EU-Kommission will Entwaldungsgesetz verschieben

02.10.2024 16:46

Eigentlich sollten für Produkte wie Kakao und Holz in der EU
strengere Regeln zum Schutz von Wäldern gelten. Die Kritik an dem
Vorhaben war aber groß, jetzt reagiert die EU-Kommission.

Brüssel (dpa) - Nach monatelanger Kritik an einem EU-Gesetz zum
Schutz des Regenwaldes will die EU-Kommission das Vorhaben um ein
Jahr verschieben. Angesichts von Rückmeldungen zum Stand der
Vorbereitungen soll den betroffenen Parteien zwölf Monate mehr Zeit
eingeräumt werden. Wenn das EU-Parlament und die Mitgliedsstaaten dem
Vorschlag zustimmen, würde das Gesetz am 30. Dezember 2025 für
Großunternehmen und am 30. Juni 2026 für Kleinst- und
Kleinunternehmen in Kraft treten, teilte die Behörde in Brüssel mit. 


Gesetz zum Schutz des Regenwaldes

Produkte wie Kaffee, Holz, Soja, Kakao und Palmöl dürfen laut der
Verordnung nur noch in der EU verkauft werden, wenn dafür nach 2020
keine Wälder gerodet wurden. Damit soll auch die Abholzung des
Regenwaldes etwa im südamerikanischen Amazonasgebiet deutlich
reduziert werden. 

Konkret müssen Unternehmen künftig eine Sorgfaltserklärung abgeben,
dass für ihr Produkt nach dem 31. Dezember 2020 kein Wald gerodet
oder geschädigt wurde. Wer sich nicht an die Vorschriften hält, muss
mit hohen Strafen von mindestens vier Prozent des Jahresumsatzes in
der EU rechnen.

Viele forderten Verschiebung

Aus der Wirtschaft und über Parteigrenzen hinweg hatte es Kritik an
dem Vorhaben gegeben. Entsprechend reagierten viele positiv auf die
Ankündigung. Der CSU-Politiker und Vorsitzender der Fraktion des
Mitte-Rechts-Bündnis EVP im Europaparlament, Manfred Weber, sieht die
Verschiebung als Erfolg für seine Partei. Ein Bürokratiemonster sei
verhindert worden.

Doch auch Grüne und FDP hatten sich gegen das Vorhaben in seiner
geplanten Form ausgesprochen. Seit Monaten äußert sich
Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) kritisch und forderte mehr
Zeit für die Umsetzung. Er begrüßte den nun vorgelegten Vorschlag der

Kommission und teilte mit: «Wir werden eingehend prüfen, ob diese
Vorschläge auch praxistauglich umgesetzt sind.» Auch die
stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Carina
Konrad, hatte immer wieder Bedenken formuliert.

Ähnlich sieht das bei vielen Unternehmen aus. Waldbesitzer,
Bäuerinnen und Bauern aber auch Unternehmen wie Autozulieferer wären
betroffen, müssten sich an neue Berichtspflichten halten und sehen
die Verordnung kritisch.

Kritik aus dem EU-Parlament

Anders als ihr Parteifreund Özdemir bewertet die Europaabgeordnete
Anna Cavazzini das Vorhaben. Sie bezeichnete die geplante
Verschiebung als Trauerspiel, die im Kontext der größten
Waldvernichtung der vergangenen Jahre auf dem lateinamerikanischen
Kontinent geschehe. Das sei ein frontaler Angriff auf die
EU-Klimapolitik. Die SPD-Europaabgeordnete Delara Burkhardt sagte,
kaum sei EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in ihre
zweite Amtszeit gestartet, säge sie an der Umweltpolitik.
Sozialdemokraten würden alles dafür tun, dass Konservative um CDU und
CSU das Verfahren nicht ausnutzten, um das Gesetz abzuschwächen.

Vehemente Kritik äußerten auch Umweltorganisationen. Der WWF teilte
mit, Entwaldung sei die zweitgrößte CO2-Quelle nach der Industrie.
«Ursula von der Leyen hätte genauso gut selbst die Kettensäge
schwingen können», sagte Sébastian Risso von Greenpeace. Die Menschen

in Europa würden keine Produkte aus Abholzung in ihren
Supermarktregalen wollen, aber genau das werde ihnen die Verzögerung
bescheren.