei denen eine Software große Datenmengen nach
Übereinstimmungen durchforstet und daraus Schlussfolgerungen zieht.
Damit können menschliche Fähigkeiten wie logisches Denken, Lernen,
Planen und Kreativität imitiert werden. Damit können Maschinen
beispielsweise ihre Umwelt wahrnehmen und auf sie reagieren.
KI wird schon jetzt in vielen Bereichen eingesetzt. Zum Beispiel
können solche Programme Aufnahmen von Computertomografen schneller
und mit einer höheren Genauigkeit als Menschen auswerten.
Selbstfahrende Autos wiederum versuchen, das Verhalten anderer
Verkehrsteilnehmer vorherzusagen. Und Chatbots oder automatische
Playlists von Streaming-Diensten arbeiten ebenfalls mit KI.
Warum braucht es ein solches Gesetz in der EU?
Das Gesetz zielt darauf ab, die Nutzung von KI in der Europäischen
Union sicherer zu machen. Es soll sicherstellen, dass KI-Systeme
möglichst transparent, nachvollziehbar, nicht diskriminierend und
umweltfreundlich sind. Ein wichtiger Aspekt ist, dass die KI-Systeme
von Menschen überwacht werden und nicht nur von anderen
Technologien.
Welche Regeln beinhaltet das Gesetz?
Die Regelungen sehen vor, KI-Anwendungen in verschiedene
Risikogruppen einzustufen. Systeme, die als besonders risikoreich
gelten und beispielsweise in kritischen Infrastrukturen oder im
Bildungs- und Gesundheitswesen eingesetzt werden, müssen strenge
Anforderungen erfüllen. Anwendungen mit einem geringeren Risiko
unterliegen weniger Verpflichtungen.
KI-Anwendungen, die gegen EU-Werte verstoßen, sind zudem ganz
verboten. Dazu gehört etwa die Bewertung von sozialem Verhalten
(«Social Scoring»). Damit werden in China Bürgerinnen und Bürger in
Verhaltenskategorien eingeteilt.
Was bedeutet es für Verbraucher?
Das Gesetz soll Verbraucher besser vor risikohaften KI-Anwendungen
schützen. Gesichtserkennung im öffentlichen Raum - etwa durch
Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen - ist grundsätzlich nicht
erlaubt. Auch eine Emotionserkennung am Arbeitsplatz und in
Bildungseinrichtungen ist mit dem Gesetz in der EU verboten.
Außerdem müssen KI-Anwendungen transparenter gekennzeichnet sein.
Verbraucher sollen so leichter erkennen, bei welchen Programmen
Künstliche Intelligenz verwendet wird. Privatpersonen, die Verstöße
gegen die Vorschriften entdecken, können sich bei nationalen Behörden
beschweren.
Was ändert sich denn konkret ab dem 1. August?
Erstmal gar nicht so viel. Das KI-Gesetz soll nämlich schrittweise
greifen. Einige Regelungen müssen dann zeitnah von den
Mitgliedstaaten umgesetzt werden - wie das Verbot von KI-Systemen,
die «unannehmbare Risiken» darstellen. Das sind Systeme, die als
Bedrohung für Menschen eingestuft sind. Deren Verbot gilt schon nach
einem halben Jahr.
Ein Verhaltenskodex für Anbieter von KI-Modellen soll bis April
nächsten Jahres fertiggestellt werden, wie die EU-Kommission vor
Inkrafttreten des Gesetzes mitteilte.
Nach zwei Jahren müssen dann größtenteils alle Punkte des Gesetzes
vollständig umgesetzt sein. Hochriskante Systeme werden hingegen mehr
Zeit haben, um die Anforderungen zu erfüllen. Die sie betreffenden
Verpflichtungen gelten nach drei Jahren.
Was passiert, wenn sich jemand nicht an die Regeln hält?
Bei Verstößen drohen empfindliche Strafen: Beim Einsatz von
verbotener Technologie etwa bis zu 35 Millionen Euro oder - im Falle
von Unternehmen - bis zu sieben Prozent des weltweiten Jahresumsatzes
des vorangegangenen Geschäftsjahres. Das genaue Strafmaß muss in
diesem Rahmen aber von den Ländern festgelegt werden, wie die
Kommission mitteilte.
Bei anderen Verstößen gegen das Gesetz können Strafen von bis zu 15
Millionen Euro oder - im Falle von Unternehmen - bis zu drei Prozent
des weltweiten Jahresumsatzes des vorangegangenen Geschäftsjahres
fällig werden.
Gibt es Kritik am Gesetz?
Experten diskutierten zuletzt immer wieder, ob KI durch das Gesetz
einen Schub erhält oder die Entwicklung vielleicht sogar ausgebremst
wird. Das liegt am Ende wohl auch an der jeweiligen nationalen
Umsetzung. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Tobias Bacherle mahnte,
nun eine Regelung für KI-gestützte biometrische Überwachung in
Deutschland zu finden. In den falschen Händen könnte sie leicht zur
Aushebelung von Freiheitsrechten missbraucht werden, sagte er.
Bundesdigitalminister Volker Wissing gehen die Vorgaben des
EU-Gesetzes teilweise zu weit. «Ich hätte mir eine
innovationsfreundlichere Regulierung gewünscht», sagte der
FDP-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. «Aber am Ende muss es
eben ein Kompromiss sein, der ist besser als keine Regulierung.» Nun
gehe es in Deutschland um eine möglichst «bürokratiearme» Umsetzung
.
Darüber hinaus wurde früher bemängelt, es könnten viele Vorgaben
angesichts der schnellen technischen Entwicklung von KI-Anwendungen
und der schrittweisen Umsetzung der Regelungen schon bald wieder
veraltet sein. Die Kommission teilte mit, sie werde jährlich eine
Prüfung vornehmen, ob die Liste der «hochriskanten» Anwendungen
überarbeitet oder erweitert werden müsse.