EU-Kommission will Ungarn erneut verklagen
03.10.2024 15:17
Immer wieder wird der Budapester Regierung vorgeworfen, den
Rechtsstaat auszuhöhlen. Die EU-Kommission kündigt eine Klage vor dem
Europäischen Gerichtshof an.
Brüssel (dpa) - Die EU-Kommission will Ungarn erneut wegen
mutmaßlicher Verstöße gegen europäisches Recht vor dem Europäisch
en
Gerichtshof verklagen. Grund sei diesmal das nationale Gesetz über
die «Verteidigung der Souveränität», teilte die Brüsseler Behör
de
mit.
Sie sieht darin unter anderem Verstöße gegen Grundsätze der
Demokratie, der freien Meinungsäußerung und der Vereinigungsfreiheit.
Konkret geht es den Angaben zufolge auch um die Achtung des Privat-
und Familienlebens und das Recht darauf, vertraulich mit Anwältinnen
und Anwälten sprechen beziehungsweise schreiben zu können.
Mit dem im Dezember verabschiedeten Gesetz wurde ein neues «Amt für
Souveränitätsschutz» eingerichtet, das eventuelle Bedrohungen Ungarns
aus dem Ausland überwachen soll. Das bereits geltende Verbot der
Parteienfinanzierung aus dem Ausland wurde damit auf Vereine und
andere Organisationen ausgeweitet. Verantwortlichen dieser
Organisationen, die versuchen, Finanzquellen aus dem Ausland zu
verschleiern, drohen zudem drei Jahre Freiheitsentzug.
«Amt für Souveränitätsschutz» besonders in der Kritik.
«Das Gesetz verleiht dem Amt einen sehr weiten Ermessensspielraum für
die Ermittlungen - insbesondere, was den Zugang zu Informationen
betrifft -, und gestattet es dem Amt, in die Ermittlungstätigkeit
anderer Behörden einzugreifen», teilte die EU-Kommission mit. Die
Befugnisse und der große Ermessensspielraum werde Folgen etwa für
Nichtregierungsorganisationen, Medien und Journalisten haben und wohl
nicht verhältnismäßig sein.
Der Grünen-Abgeordnete Daniel Freund sagte, das Gesetz «stammt aus
dem Lehrbuch Wladimir Putins und kommt ganz konkret gegen die
Zivilgesellschaft in Ungarn zum Einsatz». Auch seine SPD-Amtskollegin
und ehemalige deutsche Justizministerin Katarina Barley begrüßte das
Verfahren. «Das System Orban macht Ungarn zum Trojanische Pferd von
Russland und China in der EU», sagte sie mit Blick auf Ungarns
Regierungschef Viktor Orban.
Bei Verurteilung droht eine Geldstrafe
Bereits im Februar hatte die Brüsseler Behörde wegen des neuen
Gesetzes ein sogenanntes Vertragsverletzungsverfahren gegen Budapest
eingeleitet. Ungarn hielt jedoch an dem Gesetz fest. Sollte die Klage
der Kommission nun erfolgreich sein und der Europäische Gerichtshof
Budapest verurteilen, droht bei einem weiteren Festhalten an dem
Gesetz eine Geldstrafe.
Es wäre nicht die erste Geldstrafe gegen Ungarn. Der EuGH verhängte
beispielsweise im Juni eine Strafe, weil Ungarn aus EuGH-Sicht gegen
das EU-Asylrecht verstößt. Da Ungarn die 200-Millionen-Euro-Strafe
nicht bezahlt hat, will die Europäische Kommission das Geld von
künftigen EU-Zahlungen an Budapest abziehen.