Zehntausende protestieren gegen Lithium-Bergwerk in Serbien

11.08.2024 15:10

Serbien will mit Rückenwind aus Berlin und Brüssel Lithium fördern.
Nach Ansicht von Kritikern ist dies umweltschädigend. Die
Elektro-Industrie braucht jedoch den Rohstoff.

Belgrad (dpa) - Großprotest gegen umweltgefährdenden Bergbau:
Zehntausende Menschen haben in Belgrad gegen den geplanten Abbau von
Lithium in ihrem Land demonstriert. Sie besetzten in der Nacht zu
Sonntag zwei Bahnhöfe der serbischen Hauptstadt. Die Polizei nahm
insgesamt 19 Demonstrierende fest. 

Die Beamten schritten erst am Morgen gegen die Schienenbesetzer ein
und räumte die Bahnhöfe. Dort hielten sich zu dem Zeitpunkt noch
kleinere Gruppen von Blockierern auf. Staatspräsident Aleksandar
Vucic verurteilte die Bahnhofsblockaden, signalisierte aber
Gesprächsbereitschaft sowie ein mögliches Referendum über das
Lithium-Projekt.

Lithium-Deal Serbiens mit Brüssel

Serbiens Regierung hatte im Beisein von Bundeskanzler Olaf Scholz
(SPD) am 19. Juli in Belgrad mit EU-Kommissionsvize Maros Sefcovic
eine Absichtserklärung unterschrieben, die eine umweltverträgliche
Förderung des weltweit extrem begehrten Leichtmetalls im Jadar-Tal
ermöglichen soll.

Im westserbischen Jadar-Tal liegt Europas größtes Lithium-Vorkommen.
Der Rohstoff ist wichtig für die Herstellung von Elektro-Autos. Im
Juli dieses Jahres hatte Belgrad für die Lithium-Förderung grünes
Licht gegeben. Zwei Jahre zuvor hatte die Regierung diese auf Druck
von Umweltschützern, die die Lithium-Förderung für höchst schädig
end
für Mensch und Natur halten, vorläufig gestoppt.

Staatspräsident Serbiens will mit dem Volk reden

Vucic erklärte, die Besetzung der Bahnhöfe sei «kein Beitrag zur
Demokratie». Er wolle mit den Anwohnern der geplanten Mine sprechen.
«Ich verstehe einfach nicht, warum die Menschen in diesem Land die
Wirtschaft Serbiens zerstören wollten», sagte er in einer
Fernsehansprache. «Denken die Menschen in Serbien wirklich, dass ich
dumm und verrückt bin, dass ich etwas gegen mein Land und mein Volk
tun werde?» Er schloss nicht aus, dass es zu dem Thema ein Referendum
geben könnte, entweder nur in der betroffenen Region oder in ganz
Serbien.

Nach Angaben von Innenminister Ivica Dacic seien in der Protestnacht
14 Personen wegen Verdachts auf Straftaten festgenommen worden, drei
weitere wegen Ordnungswidrigkeiten sowie zwei Ausländer wegen ihrer
Anwesenheit bei der Demonstration in der Nähe wichtiger staatlicher
Institutionen. Die Polizei habe die Zahl der Demonstrierenden auf
24.000 bis 27.000 geschätzt. Regierungsunabhängige Beobachter
sprachen von rund 40.000 Protestlern. 

Bereits in den vergangenen Tagen hatten zahlreiche Menschen in mehr
als 40 serbischen Städten gegen das Lithium-Projekt demonstriert. Die
Organisatoren kündigten weitere Verkehrsblockaden in der kommenden
Woche an, ohne Details zu nennen. 

Westen will Lithium-Abhängigkeit von China reduzieren

Deutschland und die EU wollen mit dem Lithium-Abbau in Serbien vor
allem die Abhängigkeit von China reduzieren. China kontrolliert einen
großen Teil des Abbaus und der Verarbeitung von Lithium weltweit.
Serbien ist offiziell EU-Beitrittskandidat. Zugleich pflegen Serbiens
Präsident Vucic und andere Regierungspolitiker enge Beziehungen zu
Russland.

Umweltschützer kritisieren unter anderem, dass Lithium-Bergbau das
Grundwasser mit Schwermetallen verunreinige und daher eine Gefahr für
die Trinkwasserversorgung der Anwohner darstelle. «Ist es
Patriotismus, einem multinationalen Unternehmen zu helfen, oder ist
wahrer Patriotismus der Kampf für saubere Luft, sauberes Land und
Wasser, der uns alle in Serbien ernährt?», sagte die Schauspielerin
Jelena Stupljanin bei der Protestkundgebung in Belgrad. Interessiert
an dem Lithium-Projekt in Serbien ist seit Jahren der australische
Bergbaugigant Rio Tinto.