Gescheiterte Abschiebung - NRW-Ministerin sieht EU-Defizite
29.08.2024 13:21
Warum scheiterte die rechtzeitige Abschiebung des Tatverdächtigen von
Solingen? In einer Sondersitzung im Düsseldorfer Landtag rechtfertigt
sich NRW-Flüchtlingsministerin Paul.
Düsseldorf (dpa) - Nordrhein-Westfalens Flüchtlingsministerin
Josefine Paul (Grüne) hat für die gescheiterte rechtzeitige
Abschiebung des Tatverdächtigen von Solingen Defizite der
EU-Vorschriften mitverantwortlich gemacht. Die mangelnde Bereitschaft
einzelner EU-Staaten zur Rücknahme sowie restriktive und komplizierte
Überstellungsmodalitäten führten dazu, dass Überstellungen aus
Deutschland in andere EU-Staaten mangelhaft liefen. Das sagte Paul in
einer gemeinsamen Sondersitzung der Ausschüsse für Inneres und
Integration im Düsseldorfer Landtag.
Bundesweit gelängen nur 10 bis 15 Prozent der sogenannten
Dublin-Überstellungen. Bundes-, Landes- und kommunale Behörden hätten
täglich mit ähnlich gelagerten Fällen zu tun. «Die Verfahrensablä
ufe
müssen auf den Prüfstand.»
Vor dem mutmaßlich islamistischen Anschlag von Solingen hätten den
Behörden keine sicherheitsrelevanten Informationen zu dem Mann
vorgelegen, so die Grünen-Politikerin. Im Fall des mutmaßlichen
Solinger Messerangreifers handele es sich um eine «Fallkonstellation,
bei der viele ungünstige Zufälle möglicherweise zusammengekommen sein
könnten», so Paul.
Zu wenig Flüge
Bei dem Anschlag hatte ein Mann am vergangenen Freitagabend auf einem
Stadtfest in Solingen drei Menschen mit einem Messer getötet und acht
weitere verletzt. Mutmaßlicher Täter ist der 26-jährige Syrer Issa Al
H., der in Untersuchungshaft sitzt. Er war Ende 2022 über Bulgarien
nach Deutschland gekommen und hätte nach den sogenannten
Dublin-Asylregeln eigentlich nach Bulgarien zurückgebracht werden
müssen.
Dies geschah jedoch nicht, weil der Mann am vorgesehenen Tag im Juni
2023 nicht angetroffen wurde. Ein neuer Flug nach Bulgarien hätte
nach Angaben Pauls wegen der begrenzten Plätze erst nach Ablauf der
sechsmonatigen Frist gebucht werden können, die für eine Überstellung
gilt.
Paul sprach auch von Versäumnissen der Landesbehörden und kündigte
neue Auflagen für zentrale Landeseinrichtungen sowie die Zentrale
Ausländerbehörden in Bezug auf abschiebepflichtige Personen an. Dass
Rücküberstellungen scheiterten, ist laut ihrer Darstellung bislang
eher Regel als Ausnahme.
Die SPD warf Ministerin Paul vor, ihrer Verantwortung nicht gerecht
zu werden und «tagelang öffentlich untergetaucht» zu sein. Paul
spreche von «dysfunktionalen Verfahren». Dabei habe sie sich
«schlichtweg zu wenig gekümmert», so die SPD-Abgeordnete Lisa
Kapteinat. «Dabei sind Sie doch der Kopf des Systems.»