Schily und Kollegen kritisieren EU wegen Russland-Sanktionen

03.09.2024 17:24

Seit über zwei Jahren verhängt die EU Sanktionen gegen Personen wegen
des russischen Angriffskriegs. Dabei gehe es nicht immer mit rechten
Dingen zu, sagen prominente Anwälte.

Brüssel (dpa) - Teile der europäischen Russland-Sanktionen sind nach
Ansicht prominenter Rechtsanwälte nicht mit rechtsstaatlichen
Grundsätzen vereinbar. Die derzeitigen Sanktionen griffen mitunter
unzulässig weit in die Grundrechte des Einzelnen ein, heißt es in dem
Brief, der unter anderem von dem ehemaligen Bundesinnenminister und
Rechtsanwalt Otto Schily und einem knappen Dutzend Kollegen
unterzeichnet wurde. 

Kritisiert wird etwa, dass Personen nicht für aktuelle Aktivitäten
bestraft würden, sondern auch für Handlungen, die Jahrzehnte
zurücklägen. Außerdem seien Sanktionierte nach erfolgreichen Klagen
nicht von den Sanktionslisten gestrichen worden. Stattdessen hätten
die Regierungen der Mitgliedsstaaten neue Kriterien für
Strafmaßnahmen aufgestellt und so «Sanktionen durch die Hintertür»

ermöglicht.

So sei nun die Familienzugehörigkeit ein möglicher Grund für
Sanktionen, obwohl das EU-Gericht etwa Strafmaßnahmen gegen die
Mutter des inzwischen verstorbenen Chefs der russischen Privatarmee
Wagner Jewgeni Prigoschin für rechtswidrig erklärt hatte. «Der Rat
hat damit eine Befugnis in das EU-Recht eingeführt, die nur als
«Sippenhaftung» bezeichnet werden kann», heißt es in dem Brief.

Die EU sollte davon absehen, «jedes Mal das Gesetz zu ändern, wenn
die Unionsgerichte nicht zu den vom Rat erwarteten Ergebnissen
führen», heißt es weiter. Eine solche Art der korrigierenden
Gesetzgebung schwäche das Rechtsschutzniveau in der Union, verstoße
gegen die Gewaltenteilung und untergrabe die Rechtsstaatlichkeit. 

Wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine erließ die
EU bislang gegen mehr als 2000 Personen und Organisationen
Sanktionen. Derzeit sind mehrere Dutzend Klagen gegen die
Strafmaßnahmen vor Gerichten anhängig. Einige Klagen waren
erfolgreich. Andere Sanktionierte wie etwa der ehemalige Besitzer des
FC Chelsea, Roman Abramowitsch, sind vor Gericht vorläufig
gescheitert.