Wissing gibt Nutzfahrzeugindustrie Rückendeckung

17.09.2024 16:04

Der Bundesverkehrsminister eröffnet in Hannover die international
wichtigste Nutzfahrzeug-Messe - und stellt Forderungen, die der
Branche gefallen.

Hannover (dpa) - Im Streit um die CO2-Ziele der EU stellt sich
Bundesverkehrsminister Volker Wissing auf die Seite der Auto- und
Nutzfahrzeugindustrie. «Europa verliert an Glaubwürdigkeit, weil es
Ziele vorgibt, die es selbst nicht erreichen kann», sagte der
FDP-Politiker in seiner Eröffnungsrede zur Nutzfahrzeug-Messe IAA
Transportation in Hannover. Er unterstütze daher die Forderung der
Branche, die Überprüfung der CO2-Ziele auf 2025 vorzuziehen. 

Die Branchenvertreter im Saal quittierten das mit Applaus. «Ich bin
durchaus der Meinung, dass Vorgaben nötig sind», betonte Wissing,
«aber sie müssen in der Praxis auch tatsächlich umsetzbar sein. Alles

andere schwächt die Industrie, ohne dass damit etwas für das Klima
gewonnen wäre.» 

E-Auto-Flaute belastet Branche

Hintergrund ist der Stufenplan der EU zur Senkung des CO2-Ausstoßes
von Neufahrzeugen. Die Flottenziele, die die einzelnen Hersteller
erreichen müssen, werden ab 2025 deutlich verschärft. Angesichts der
schwachen Verkaufszahlen von Elektro-Modellen, die den Durchschnitt
senken, fordert die Branche eine Streckung des Zeitplans.

Die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Hildegard
Müller, hatte zuvor in ihrer Rede gefordert, die CO2-Vorgaben für
2025 zu überprüfen. «Die erforderlichen Rahmenbedingungen werden
nicht mit der notwendigen Entschlossenheit angegangen», sagte sie.
«Wir fordern die EU-Kommission daher auf, die für 2026 und 2027
geplanten Reviews jeweils ein Jahr vorzuziehen.» Nur dann gebe es
Klarheit, wo nachgebessert werden müsse.

Greenpeace: Volksvertreter oder Verbrenner-Lobbyist?

Kritik aus der Ferne gab es dafür von Greenpeace: «Herr Wissing
verwechselt erneut seine Rolle als gewählter Volksvertreter mit der
eines Verbrenner-Lobbyisten», bemängelte die Verkehrsexpertin der
Umweltorganisation, Marion Tiemann. Die Autohersteller könnten die
europäischen Klimaziele erreichen, wenn sie «Abstand von
spritschluckenden SUVs nehmen, ressourcensparende Modelle auf den
Markt bringen oder schlicht die Preise für ihre Elektroautos senken».

Die VDA-Chefin dagegen kritisierte die schlechten Rahmenbedingungen
für die Industrie. «Die Situation ist ernst: Der Standort Deutschland
fällt international massiv zurück», machte die frühere
Staatsministerin von Angela Merkel deutlich. «Eine schleichende
Deindustrialisierung ist eine reale Gefahr.» Ohne ein entschlossenes
Gegenlenken werde sie zur bitteren Realität. Vor allem bei
Bürokratieabbau und Deregulierung müsse endlich etwas passieren. «Das

Thema darf nicht weiter auf die lange Bank geschoben werden», so
Müller. «Das Konzept der überbordenden Regulierung ist gescheitert.
»

«Wir brauchen keine Zölle, sondern offene Märkte»

Unterstützung von Wissing erhielt Müller für ihre Ablehnung von
Strafzöllen gegen E-Autos aus China. Sie halte Zölle für das falsche

Mittel, und es sei ein Fehler «jetzt überstürzt im November» darü
ber
zu entscheiden. «Wir müssen uns die Zeit für gute Verhandlungen
nehmen.» Das sei ein guter Vorschlag, findet Wissing.

«Und am liebsten wäre es mir, wenn am Ende die Entscheidung über
Zölle gar nicht vertagt werden würde, sondern dass man davon Abstand
nimmt.» Denn einen Handelskrieg könne die Welt nicht gebrauchen. «Wir

brauchen keine Zölle, sondern offene Märkte mit einheitlichen, fairen
Wettbewerbsbedingungen.»

Technologische Innovationen und vor allem neue Antriebe sind die
großen Themen auf der Messe, die noch bis Sonntag geht. Mehr als
1.650 Aussteller aus 41 Ländern zeigen ihre Neuheiten. Vor allem
E-Laster und -Transporter dominieren das Bild. 

Wissing will Heimatmarkt für Wasserstoff schaffen

Wissing warnte allerdings davor, nur auf Elektro zu setzen. «Ich bin
überzeugt, dass wir in Zukunft am besten unterwegs sind, wenn wir uns
mit einem Mix aus unterschiedlichen Antrieben bedienen können»,
unterstrich er. Auch Wasserstoff werde hier eine Rolle spielen. Es
brauche einen «technologieoffenen Ansatz». 

Bei seinem Messerundgang machte Wissing dann auch beim Zulieferer
Bosch Station und ließ sich von dessen Chef Stefan Hartung eine
Brennstoffzelle erklären. «Was wirklich wichtig ist, dass wir auch
einen Heimatmarkt in Deutschland und Europa schaffen für diese
Wasserstofftechnologie», sagte der Minister.