Verband: Wolfsabschüsse in Bayern auf Jahre nicht möglich
25.09.2024 16:00
Die Meinung über Wölfe spaltet die Menschen - auch in Bayern. Die
einen verteufeln die Tiere, die anderen wollen sie weiter schützen.
Eine Nachricht aus Brüssel zeigt die bayerische Frontlinie genau.
Brüssel/München (dpa/lby) - Bayerns Wölfe müssen trotz der in Brü
ssel
von Vertretern der EU-Staaten auf den Weg gebrachten Absenkung des
Schutzstatus Wolfsschutzes keine unmittelbaren Konsequenzen fürchten.
Die Bejagung der hiesigen Wölfe sei auch mit der sich abzeichnenden
Änderung der sogenannten Berner Konvention auf absehbare Zeit nicht
möglich, teilte der Bund Naturschutz (BN) in München mit.
Umgang mit Wölfen sorgt seit Jahren für Debatten
Vertreter der EU-Staaten hatten zuvor mit der Stimme Deutschlands
eine Abschwächung des Schutzes von Wölfen auf den Weg gebracht und
damit auch in Bayern ein weiteres Kapitel in der seit Jahren
laufenden emotionalen Debatte über den Umgang mit den Wildtieren
eröffnet. Während etwa Umweltschützer den Schutz der einst
ausgestorbenen Wölfe weiter hochhalten, fährt die Staatsregierung und
mit ihr eine Vielzahl von Landwirten einen völlig gegensätzlichen
Kurs. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) umschrieb die Position
plakativ mit der Schlagzeile: «Der Wolf gehört nicht nach Bayern.»
Die Bundesregierung änderte mit ihrer Zustimmung in Brüssel
ihren Kurs in der Wolfspolitik. Mit der Entscheidung ist ein
schwächerer Schutzstatus aber noch nicht bindend im EU-Recht
verankert. Vorgesehen ist, dass der Schutzstatus des Wolfs von streng
geschützt auf geschützt gesenkt werden soll. Bis zu der finalen
Umsetzung ist es noch ein weiter Weg.
Bund: Keine Wolfsjagd in Bayern in nächsten Jahren absehbar
«Der Wolf wird bei uns in den nächsten Jahren weiterhin nicht ohne
weiteres bejagt werden dürfen. Auch wenn das eine
Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) oder ein
Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) gerne hätten. Auch
wolfsfreie Zonen sind trotz der Herabstufung rechtlich nicht
möglich», sagte BN-Landeschef Richard Mergner.
Verglichen mit anderen Bundesländern oder gar anderen Ländern ist die
Wolfspopulation in Bayern nicht hoch. Aktuell gibt nur in rund zehn
Regionen standorttreue Wölfe. Insbesondere aus der Rhön gibt es
regelmäßig Informationen zu Sichtungen und auch zu Rissen. Zum
Vergleich: Laut Bundesumweltministerium wurden 2022/2023 knapp 1.400
Wölfe in Deutschland nachgewiesen. Das Europäische Umweltbüro (EEB) -
ein Dachverband von Umweltorganisationen - schätzt, dass es in Europa
gar rund 20.000 Tiere gibt.
Agrarministerium: Entscheidung hätte viel früher kommen müssen
Das bayerische Agrarministerium zeigte sich erfreut über die deutsche
Zustimmung - kam aber nicht umhin, das Lob zugleich wieder mit einer
massiven Kritik an der Bundesregierung zu verbinden: «Es war ein
Fehler, die Sorgen und Ängste der Menschen so lange nicht zu erkennen
und nicht anzuerkennen. Aber wir sind erleichtert, wenn nun etwas
vorwärtsgeht, denn die Gefahr wird von Jahr zu Jahr größer», sagte
Kaniber. Seit Jahren weise Bayern auf die Gefahren für die
Weidewirtschaft durch den Wolf hin.
Jetzt müsse - so Kaniber weiter - der Antrag bei der Berner
Konvention schnellstmöglich gestellt werden, damit man sich dort noch
im Dezember mit der Schutzstatusabsenkung beschäftigen könne, sagte
sie. Jagdminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) forderte eine
zeitnahe Aufnahme des Wolfs ins Jagdrecht.
Auch Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) bewertete die
Brüsseler Weichenstellung als «deutliches Signal für die
Weidetierhaltung. Endlich bewegen sich Bund und EU beim Wolf.» Die
Absenkung des Schutzstatus sei überfällig. «Wir wollen die
Weidetierhaltung überall und auf Dauer ermöglichen. Denn die
Weidetierhaltung ist eine der Grundlagen für die Artenvielfalt in
Bayern. Dazu brauchen wir klare Regelungen.»
Aus der Sicht von BN-Wolfsexperte Uwe Friedel ist das aber ein
Trugschluss: «Die Staatsregierung sollte den Weidetierhaltern jetzt
keine falschen Hoffnungen machen - nach wie vor ist Herdenschutz das
einzige Mittel, um die Weidetiere vor Wolfsübergriffen präventiv zu
schützen! Bejagung ohne Herdenschutz führt zu hohen Risszahlen, wie
Beispiele aus anderen Ländern wie beispielsweise Norwegen zeigen.»
Auch der Landesbund für Vogel- und Naturschutz teilt nicht die
Ansicht der Regierenden in Bayern. «Der Wolf ist da und bleibt -
dieser Fakt kann nicht wegdiskutiert werden», sagte Verbandschef
Norbert Schäffer. Erleichterte Abschüsse würden nicht automatisch
eine Koexistenz ermöglichen - hierfür brauche es
Herdenschutzmaßnahmen.
Staatsregierung will Wolfsmanagement mit Ausrichtung auf
Landwirtschaft
Über den Schutz von Wölfen wird auch in Bayern seit Jahren in einer
hochemotionalen Debatte gestritten. Die Staatsregierung will ein
Wolfsmanagement erreichen, welches Abschüsse auch als vorbeugende
Maßnahme vorsieht. Ansonsten fürchtet sie Nachteile für die
Landwirtschaft - entweder durch Risse von Nutztieren oder durch
Mehrkosten für Schutzmaßnahmen. Bisher ist die Entnahme von Wölfen,
wie der Abschuss auch genannt wird, nur unter sehr strengen
Bedingungen möglich.
Bayern hatte ungeachtet des bisher strengen Schutzstatus von Wölfen
zwischenzeitlich eine eigene Wolfsverordnung erlassen. Die Regelung
wurde aber wegen formaler Mängel vom Verwaltungsgericht einkassiert,
ohne je angewendet worden zu sein. Sie war nur zwischen Mai 2023 und
Mitte Juli 2024 in Kraft. Die Staatsregierung kündigte nach der
Pleite vor Gericht aber schon an, die Regel nach einem erneuten
Gesetzgebungsverfahren unverändert wieder einsetzen zu wollen. Im
Gegenzug drohte der BN erneut mit einer Klage.
Das Regelwerk sah unter anderem vor, dass Wölfe abgeschossen werden
dürfen, wenn sie die Gesundheit des Menschen oder die öffentliche
Sicherheit gefährden. Möglich wäre der Abschuss laut Verordnung auch
«zur Abwendung ernster landwirtschaftlicher oder sonstiger ernster
wirtschaftlicher Schäden».