Kommen die Zusatzzölle für Chinas E-Autos? Von Marek Majewsky, dpa

04.10.2024 04:17

Eine entscheidende Abstimmung steht an: Werden in China produzierte
E-Autos künftig durch Zusatzzölle belastet und dadurch womöglich auch

teurer?

Brüssel (dpa) - Vertreter der EU-Staaten haben heute eine Abstimmung
über die Einführung von teils hohen Ausgleichszöllen auf Elektroautos

aus China angesetzt. Hintergrund ist, dass Peking in der
Volksrepublik hergestellte Autos aus Brüsseler Sicht mit
wettbewerbsverzerrend hohen Subventionen fördert. Die Sorge:
Europäische Hersteller und Zulieferer könnten unter die Räder
geraten, doch gerade deutsche Autobauer und Zulieferer sehen das
Vorhaben kritisch. Ein Überblick: 

Worüber wird genau abgestimmt? 

Kernfrage ist: Werden Hersteller, die in China produzieren und von
dort in die EU exportieren, ab Anfang November mit Zusatzzöllen
bestraft? Konkret geht es um Zölle von 7,8 Prozent für Tesla und 35,3
Prozent für Unternehmen, die nicht mit der EU-Kommission bei der
Untersuchung kooperiert haben. Die Höhe richtet sich unter anderem
danach, wie viele Subventionen ein Hersteller bekommt. Sie würden auf
einen ohnehin schon bestehenden Zoll von zehn Prozent aufgeschlagen.
Ob oder in welchem Umfang die Zölle an Kunden weitergegeben würden,
ist noch unklar.

Welche Hersteller sind betroffen? 

Neben chinesischen Herstellern wie BYD und Geely würden auch deutsche
Hersteller getroffen. Die deutschen Platzhirsche VW, Mercedes und BMW
produzieren auch in China für den Export und müssten entsprechend
einen Aufschlag zahlen. Anfragen, inwiefern Renault aus Frankreich
oder Fiat aus Italien von den Zöllen betroffen wären, ließen die
beiden großen europäischen Hersteller unbeantwortet. «Deutsche und
europäische Hersteller, die aus China heraus in die EU exportieren,
werden mit höheren Zöllen belastet als einzelne Wettbewerber aus
China und den USA. Das ist schlichtweg unverständlich und wenig
zielführend», kritisiert die Präsidentin des Verbands der
Automobilindustrie (VDA) Hildegard Müller.

Welche Argumente sprechen für und welche gegen die Zölle?

Die EU-Kommission macht sich für die Zölle stark, weil sie im
Verhalten Chinas eine Bedrohung für europäische Firmen sieht. Die
Grundidee ist vereinfacht gesagt: Jeder Euro, den ein E-Auto aus
China aufgrund von Subventionen günstiger wird, soll durch die Zölle
aufgefangen werden, damit diese Fahrzeuge keinen unfairen
Wettbewerbsvorteil haben. 

Derzeit haben chinesische Hersteller nach Branchenangaben einen
Marktanteil von rund einem Prozent in Deutschland. Durch einen
Vorsprung in der Elektromobilität gewinnen Firmen aus Fernost aber an
Boden und können etwa durch günstige Elektroautos überzeugen, die
deutsche Marken schlicht nicht im Angebot haben.

Aus der deutschen Automobilbranche heißt es hingegen, die Zölle
beseitigten keine strukturellen Nachteile, die in der EU bestünden.
So sind der Autoindustrie etwa hohe Strompreise und Bürokratie durch
gesetzliche Vorgaben ein Dorn im Auge. Zudem werden Gegenmaßnahmen
befürchtet, und hier sind deutsche Hersteller im Vergleich zu anderen
europäischen Firmen gefährdeter. Während andere europäische
Hersteller keinen relevanten Marktanteil in China haben, sind es bei
deutschen Herstellern laut VDA um die 20 Prozent. «Jedes in China
verkaufte Auto finanziert die Wende zu einer klimafreundlichen
Mobilität mit», sagt Verbandspräsidentin Müller.

Was sind die nächsten Schritte nach der Abstimmung? 

Selbst bei einer ausreichenden Mehrheit für die Zölle werden diese
nicht automatisch ab Anfang November erhoben. Wenn Brüssel mit China
am Verhandlungstisch noch eine Lösung erreicht, können die Zölle von

der EU-Kommission wieder gestoppt werden, auch wenn eine Mehrheit der
EU-Staaten vorher für das Vorhaben ausgesprochen hat. 

Wenn sich eine Mehrheit gegen die Zölle ausspricht oder es keine
Mehrheit für die Zölle gibt, heißt das aber auch nicht automatisch,
dass die EU-Kommission die Zölle fallen lässt. Sie kann dann einen
Berufungsausschuss einberufen, der ein zweites Mal über das Anliegen
berät. Erst wenn es auch in diesem Ausschuss eine ausreichende
Mehrheit gegen die Zölle ausspricht, darf die Kommission die Abgaben
nicht einführen.

Wie sieht die Bundesregierung die Zölle?

Die Bundesregierung will sich gegen die Zölle aussprechen. Aus grünen
Regierungskreisen hieß es, Kanzler Olaf Scholz habe beschlossen, dass
die Bundesregierung gegen die Zölle stimmen werde.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) habe dies akzeptiert.
Damit nimmt Scholz angesichts von Differenzen der Koalitionspartner
das letzte Wort für sich in Anspruch.

Wie sieht Peking die Zölle?

Im Hinblick auf die EU-Zusatzzölle spricht Peking von
Protektionismus. Brüssel ignoriere Fakten, missachte Regeln der
Welthandelsorganisation und werde sich selbst und anderen nur
schaden, so das chinesische Außenministerium. Verhandlungen über eine
Beilegung der Differenzen wurden von Peking unterstützt. Im September
war der chinesische Handelsminister Wang Wentao zu Gesprächen nach
Brüssel gereist. Doch droht Peking zugleich mit Gegenmaßnahmen. 

So wurden etwa Anti-Subventionsuntersuchungen gegen importierte
Milchprodukte und gegen Branntwein (Brandy) aus der EU
vorangetrieben. Bei der Brandy-Untersuchung sind nach chinesischer
Darstellung zwar Dumpingpreise festgestellt worden, Maßnahmen würden
jedoch vorerst nicht ergriffen. 

Was machen andere Länder? 

Im Frühjahr hatte US-Präsident Biden angekündigt, Elektroautos aus
China mit Sonderzöllen von 100 Prozent zu belegen - und sie so
faktisch vom US-Markt zu nehmen, weil der Endpreis für die
allermeisten Autokäufer dadurch zu hoch wird. Die US-Regierung wirft
China vor, die globalen Märkte mit künstlich verbilligten Exporten zu
fluten. «Das ist kein Wettbewerb, das ist Schummeln», hatte Biden
damals gesagt. Damit hat sich der Handelskonflikt zwischen den USA
und China weiter verschärft.

Die Türkei hat erst kürzlich eine Steuer auf Autos aus China mit 40
Prozent, aber mindestens 7.000 US-Dollar pro Fahrzeug erlassen. Hinzu
kommt laut Angaben des Senders TRT eine Umsatzsteuer von zehn
Prozent. Investoren sind ausgenommen von dieser Regel. Kraftfahrzeuge
unterliegen in der Türkei einer hohen Sondersteuer. Diese gilt für im
Inland hergestellte wie für importierte Fahrzeuge. Die Höhe des
Steuersatzes richtet sich nach dem Hubraum und liegt derzeit zwischen
45 bis zu 220 Prozent.