EuGH urteilt über Facebooks Datenverarbeitung

04.10.2024 04:30

Das höchste europäische Gericht nimmt Metas Datensammelei unter die
Lupe - und könnte die Daumenschrauben ordentlich anziehen. Wackelt
nun das Geschäft mit der personalisierten Werbung?

Luxemburg (dpa) - Das höchste Gericht der EU entscheidet heute über
Fragen zur Datenverarbeitung durch Facebooks Mutterkonzern Meta. Der
Kläger ist kein Unbekannter: Der Datenschutzaktivist Maximilian
Schrems hatte in der Vergangenheit in seinen Auseinandersetzungen mit
Facebook zwei spektakuläre Erfolge vor dem Europäischen Gerichtshof
(EuGH) erzielt, die den gesamten Datenaustausch zwischen den USA und
der Europäischen Union betrafen. Nun nimmt er erneut den
Tech-Giganten ins Visier.

Worüber entscheidet der EuGH genau?

Der aktuelle Fall betrifft mehrere mutmaßliche Verstöße Metas gegen
die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Einige Fragen hatte der EuGH
bereits in früheren Verfahren beantwortet und dabei etwa die
Wettbewerbsaufsicht der Kartellbehörden gegenüber Meta gestärkt. Zu
dem Konzern gehören auch die Dienste Instagram und Whatsapp.

Schrems rügt nun, dass Meta sich nicht an den Grundsatz der
«Datenminimierung» aus der DSGVO halte und einfach das gesamte
Online-Verhalten speichere, anstatt die Verarbeitung auf das
notwendige Maß zu beschränken. Ein weiterer Aspekt seiner Klage ist
die Verarbeitung von sensiblen Daten wie etwa der sexuellen
Orientierung. Für diese Daten gilt in der DSGVO ein besonderer
Schutz, sie dürfen nur in bestimmten Ausnahmefällen verwendet werden.
Eine solche Ausnahme besteht etwa, wenn die Information bereits zuvor
öffentlich gemacht wurde. Diese Frage stellte sich im vorliegenden
Fall, da Schrems auf einer Podiumsdiskussion über seine
Homosexualität gesprochen und diese damit womöglich derart öffentlich

gemacht hatte, dass eine Nutzung durch Facebook für personalisierte
Werbung gerechtfertigt sein könnte. 

Knackpunkt sind nun also vor allem zwei Fragen: Dürfen alle
personenbezogenen Daten ohne zeitliche Einschränkung verarbeitet
werden? Und: Wann hat jemand sensible Daten derart öffentlich
gemacht, dass Facebook sie für Werbung nutzen darf?

Warum ist die Klage relevant?

 Die DSGVO selbst gibt keine konkrete Frist vor, welche Daten wie
lange gespeichert werden dürfen, sondern stellt nur allgemeine
Grundsätze auf. Der EuGH könnte nun erstmals klarstellen, dass eine
Verarbeitung von Daten für Werbung nur in engen zeitlichen und
inhaltlichen Grenzen zulässig ist, erklärt Datenschutz-Rechtler
Daniel Rücker von der Kanzlei Noerr. Entscheidend sei außerdem,
inwiefern der EuGH den Schutz der besonders sensiblen Daten betonen
werde: «Denn das gilt dann nicht nur für die sexuelle Orientierung,
sondern zum Beispiel auch für religiöse Überzeugungen oder politische

Meinungsäußerungen auf Facebook», so Rücker.

Welche Auswirkungen hätte es, wenn Facebook verliert?

«Online-Daten hätten dann auch für Werbung ein "Ablaufdatum" und
selbst bei einer Einwilligung dürften nur bestimmte Daten genutzt
werden», teilte Schrems über seine Organisation noyb mit. Meta und
die Werbeindustrie müssten demzufolge einen guten Teil aller
Online-Tracking-Daten löschen. Laut dem Digitalverband Bitkom könnte
das Urteil «erhebliche Konsequenzen» für die gesamte
Digitalwirtschaft haben.

Datenschutz-Rechtler Rücker geht zwar nicht davon aus, dass damit
Facebooks Geschäftsmodell wackelt, aber: «Jeder, der mit targeted
advertising, also zielgruppenspezifischer Werbung arbeitet, ist von
diesem Urteil betroffen.» Entscheidend sei auch ein weiterer Aspekt:
«Wenn gegen die Datenschutzgrundverordnung verstoßen wurde, können
Nutzer Schadenersatz verlangen.» Im Fall von Meta könnte das weitere
umfangreiche Massen- und Sammelklagen bedeuten, die für den Konzern
unter Umständen problematischer sind als einzelne Bußgelder von
Behörden. Rücker zufolge formiert sich bereits eine Klage-Industrie,
ähnlich wie beim Diesel-Skandal.

Gibt es eine Tendenz, wie der Fall ausgehen könnte?

Ein Generalanwalt des Gerichtshofs legte vor einigen Monaten seine
Empfehlung vor und gab Schrems größtenteils Recht. Er kam zu dem
Schluss, dass es gegen die DSGVO verstoße, wenn jegliche Daten ohne
zeitliche Einschränkung gespeichert würden. Außerdem dürften Daten

zur sexuellen Orientierung nicht zwangsläufig für Werbung verarbeitet
werden, nur weil sie jemand vorher bereits öffentlich gemacht habe.
Die Richter folgen den Schlussanträgen oft, aber nicht immer.