Höchste Alarmstufe wegen Mpox - was bedeutet das? Von Annett Stein, dpa
16.08.2024 13:52
Die WHO ruft wegen Mpox erneut die höchste Alarmstufe aus. Grund ist
eine neue, wahrscheinlich gefährlichere Variante. Das Risiko für
Ansteckungen in Europa ist derzeit aber noch sehr gering.
Berlin (dpa) - Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat wegen der
zunehmenden Verbreitung einer bestimmten Mpox-Virusvariante in Afrika
eine «Gesundheitliche Notlage internationaler Reichweite» (PHEIC)
erklärt. Diese höchste Alarmstufe hatte sie zeitweise auch wegen der
Sars-CoV-2-Pandemie ausgerufen.
Droht eine ähnliche Entwicklung wie anfangs bei Corona?
Nein. Der Übertragungsweg beider Viren unterscheidet sich erheblich -
und damit auch ihr Ansteckungspotenzial. Sars-Cov-2 wird
hauptsächlich über winzige Tröpfchen in der Luft, also die Atemwege
übertragen. Bei Mpox hingegen ist Haut-zu-Haut-Kontakt der
hauptsächliche Übertragungsweg.
Dabei geht es vorwiegend um engen Haut-zu-Haut-Kontakt beim Sex oder
beim engen Umarmen, Massieren und Küssen, wie das
Robert Koch-Institut (RKI) erläutert. Ansteckungsgefahr besteht vor
allem bei Infizierten mit Ausschlag, Wunden oder Schorf.
Allerdings ist Corona nur über einen recht kurzen Zeitraum
übertragbar - Menschen mit Mpox hingegen sind erst dann nicht mehr
ansteckend, wenn alle Wunden abgeheilt sind und sich eine neue
Hautschicht gebildet hat. Das kann laut RKI mehrere Wochen dauern.
Eine Mpox-Übertragung ist - seltener - auch über Sexspielzeug,
Bettwäsche und Handtücher oder eine von einem Infizierten berührte
Oberfläche möglich. In unmittelbarer Nähe eines Erkrankten kann auch
eine Übertragung über Tröpfchen möglich sein, wie es beim RKI hei
ßt.
Wie sieht es mit Impfstoffen aus?
Eine Schutzimpfung ist verfügbar. Sie reduziert das Risiko eines
Krankheitsausbruchs und mildert den Krankheitsverlauf ab. In Afrika
und anderen Ländern des globalen Südens hakt es aber mit der
Versorgung mit solchen Impfstoffen.
Die deutsche Impfkommission Stiko empfiehlt die Verwendung derzeit
nur bestimmten Risikogruppen.
Zu neuen Impfstoffkandidaten laufen Studien etwa beim Unternehmen
Biontech. Die aktuell zugelassenen Impfstoffe wurden ursprünglich zum
Schutz gegen Menschenpocken entwickelt.
Sind Mpox und Affenpocken dasselbe?
Ja. Mpox ist die Kurzform des englischen Wortes Monkeypox für
Affenpocken. Das Virus war einst erstmals bei Affen beschrieben
worden, daher der Name.
Die WHO hat den neuen Namen festgelegt, weil die Bezeichnung
Monkeypox als rassistisch und stigmatisierend wahrgenommen werden
könnte und verschiedene Stellen gebeten hätten, die Erkrankung
umzubenennen.
Generell benennt die WHO inzwischen Krankheiten weder nach Tieren
noch Ländern, in denen sie entdeckt werden, um Diskriminierungen
vorzubeugen.
Woher stammt der Erreger?
Das Mpox-Virus (MPXV) ist verwandt mit den klassischen Pockenviren
(Variola-Virus) und den Kuhpockenviren. Es hat verschiedene Nagetiere
in West- und Zentralafrika als natürliche Wirte. Affen und auch
Menschen sind eigentlich sogenannte Fehlwirte, an die die Erreger
weniger gut angepasst sind.
Das Virus weist zwei genetische Kladen (I und II) auf. Das
internationale Mpox-Geschehen seit Mai 2022 geht auf Klade IIb
zurück. Ansteckungen mit dem Virus der Klade I hingegen wurden
bislang ausschließlich in West- und Zentralafrika beobachtet.
In diesem Jahr wurden bisher mehr als 14.000 Mpox-Verdachtsfälle und
mehr als 500 Todesfälle aus der Demokratischen Republik Kongo und
anderen Ländern Afrikas gemeldet - mehr als im gesamten vergangenen
Jahr.
Experten zufolge ist das womöglich nur die Spitze des Eisbergs, weil
nicht genügend getestet werde und nicht alle Infizierten zu Ärzten
gingen.
Wie ist die Lage in Deutschland?
Nach Angaben des RKI gibt es bislang keine bekannten Fälle der Klade
I in Deutschland. Aktuell sei nicht von einer erhöhten Gefährdung
durch Klade-I-Viren in Deutschland auszugehen, hieß es. Das RKI
beobachte die Situation aber sehr genau und werde seine Empfehlungen
bei Bedarf anpassen.
Von der Klade IIb wurden vom RKI bereits rund 3.800 Fälle bundesweit
erfasst, der Großteil davon (rund 3.700) von Frühsommer bis Herbst
2022. Seit Sommer 2023 würden kontinuierlich Fallzahlen auf niedrigem
Niveau - im ein- bis niedrigen zweistelligen Bereich pro Monat -
gemeldet.
Todesfälle wurden demnach in Deutschland noch nicht registriert.
Wie sieht es weltweit aus?
In Schweden gab es nach dortigen Regierungsangaben gerade den ersten
bestätigten Mpox-Fall der Klade Ib außerhalb des afrikanischen
Kontinents. Die betroffene Person habe sich zuvor in Afrika
aufgehalten.
Die Entwicklung werde weiter aufmerksam verfolgt, besondere
Infektionsschutzmaßnahmen für die Allgemeinheit seien zunächst nicht
nötig, hieß es.
Die europäische Gesundheitsbehörde ECDC rechnet mit weiteren
eingetragen Fällen. Die Wahrscheinlichkeit einer anhaltenden
Übertragung in Europa sei hingegen sehr gering, insofern importierte
Fälle schnell diagnostiziert und Kontrollmaßnahmen umgesetzt würden.
Was sind die Symptome?
Im Gegensatz zu den seit 1980 als ausgerottet erklärten
Menschenpocken verlaufen Mpox-Infektionen beim Menschen nach
RKI-Angaben in der Regel deutlich milder und heilen von alleine ab.
Insbesondere bei Kindern und Menschen mit geschwächtem Immunsystem
können aber auch schwere Verläufe und - selten - Todesfälle
auftreten.
Zu den Symptomen zählen Pickel, Blasen, Ausschlag oder eine Art
Wunden im Genital- oder Analbereich sowie an anderen Stellen wie
Händen, Füßen, Brust, Gesicht oder im Mund, wie das RKI erklärt. Di
e
Hautveränderungen können demnach sehr schmerzhaft sein. Hinzu kommen
häufig allgemeine Krankheitssymptome wie Fieber, Kopf-, Muskel- und
Rückenschmerzen, Frösteln oder Abgeschlagenheit.
Die Symptome treten meist 4 bis 21 Tage nach Kontakt mit Erkrankten
auf.
Die Therapie ist in erster Linie darauf ausgelegt, Symptome zu
lindern.
Gab es nicht schon eine «Gesundheitliche Notlage» wegen Mpox?
Ja. Die WHO hatte im Juli 2022 bereits einmal eine Notlage wegen Mpox
ausgerufen. Es hatte Klade-IIb-Fälle in dutzenden Ländern gegeben,
auch in Deutschland. Die Notlage wurde im Mai 2023 aufgehoben, weil
die Ausbrüche in den meisten Ländern - auch dank Impfungen - unter
Kontrolle gebracht wurden.
Bei der nun Sorgen bereitenden zentralafrikanischen Virusvariante
(Klade I) treten offenbar häufiger schwerere Krankheitsverläufe auf
als bei der westafrikanischen Virusvariante (Klade IIb). Gesicherte
Angaben dazu gibt die Datenlage derzeit allerdings noch nicht her.
Zudem wurde 2023 im Osten der Demokratischen Republik Kongo vermehrt
die Klade Ib nachgewiesen, die nach WHO-Einschätzung auf eine weitere
Anpassung des Virus an den Menschen hindeutet.
Was bewirkt die höchste Alarmstufe?
Konkrete Folgen gibt es nicht. Die WHO will mit dem Schritt Behörden
in aller Welt zu erhöhter Wachsamkeit bringen. Sie hofft zudem auf
mehr finanzielle Unterstützung von Eindämmungsmaßnahmen in Afrika.
Gab es erste Reaktionen?
Die WHO erhofft sich mehr Unterstützung für die betroffenen
afrikanischen Länder etwa beim Kauf von Impfstoffen.
Chinas Reaktion war es, die Einreisekontrollen für Menschen aus
betroffenen Ländern zu verschärfen. Wer aus Staaten mit Virusfällen
einreise, mit Mpox in Berührung gekommen sei oder entsprechende
Symptome verspüre, solle sich beim Zoll melden, hieß es. Die WHO
empfiehlt keine Grenzschließungen als Reaktion auf das Virus.