EU-Autozölle gegen China: Scholz entscheidet für Nein
04.10.2024 08:47
Erneut können sich Minister der Ampel-Regierung in einer strittigen
Frage nicht einigen. Diesmal im EU-Zollstreit. Also muss der Kanzler
ran - doch die Kritik hält an.
Berlin (dpa) - Nach Unstimmigkeiten in der Ampel-Koalition aus SPD,
Grünen und FDP in der Frage von EU-Zöllen gegen Elektroautos aus
China entscheidet nun Kanzler Olaf Scholz. Aus grünen
Regierungskreisen hieß es, der SPD-Politiker habe beschlossen, dass
die Bundesregierung bei einer Abstimmung heute in Brüssel gegen die
Zölle stimmen werde. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne)
habe dies akzeptiert.
Damit nimmt Scholz angesichts von Differenzen der Koalitionspartner
das letzte Wort für sich in Anspruch. Es hieß in Berlin auch, dass
Scholz seine Richtlinienkompetenz nutze. Vor zwei Jahren setzte
Scholz so einen kurzfristigen Weiterbetrieb der deutschen
Atomkraftwerke um einige Monate durch. Ein Regierungssprecher wollte
sich am Donnerstagabend nicht zum Abstimmungsverhalten äußern. Die
deutsche Autoindustrie hatte sich für eine Ablehnung starkgemacht und
vor einem globalen Handelskonflikt gewarnt.
Grüne Ministerien waren für Enthaltung
In der Ampel-Koalition drangen die FDP-geführten Ministerien für
Finanzen und für Verkehr auf ein deutsches Nein in Brüssel. Auch
Scholz äußerte sich kritisch zu möglichen Strafzöllen. Die grün
geführten Wirtschafts- und Außenministerien hatten dafür plädiert,
sich bei der Abstimmung zu enthalten, um weiter nach einer
Verhandlungslösung mit China zu suchen. Die grünen Ministerien
akzeptierten aber die nun gefallene Entscheidung für ein deutsches
Nein, hieß es am Donnerstagabend.
Zwar hieß es aus dem Bundeswirtschaftsministerium, man wolle einen
fairen Wettbewerb, aber keinen Handelskrieg mit Zöllen. Europa dürfe
gegenüber China aber auch nicht naiv sein. «Deshalb hätten wir einen
anderen Weg als «Nein» für besser gehalten.» Dies sei aber keine
Glaubensfrage, sondern eine Frage der politischen Taktik. Ziel müsse
eine Verhandlungslösung sein, die die eigenen Interessen wahre.
Habeck sagte dem «Handelsblatt»: «Aus meiner Sicht ist der beste Weg
zu einer politischen Lösung eine starke EU, die gemeinsam mit voller
Verhandlungsmacht agiert. So können wir Zölle am ehesten abwenden.»
Deshalb hätte er anders entschieden, sagte Habeck: «China versteht
klare Sprache und Ansagen sehr gut. Schwäche weiß es zu nutzen.»
FDP-Chef Lindner schrieb am Donnerstagabend bei «X»: «Zölle auf
chinesische E-Autos wären falsch - sagt unsere Auto-Branche, die
angeblich geschützt werden soll.» Mit China müsse man Klartext
sprechen und verhandeln, «aber Handelskriege kennen nur Verlierer».
EU-Staaten stimmen heute über Zusatzzölle ab
Die 27 EU-Mitgliedstaaten stimmen heute darüber ab, ob die
EU-Kommission ab November Zusatzzölle auf E-Auto-Importe aus China
erheben soll. Die EU-Kommission wirft China vor, die gesamte
Wertschöpfungskette für Elektroautos stark zu subventionieren und den
Markt so zu verzerren und sich unfaire Wettbewerbsvorteile zu
verschaffen.
Deshalb will die Behörde Zusatzzölle einführen, die in manchen Fäll
en
voraussichtlich mehr als 35 Prozent betragen. Nach Angaben der
EU-Kommission sind chinesische Elektroautos normalerweise rund 20
Prozent günstiger als in der EU hergestellte Modelle.
Eine ausreichende Mehrheit der EU-Länder kann die Maßnahme
verhindern, was sich zuletzt aber nicht abzeichnete. Deutschland wird
mit seinem "Nein" voraussichtlich kaum etwas bewirken können. Um die
Zölle noch zu verhindern, müssten 15 Mitgliedstaaten gegen sie
stimmen, die 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren.
EU-Diplomaten gehen allerdings davon aus, dass es keine Mehrheit
gegen die Zölle geben wird.