Autoindustrie: Deutschland muss gegen EU-Strafzölle stimmen
02.10.2024 16:53
E-Autos aus China sind viel günstiger als Modelle aus der EU. Die
EU-Kommission wirft Peking Marktverzerrung vor. Dennoch warnt die
Industrie vor Zusatzzöllen - und auch der Kanzler hat Bedenken.
Berlin (dpa) - Im Streit über Strafzölle der EU auf Elektroautos aus
China macht die Autoindustrie Druck auf die Bundesregierung und
fordert Widerstand aus Berlin. In der Ampel-Koalition dringen die
FDP-geführten Ministerien für Finanzen und für Verkehr auf ein
deutsches Nein in Brüssel. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)
äußerte sich kritisch über mögliche Strafzölle. Eine entscheidend
e
Abstimmung in Brüssel ist für Freitag angesetzt. Wie die
Bundesregierung sich verhalten wird, ist offen.
Die EU-Kommission wirft China vor, die gesamte Wertschöpfungskette
für Elektroautos stark zu subventionieren und den Markt so zu
verzerren. Deshalb will die Behörde Zusatzzölle einführen, die in
manchen Fällen voraussichtlich mehr als 35 Prozent betragen. Bei der
Entscheidung darüber haben jedoch die 27 EU-Staaten ein Wort
mitzureden. Als mögliche deutsche Positionen gelten ein Nein sowie
eine Enthaltung. Nach Angaben der EU-Kommission sind chinesische
Elektroautos normalerweise rund 20 Prozent günstiger als in der EU
hergestellte Modelle.
Autoindustrie warnt vor globalem Handelskonflikt
«Ein Votum der EU-Staaten, ab Ende Oktober hohe zusätzliche Zölle auf
E-Pkw aus China zu erheben, wäre ein weiterer Schritt weg von
globaler Zusammenarbeit», sagte die Präsidentin des Verbands der
Automobilindustrie, Hildegard Müller, der Deutschen Presse-Agentur.
«Durch diese Maßnahme wächst das Risiko eines globalen
Handelskonfliktes weiter an.» Müller forderte, dass die
Bundesregierung klar Stellung gegen die Strafzölle beziehen müsse.
Eine Enthaltung sei keine Option.
Auch BMW-Chef Oliver Zipse forderte, dass die Bundesregierung gegen
die Strafzölle stimmt. Der Wohlstand in Deutschland hänge von offenen
Märkten und freiem Handel ab. Zusätzliche Zölle schadeten global
tätigen deutschen Unternehmen und könnten «einen Handelskonflikt
heraufbeschwören, der am Ende nur Verlierer kennt.»
Ähnliche Töne kamen aus Stuttgart und Wolfsburg: Mercedes-Chef Ola
Källenius forderte die EU auf, eine Verhandlungslösung mit China zu
suchen, anstatt Zölle zu erheben. «Ein Nein am Freitag von der
Bundesregierung wäre ein Signal für eine solche Verhandlungslösung,
anstelle eines Handelskonfliktes». VW dringt ebenfalls auf ein Nein
der Bundesregierung in Brüssel. Ein Sprecher sagte auf Anfrage: «Die
vorgesehenen Zölle sind ein falscher Ansatz, sie verbessern nicht die
Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Automobilindustrie.»
Kanzler setzt auf Verhandlungen mit China
Auch Bundeskanzler Scholz ließ Bedenken erkennen. «Natürlich müssen
wir unsere Wirtschaft vor unfairen Handelspraktiken schützen»,
unterstrich der SPD-Politiker in Berlin. Es gehe um gleiche
Wettbewerbsbedingungen. «Unsere Reaktion als EU darf aber nicht dazu
führen, dass wir uns selbst schädigen. Deswegen müssen die
Verhandlungen mit China in Bezug auf Elektrofahrzeuge weitergehen.»
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sprach sich ebenfalls
für eine politische Lösung aus. Er stimme «mit allen überein, die
sagen, dass Zölle nicht die Lösung sind», betonte der
Grünen-Politiker beim Berlin Global Dialogue. China hat nach Angaben
des Wirtschaftsministers einen Vorschlag zur politischen Lösung des
Konflikts gemacht. «Jetzt bitte ich die EU, für diese Diskussion
offen zu sein.»
Ähnlich äußerte sich außerdem auch Bundesfinanzminister Christian
Lindner (FDP). «Deutschland kann einem potenziellen Handelskrieg mit
der Volksrepublik China im Bereich einer Schlüsselbranche nicht
zustimmen», betonte er.
Das Thema dürfte auch bei einem Treffen von Scholz mit Frankreichs
Präsident Emmanuel Macron eine Rolle gespielt haben. Macron hatte
sich in der Vergangenheit grundsätzlich positiv über Strafmaßnahmen
gegen Chinas E-Autos geäußert. Scholz sagte weiter, man müsse dort
anpacken, wo chinesische Billigimporte der Wirtschaft tatsächlich
schadeten, beispielsweise beim Stahl. Die Welthandelsorganisation und
ihre Prinzipien müssten wieder mehr beachtet werden.
Wissing: E-Autos müssen zu konkurrenzfähigen Preisen angeboten werden
Verkehrsminister Volker Wissing warnte vor «Marktbarrieren». Diese
stellten kein geeignetes Instrument dar, die Wettbewerbsfähigkeit der
deutschen beziehungsweise europäischen Automobilindustrie zu stärken,
sagte der FDP-Politiker der dpa. «Die Zukunftsfähigkeit der
Automobilindustrie wird daran gemessen werden, ob Elektroautos zu
einem konkurrenzfähigen Preis angeboten werden können.»